Nachdem am Vormittag des zweiten Prozesstages um den tödlichen Verkehrsunfall bei Monheim zunächst u. a. die Einlassungen der Angeklagten verlesen worden war, stellte am Nachmittag zum ersten Mal ein Sachverständiger sein Gutachten vor. Im Mittelpunkt stand dabei vor allem das sichergestellte Video der Dashcam, einer im Cockpit installierten Kamera aus der Unfallnacht. Bilder, die im ersten Moment fast surreal wirkten. Darin zu sehen: Das Auto des Unfallverursachers, das mit hoher Geschwindigkeit die Verbindungsstraße zwischen Warching und Monheim befährt. In einer seichten Linkskurve bricht das Heck aus, das Fahrzeug gerät nach rechts von der Fahrbahn ab und verfehlt dabei nur um wenige Zentimeter einen Baum, bevor es wieder nach links auf die Straße bzw. direkt in den Gegenverkehr einschert. Genau in diesem Moment befindet sich der blaue Skoda des 54-jährigen Unfallopfers auf der Gegenfahrbahn und es kommt zum Zusammenstoß. Ein letzter Schrei der Audi-Insassen, ein Krachen und das Video bricht ab. Was übrig bleibt ist Stille, nicht nur im Video, sondern auch im gesamten Gerichtssaal.
Experte rekonstruiert Unfallhergang
Bereits im Vorfeld hatte die Staatsanwaltschaft die Videoaufnahmen gesichtet und auch aufgrund des vorliegenden Materials und der entsprechenden Ermittlungen auf Mord und Beihilfe zum Mord plädiert. Außerdem wurde Prof. Dr. Klaus Böhm, Kfz-Sachverständige der Dekra, Professor an der Hochschule München und Experte dafür, digitale Spuren eines Verkehrsunfall zu extrahieren, mit einem Gutachten zum tödlichen Zusammenstoß beauftragt. Dabei nutzte Böhm neueste Technik und rekonstruierte so den Unfallhergang anhand eines sogenannten Composite-Videos. Wie der Sachverständige erklärte, sei diese Methode im Vergleich zum Originalvideo viel genauer, weil die Objektivverzerrung der Videoaufnahmen heraus gefiltert werde. Zudem könne die Fahrdynamik hier vollumfänglich nachvollzogen werden.
Ergebnisse des Gutachtens
Das Ergebnis des Simulationsvideos:Ursächlich für den Kontrollverlust des Autos war wohl ein "Zusammenspiel" aus zu hoher Geschwindigkeit, schlechter Fahrbahnverhältnisse, feuchtem Asphalt und niedriger Temperaturen. Auf Nachfrage bestätigte Böhm, dass in einem solchen Grenzbereich bereits ein einfacher Kieselstein zum Ausbrechen des Pkws hätte führen können. Das Gutachten bestätigte außerdem die außerordentlich hohe Geschwindigkeit des Hauptangeklagten. So sei der Audi A5 in der Spitze bis zu 204 km/h schnell gewesen. Von einem 'Abheben', wie in der Anklageschrift skizziert, sei jedoch nicht auszugehen. Dafür bedarf es laut Gutachten einer 'klareren Kante' auf der Fahrbahn. "Obwohl das Fahrzeug kurz von der Straße abkam, können wir von einer Aufprallgeschwindigkeit von 138 - 153 km/h ausgehen", so Böhm.
Unfallwagen wohl getunt
Während seiner Untersuchungen stellte der 46-Jährige außerdem fest, dass das Steuergerät des Audis mit einer sogenannten Schadsoftware bespielt worden war. "Dahinter steckt in der Regel die Idee der Leistungssteigerung", so der Sachverständige. Zwar konnte vom Hersteller nachgewiesen werden, dass der Pkw bereits 2019 manipuliert wurde, als sich dieser bereits in Besitz des Angeklagten befand, wer genau die Manipulation durchführte bleibt aber weiterhin offen. Offen bleibt weiterhin auch, inwieweit der Hauptangeklagte sein Fahrzeug an der Leistungsgrenze fuhr. "Für uns ist es schwer nachvollziehbar, ob der Verursacher tatsächlich 'Vollgas' gegeben hat, weil wir nicht einschätzen können, zu welcher Leistung das Auto nach dem Tuning im Stande ist", erklärte Böhm.