Handwerk

Innovation und klassisches Handwerk unter einem Dach

Gunter Ziegelmeier mit seiner Fensterheizung. Bild: Thomas Oesterer
Die Schreinerei Ziegelmeier aus Nördlingen existiert bereits seit fast 150 Jahren. Jetzt wurde der Traditionsbetrieb zum wiederholten Mal mit dem Bundesinnovationspreis für das Handwerk ausgezeichnet.

Anfang des Jahres wurde die Schreinerei Ziegelmeier mit dem Bundesinnovationspreis 2024 für das Handwerk ausgezeichnet. Der Grund: Das Nördlinger Traditionsunternehmen hat
Fenster mit integrierter Elektroheizung entwickelt und mittlerweile auf den Markt gebracht. Die Technologie der Fensterheizung repräsentiert dabei einen innovativen Ansatz zur Beheizung von Räumen durch die Fensterflächen selbst. Rund sechs Jahre hat Gunter Ziegelmeier an den beheizbaren Fenstern gearbeitet, sie sind eine Fortentwicklung eines Produkts des Ingenieurs Andreas Häger und des Unternehmens Vestaxx aus Berlin. „Unsere Innovation trifft gerade natürlich völlig den Zeitgeist. Nach dem Gewinn des Innovationspreises haben wir so viele Anfragen bekommen, wie nie zuvor“, erklärt er stolz.

Echte Alternative zur klassischen Heizung

Das ist nicht die erste Auszeichnung für den gelernten Schreiner und Diplom-Ingenieur. Bereits 2022 wurde sein Betrieb für ein Vakuumglasfenster mit sehr hoher Wärmedämmung mit dem Bundesinnovationspreis bedacht. Und trotzdem stellt die Entwicklung der Fensterheizung eine völlig neue Dimension dar. Auch deshalb, weil sie mittlerweile als echte Alternative zur klassischen Öl- oder Gasheizung gilt. Und auch vom zwischenzeitlichen Run auf Wärmepumpen ist mittlerweile nur noch wenig zu spüren. Den Aufpreis für die Fensterheizung beziffert Ziegelmeier auf rund 14.000 Euro für die Fensterfläche eines Standardwohnhauses. Die Anschaffungskosten für eine Wärmepumpe seien indes um einiges höher. Die Differenz könne man ideal in die Installation einer PV-Anlage investieren – laut Ziegelmeier eine ideale Ergänzung zur Fensterheizung. Ein genauerer Blick auf das Modell im Ausstellungsraum des Betriebs zeigt: Die Fensterheizung sieht aus, wie ein ‚normales‘, dreifachverglastes Fenster. Nur ein kleines Kabel, das vom Fensterstock in den Rahmen führt, deutet auf die besondere Funktion hin. Nach kurzem Aufwärmen wird die Oberfläche der Scheibe dann zum Heizkörper, der bis zu 35 bis 45 Grad erreichen kann. Gesteuert wird die Innovation aktuell mit einem einfachen Schaltmodul,
das überall erhältlich ist. Allerdings, so Ziegelmeier, sei auch die Integration in eine komplette Smart-Home-Lösung denkbar – ein Schritt, an dem die Schreinerei aktuell mit Hochdruck arbeite.

Fenster schützt vor elektromagnetischen Wellen

Auslöser für den Innovationsgeist des Geschäftsführers war der eigene Hausbau. Kurz zuvor waren in der Nähe des Bauplatzes zwei neue Handymasten aufgestellt worden. Also musste kurzerhand eine Lösung für den entstehenden Elektrosmog her. Gesagt getan und so entwickelte Ziegelmeier die ersten Prototypen eines Fensters, das vor elektromagnetischen Wellen schützt. Das Problem des Elektrosmogs werde immer größer, da mit dem Ausbau des Mobilfunks immer mehr Handymasten in direkter Nachbarschaft entstehen, sagt Ziegelmeier. „Die Fenster reduzieren die Strahlung um das 10 000-fache.“ Interesse findet das Produkt mittlerweile nicht nur im Privatsektor. Besonders internationale Botschaften seien fast schon traditionell vom sogenannten Havanna-Syndrom, einer hohen Strahlenbelastung, ausgesetzt. Prüfzeugnisse für diese Produktreihe reichen bis zur militärischen Abhörsicherheit. Kombiniert werden können die Fenster dann u.a. mit Einbruchhemmung, Schallschutz und Wärmeschutz.

Die Schreinerei Ziegelmeier hat sich über die Jahre besonders auf individuell gefertigte Fenster aus Holz spezialisiert. Bild: Schreinerei Ziegelmeier

Bereits seit Gründung 1878 in Nördlingen ansässig

Fensterheizung, Fenster, die vor elektromagnetischen Wellen schützen und neu konzipierte Vakuumglasfenster – die Liste an Innovationen, die in den vergangenen 20 Jahren bei Ziegelmeier in Nördlingen entwickelt und umgesetzt wurden, ist lang und soll auch in Zukunft weiterwachsen. Dabei wird häufig vergessen, dass es sich bei der Schreinerei um einen echten Familientraditionsbetrieb handelt, der seit der Gründung im Februar 1878 in Nördlingen ansässig ist. Gunter Ziegelmeier leitet die Schreinerei bereits in 4. Generation. Mit seinem Sohn Phillip, der aktuell in Rosenheim Holztechnik studiert, steht außerdem bereits die nächste Generation in den Startlöchern. Eine Unternehmensgeschichte, die also alles andere als üblich ist.
Aufgrund der ständig wachsenden Vorgaben und der vielen Bürokratie sei es hingegen kaum mehr möglich, einen solchen Betrieb aufrechtzuerhalten, ohne weit über das normale Arbeitspensum hinweg zu arbeiten. Was der 62-Jährige damit meint: Die Ausbildung zum Schreiner und damit der ausbleibende Nachwuchs wird für Betriebe in Bayern zu einem immer größeren Problem. Ursache hierfür sei laut Ziegelmeier die Tatsache, dass Auszubildende im ersten Lehrjahr nur an der Schule sind und dafür nicht bezahlt werden. Dies sei alles andere als attraktiv für junge Menschen. Auch hier geht Gunter Ziegelmeier mittlerweile andere Wege und findet neue Lösungen. So startet hier ab Sommer ein neuer Auszubildender aus Japan seine Lehre zum Schreiner. Dieser hatte zuvor in Kioto klassisches japanisches Handwerk gelernt und wird im Sommer nach Deutschland kommen, um hier im Zuge eines deutsch-japanischen Austauschprogramms eine solide Ausbildung zu absolvieren.