Spaziergang durch Wolferstadt

Geschichte und Geschichten

Das Wirtshaus „Oberer Wirt“ – einer von drei Gastronomiebetrieben in Wolferstadt. Dort spielt sich das Vereinsleben der Gemeinde ab. Bild: Jessica Lang
In der hügeligen Juralandschaft im nördlichen Donau- Ries, zwischen Monheim und Wemding, liegt die Gemeinde Wolferstadt. Das Dorf ist vor allem durch Landwirtschaft geprägt und für viele junge Familien zum Lebensmittelpunkt geworden - und dann ranken sich da noch so manche Geschichten und Mythen um Wolferstadt und Umgebung.

Philipp Schlapak sitzt in seinem Büro im Gebäude des ehemaligen Zehentstadels in Wolferstadt. Mit dem, für was das Gebäude früher einmal verwendet wurde, hat die Arbeit des heutigen Bürgermeisters natürlich nichts mehr zu tun. Bauern mussten bei der Ernte jede zehnte Garbe, also jedes zehnte Getreidebündel, in Anwesenheit des Amtsknechts aussortieren, sammeln und in den Zehentstadel bringen. Zwar empfanden viele diese Regelung damals als Ausbeutung, doch dürfte sie sich im Vergleich zur heutigen Steuer in Grenzen gehalten haben.

Das Gebäude, in dem sich heute das Rathaus befindet, wurde bereits 1681 errichtet. Von hier leitet Schlapak seit 2014 die Geschicke der Gemeinde. Er ist Bürgermeister von Wolferstadt und den Ortsteilen Zwerchstraß, Rothenberg, Hagau, Steinbühl und Waldstetten und somit von 1 100 Bürgern und Bürgerinnen. Das Wappen von Wolferstadt ziert ein schreitender silberner Wolf in Rot. Der Name des Dorfs geht übrigens auf einen „Wolf“ oder „Wolpert“ und dessen Hofstatt in einer ersten alemannischen Siedlung zurück.

Wolferstadt fällt durch viele landwirtschaftliche Betriebe auf – Ackerbau und Viehzucht waren damals und sind heute prägend für das Dorf. Ein Gewerbegebiet hat Wolferstadt nicht – lediglich einige kleinere Handwerksbetriebe.

„Das Schöne ist die Lebensqualität, das schätzen die Leute auf dem Land“, so Bürgermeister Schlapak

Der älteste Dorfladen im Landkreis

Der ehemalige Zehentstadel ist allerdings mehr als nur der Sitz der Gemeindeverwaltung. Im Erdgeschoss befindet sich der Dorfladen. Besonders in den letzten Jahren haben solche genossenschaftlich betriebenen Läden zur Nahversorgung auf Dörfern stark zugenommen, da immer mehr inhabergeführte Bäckereien, Metzgereien und andere Lebensmittelgeschäfte auf dem Land schließen. Doch der Wolferstädter Dorfladen ist nicht erst seit ein paar Jahren ein Erfolgsmodell, schon vor über 25 Jahren wurde hier mit dem Ausbau des historischen Zehentstadels ein Zentrum des dörflichen Lebens geschaffen. Bürgermeister Schlapak beschreibt ihn als echten „Vorzeigeladen“, denn sowohl Funktionalität als auch die Umsätze würden stimmen. „Es ist der älteste Dorfladen im Landkreis – und eventuell auch der erfolgreichste“, sagt der Bürgermeister stolz. Das Geheimnis: Der Laden bietet ein breites Sortiment und Produkte des täglichen Bedarfs – und zwar zum Preis wie im normalen Supermarkt. Das Motto im Dorfladen lautet: „Wir haben alles was Sie brauchen und was wir nicht haben, brauchen Sie auch nicht“, lacht Schlapak.

