Geologie

Im Ries treffen Himmel und Erde aufeinander

Steinbruch Aubmühle. Bild: Mara Kutzner
Er nennt sich Schwabenstein oder Suevit und ist durch eine kosmische Katastrophe vor mehreren Millionen Jahren entstanden. Am Gestein des Jahres kommt man in Nördlingen nicht vorbei und sogar für künftige Mond-Expeditionen ist der Suevit von großer Bedeutung.

Wie der Krater entstanden ist, das weiß im Ries jedes Kind! Doch es mussten erst mehrere Millionen Jahre vergehen, bis die Entstehungsgeschichte unserer Heimat aufgedeckt werden konnte. Eugene Shoemaker und Edward Chao, ein US-amerikanischer und amerikanisch-chinesischer Geologe und Impaktforscher, konnten es im Jahr 1960 schließlich beweisen: Das Ries muss durch einen Asteroiden-Einschlag entstanden sein! 

Nur ein Jahr vorher gelang es Shoemaker den deutlich kleineren Barringer-Krater in Arizona weltweit erstmalig als Einschlagskrater eines Meteoriten auszumachen. Dass auch das Ries durch ein astronomisches Ereignis entstanden ist, wurde anhand eines einzigartigen Gesteins bewiesen. 

Als vor 15 Millionen Jahren ein etwa ein Kilometer großer Asteroid einschlug und mit der Kraft von 100 000 Atombomben explodierte, wurden der Asteroid und Gesteine am Einschlagsort in ihre atomaren Bestandteile zerlegt, aufgeschmolzen oder zertrümmert. Eine riesige Glutwolke schleuderte bis in die Stratosphäre empor und fiel auf den Krater zurück. Gesteine, die normalerweise erst in mehreren hundert Metern Tiefe zu finden sind, gelangten durch den Einschlag an die Erdoberfläche. Aus diesen Bruchstücken, geschmolzenen Gesteinstrümmern und Staub der Explosionswolke formte sich der Suevit.

Er nennt sich Schwabenstein oder Suevit und ist durch eine kosmische Katastrophe vor mehreren Millionen Jahren entstanden. Am Gestein des Jahres kommt man in Nördlingen nicht vorbei und sogar für künftige Mond-Expeditionen ist der Suevit von großer Bedeutung. Bild: Mara Kutzner

Suevit gibt Einblick in die Erdgeschichte

„Weil der Suevit aus Bruchstücken anderer Gesteine besteht, ist er wissenschaftlich betrachtet eine ‚Brekzie‘“, erklärt Prof. Dr. Stefan Hölzl, Geologe und Leiter des Rieskratermuseums in Nördlingen. Die Bruchstücke des Suevits bestehen aus Graniten, Gneisen und Amphiboliten des kristallinen Grundgebirges. Außerdem sind im Rieskrater-Gestein helle Kalkbrocken der darüber liegenden Trias und Jura-Schichten enthalten. Ganz typisch sind die schwarzen „Flädle“. „In Glas umgewandelte Schmelzfetzen“, weiß Hölzl. Und dann gibt es noch ganz besondere Minerale, wie zum Beispiel Diamanten, die im Suevit enthalten sind. Durch den Fund solcher Minerale, die nur durch Hochdruck entstanden sein können, bewiesen Shoemaker und Chao, dass der Suevit und somit das Ries bei einem Asteroiden-Einschlag entstanden sind. 

Lange bevor man dies wusste, ging man davon aus, der Suevit sei ein Vulkan-Gestein. 1792 beschrieb ihn Carl von Caspers als „Feuerduftstein“ bzw. „Gestein, das nach Feuer duftet“. Erst 1919 bekam das Gestein seinen heutigen Namen. Mittlerweile sind Suevite aus vielen großen Einschlagskratern auf der Erde bekannt – in Deutschland allerdings nur im Unesco Global Geopark Ries. Auch aus diesem Grund wurde der Suevit vom Berufsverband der Deutschen Geowissenschaftler zum Gestein des Jahres 2024 ernannt. 

Suevit leitet sich vom lateinischen Suevia für Schwaben ab. Deshalb wird der Suevit auch "Schwabenstein" genannt.

Viele Gebäude in Nördlingen sind mit Suevit gebaut

Nicht nur für Geolog*innen interessant, sondern auch bei Baumeistern war der Suevit beliebt. Bereits die Römer verwendeten das Gestein als Baustein. Bekanntestes Beispiel aus späterer Zeit: der Turm „Daniel“ der Nördlinger St. Georgskirche. „Etwa fünf bis sechs Kilogramm Diamanten stecken in St. Georg und dem Daniel“, hat Hölzl ausgerechnet. Allerdings ist das Vorkommen von Diamanten im Suevit viel zu fein, ein Abbau im Ries ist schier unmöglich. Unter anderem sind die Nördlinger Stadtmauer, das Nördlinger Rathaus, die Oberpostdirektion Grottenau in Augsburg, das Königlich-Bayerische Postamt am Ostbahnhof in München und das Haupttelegraphenamt in Berlin aus dem Rieser Gestein gebaut. Außer für die Sanierungen dieser Gebäude wird der Schwabenstein heutzutage nicht mehr für den Bau verwenden. „Viel zu spröde“, meint Hölzl. In zwei Steinbrüchen wird er aber nach wie vor für die Produktion von Trasszement abgebaut.

Das Rieskrater Museum in Nördlingen zeigt, wie Suevit entstanden ist und wie er im Bau verwendet wurde. Bild: Mara Kutzner

Was Ries und Mond gemeinsam haben

Wer sich für die Entstehungsgeschichte des Rieskraters und des Suevits interessiert, sollte dem Rieskrater Museum in Nördlingen einen Besuch abstatten. Hier wird das Impaktereignis und die einzigartige Geologie des Rieses spannend aufbereitet. Immer wieder kommen auch Fachleute aus der ganzen Welt nach Nördlingen, weil sie sich für die einzigartige Geologie interessieren. Der Rieskrater ist schließlich der am besten erhaltene Krater der Welt und zudem gut zugänglich. Bekanntlich waren in der Vergangenheit eine Reihe an Apollo-Astronauten zu Trainingszwecken zu Gast im Ries. Und auch die deutschen ISS-Astronauten Alexander Gerst und Matthias Maurer haben sich vor ihren Expeditionen zur Raumstation im Ries kundig gemacht. Der Grund: Für die Internationale Raumfahrt ist der Mond wieder so interessant wie seit langem nicht mehr. NASA, ESA und andere Raumfahrtbehörden planen die Luna Gateway, eine Raumstation, die als eine Zwischenstation für bemannte Missionen zum Mond dient. Und hier spielt tatsächlich das Ries eine wichtige Rolle! 

Ziel der erneuten Mondmission ist die südliche Polregion, denn dort wurde Wasser bzw. Eis entdeckt. „Die Geologie im Ries ist der Geologie auf dem Mond sehr ähnlich“, erklärt Hölzl. Weil der Mond keine Atmosphäre hat, schlagen dort viel eher Objekte aus dem All ein. Die Mondoberfläche wimmelt nur so von Asteroiden-Kratern. Astronaut*innen, die zu Übungszwecken nach Nördlingen kommen, nehmen im Ries Gesteinsproben und können die geologischen Erkenntnisse für ihre zukünftige Forschung mitnehmen auf ihre Reise zum Mond – und irgendwann vielleicht sogar bis zum Mars.