Dorfladen und Rathaus im ehemaligen Zehentstadel Bild: Jessica Lang
Die St. Laurentius Kapelle wurde in schwierigen Zeiten errichtet. Bild: Jessica Lang

Von Rathaus und Dorfladen führt die Döckinger Straße ortsauswärts in Richtung Kapelle St. Laurentius. 1703 belagerten österreichische Truppen Wemding, denen sich die Stadt schließlich ergab. Viele Menschen flüchteten aus Wemding nach Wolferstadt und Hagau. Die Kapelle wurde zwischen 1701 und 1709 unter Pfarrer Johannes Bayr erbaut – mitten in den Wirren des Spanischen Erbfolgekriegs. Die Kriegswirren haben den Bau der Kapelle verzögert, so schreibt es Anselm Wiedemann, der im Netz unter Wolferstadt-Geschichte die Historie der Gemeinde aufgezeichnet hat. Den Willen des Pfarrers konnte demnach nichts erschüttern, und auch die Menschen spendeten für den Kapellenbau mehr als erwartet. Statt einer kleinen Kapelle ließ Bayr dann ein etwas größeres Kirchlein zu Ehren des Heiligen Lorenz erbauen.

Zurück zur Dorfmitte geht es entlang der Kapellstraße und der Wemdinger Straße. Der Dorfplatz wurde vor einigen Jahren mit Natursteinpflaster gestaltet. Im Mittelpunkt steht eine kleine Grünfläche mit Brunnen und Dorfbaum. Hier ist auch der Standort für den Maibaum. Um den Dorfplatz reihen sich neben Rathaus und Dorfladen auch zwei Wirtshäuser. Im Unteren und Oberen Wirt hat sich vor der Corona-Pandemie das Vereins- und Gemeinschaftsleben Wolferstadts abgespielt. Zwar können die Wirtshäuser seit der Pandemie nur noch zeitweise öffnen, umso mehr freut es den Bürgermeister, dass beide noch bestehen und die Wirtshaustradition weiterführen. 2020 ist sogar noch ein dritter Gastronomiebetrieb hinzugekommen. Die Inhaber des Bergschreinerhofs haben mitten in der Pandemie ihr Hof-Café eröffnet, wo sie regionale und selbstgemachte Spezialitäten anbieten.

Kirche St. Martin Wolferstadt Bild: Jessica Lang

Vom Dorfplatz eine Straße eine kleine Anhöhe hinauf. Auf dem Kirchberg thront die Kirche St. Martin über Wolferstadt. Dass der Ort, wo heute die Kirche steht, wohl schon zu vorchristlicher Zeit eine heilige Stätte war, belegen mehrere bedeutende Funde. Chronist Wiedemann hält fest, dass im Jahr 1927 ein Reihengräberfeld am Kirchberg aufgedeckt wurde. An der Grab- und Kultstätte mit freiem Blick in Richtung Osten zur aufgehenden Sonne wurden vermutlich heidnische Gebets- und Opferhandlungen vorgenommen. Anfang des 20. Jahrhunderts fand man in den Gemäuern der Kirche außerdem einen gut einen Meter hohen und 80 Zentimeter breiten Römerstein. Auf dem Stein sind diverse römische Götter dargestellt und er könnte als Weihestein gedient haben. Wahrscheinlich wurde der Stein, nach dem Sieg der Franken über die Alemannen im Jahr 496, als sich das Christentum mehr und mehr durchsetzte, in das christliche Gotteshaus eingemauert – als Zeichen der Unterwerfung des Heidentums.

Wolferstadt ist eine junge Gemeinde

Heute ist der Stein im Eingangsbereich der Wolferstädter Grundschule ausgestellt – unweit seines Fundortes. Die Grundschule befindet sich neben der Kirche, ebenfalls am Kirchberg. In vier Klassen besuchen gut 80 Kinder aus Wolferstadt und Otting die Schule. Zusammen mit dem Johannes-Kraus-Kindergarten bildet sie einen wichtigen Baustein für die Infrastruktur und Wohnqualität in der Gemeinde. Der Kindergarten am Moosberg bietet derzeit 51 Kindern Platz und ist nach 100 Jahren in kirchlicher Trägerschaft seit Anfang 2022 in gemeindlicher Trägerschaft.

Interessant ist, dass die letzte Sozialraumanalyse des Landkreises gezeigt hat, dass Wolferstadt die jüngste Gemeinde im Landkreis ist. Der prozentuale Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 18 war in Wolferstadt am höchsten. Viele Familien hätten sich in den letzten Jahren im Dorf niedergelassen, berichtet Bürgermeister Schlapak. Auch deshalb sei der Wohnraum – wie fast überall – äußerst knapp. Am Ortsrand in der Nähe der Kirche sollen deshalb bald 28 neue Bauplätze entstehen. Man befindet sich derzeit mitten im Genehmigungsverfahren. Das Gemeindeoberhaupt gibt allerdings zu verstehen, dass es bereits jetzt mehr Anfragen als Plätze gebe. Für Auswärtige bleibe es deshalb schier unmöglich einen der begehrten Bauplätze zu ergattern.

Philipp Schlapaks Augenmerk liegt allerdings nicht nur auf dem neuen Baugebiet. Für ihn ist außerdem wichtig, die Innenentwicklung voranzubringen und Wohnraum im Dorfkern entstehen zu lassen. Er freue sich deshalb, dass in den letzten Jahren einige Baulücken im Dorf geschlossen werden konnten und Gebäude ehemaliger Bauernhöfe in moderne Wohnhäuser umgewandelt wurden. Außerdem wurden alle Ortsteile mit Glasfaserleitungen ausgestattet – in Eigenleistung der Gemeinde. In Wolferstadt selbst verfügen gut die Hälfte der Haushalte über Glasfaser.

Auf gleichem Weg wie hinauf, geht es vom Kirchberg wieder hinab in den Dorfkern. Beim Oberen Wirt biegt man rechts ab und folgt der Straße in den Dorfplatz noch ein Stück, um danach links in die Ottinger Straße einzubiegen. Dort befi ndet sich neben einer Filiale der Raiffeisen Bank auch die Gemeinschaftsbücherei Wolferstadt, die von der Gemeinde und der Pfarrei getragen wird. Ehrenamtliche betreuen die Bücherei, die besonders von jungen Familien gut angenommen wird.

Mystisch und schön

Überregional bekannt ist Wolferstadt durch den Uhlberg im Grenzgebiet zum Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. Die Mythen und schaurigen Geschichten rund um die Ruine der St. Ulrichs-Kapelle auf der Anhöhe im Wald halten sich hartnäckig. Es wird von einer weißen Frau erzählt, die sich dort des Nachts zeige, oder dass nicht einmal Waldgeräusche dort oben in der Ruine zu hören seien. Tiere würden den Bereich gar meiden. Die Gruselgeschichten ziehen Mystiker und Satanisten an, die sich dort herumtreiben, und leider hat auch die Polizei immer wieder mit Jugendlichen zu tun, die dort verbotenerweise mit Autos herumfahren oder Infotafeln beschädigen. Bürgermeister Schlapak bedauert dies, denn ganz unabhängig von sämtlichen Mythen, sei der Bereich für Spaziergänge und Wanderungen einfach ein schönes Fleckchen Natur im Gemeindebereich Wolferstadts.

Kirche St. Martin und Grundschule Wolferstadt Bild: Jessica Lang
Uhlberg Kapelle Wolferstadt Bild: Wikimedia Commons / Public Domain

Steckbrief Wolferstadt:

Bürgermeister: Philipp Schlapak
Höhe: 495 m ü. NHN
Fläche: 30,67 k m²
Einwohner: 1097 (31. Dez. 2020)
Ortsteile: Brenneisenmühle, Erlachhöfe, Jackermühle, Hagau, Rothenberg, Spitzmühle, Steinbühl, Waldstetten, Wolferstadt und Zwerchstraß
Verwaltung: Döckinger Str. 1
86709 Wolferstadt
Webpräsenz: www.wolferstadt.de