5. Februar 2024, 07:00
Kultur & Freizeit

Musikalische Zeitreise - 100 Jahre Knabenkapelle

Bild: Studio Herzig
2024 feiert die Nördlinger Knabenkapelle 100-jähriges Jubiläum. In hundert Jahren Musikgeschichte hat sich vieles gewandelt – einige Traditionen werden allerdings bis heute fortgeführt.

In der 2. oder 3. Klasse ist es für viele Nördlinger Buben meist soweit und sie steigen in die Knabenkapelle ein. Damit öffnen sich für die jungen Talente die Türen zu einer hervorragenden musikalischen Ausbildung. Ihre ersten Schritte machen die Jüngsten dann im wahrsten Sinne des Wortes im Trommlerkorps. Hier lernen sie das Trommeln auf einer Spielmannstrommel und das Marschieren im Takt bei einem Umzug. Nach drei oder vier Jahren steht dann die Wahl eines Instrumentes bevor: Die Jungen können Instrumente wie Querflöte, Klarinette, Fagott, Saxophon, Trompete, Waldhorn, Posaune, Tuba und Schlagzeug erlernen. „Die Kapellmeister waren schon immer Profis, aber seit Georg Winkler konnte die Ausbildung wirklich professionalisiert werden“, lobt Körner seinen Vorgänger. 13 Lehrkräfte bilden die Kinder und Jugendlichen in wöchentlichem Instrumentalunterricht aus. „Früher war mit 18 Schluss“, erzählt Körner. Heute sind die jungen Männer meist bis sie 21 Jahre alt sind Teil der Knabenkapelle. Wer danach weiter musizieren möchte, wechselt zur Stadtkapelle. In der Jungen Stadtkapelle werden übrigens auch Mädchen im Grundschulalter aufgenommen. „Die Ausbildung ist für Mädchen und Jungen genau gleich und auf höchstem Niveau – egal ob in der Knabenkapelle oder bei der Stadtkapelle“, sagt der Kapellmeister. Über 140 Jungen gehören zur Zeit der Knabenkapelle an.

Ein Jahrhundert Knabenkapelle

Konzertreise nach Kroatien, 2022. Bild: Stadt Nördlingen

Als Jugendkapelle im Jahr 1924, durch den musikbegeisterten 1. Bürgermeister Dr. Otto Mainer, ins Leben gerufen, markiert sie den Beginn einer musikalischen Institution, die weit über die Grenzen von Nördlingen hinaus bekannt wurde.

Eine großzügige Spende des in die USA ausgewanderten Fabrikanten Oskar Mayer ermöglichte damals den Kauf von Instrumenten und historischen Uniformen. Die 50 jungen Musiker erschienen bereits zu ihrem ersten Auftritt beim Stabenfest 1925 in ihren prächtigen Kostümen, die den Uniformen der Stadtsoldaten aus dem 17. Jahrhundert nachempfunden sind. Erste Kapellmeister war Nicol Dittmar.

Bereits nach wenigen Jahren verbreitete sich der gute Ruf der Jugendkapelle im ganzen süddeutschen Raum. Doch bald sollten schwere Zeiten für die Musiker anbrechen. Im Dritten Reich wurde sie im Zuge der „Gleichschaltung“ zum „Bannmusikzug“ umgewandelt und der Ausbruch des Krieges brachte einschneidende Veränderungen. Musiziert wurde dann häufig in Lazaretten und zur Truppenbetreuung. Nach Kriegsende ruhte das Nördlinger Musikleben.

Verein Alt Nördlingen übernimmt die Kapelle

Die Knabenkapelle im Gründungsjahr 1924. Bild: Stadt Nördlingen

Dennoch gelang es, 1948 die Jugendkapelle unter der Leitung von Musikdirektor Bruno Viernickel wieder aufzubauen. Der Verein Alt Nördlingen übernahm die Jugendkapelle und trug dazu bei, sie wieder auf die Beine zu stellen und die Tradition weiterzuführen. Viernickel übernahm die Leitung in einer äußerst schwierigen Zeit. Mit Engagement und Hingabe formte er aus 40 Mitgliedern wieder ein klangvolles Orchester. Im Mai 1949 fand das erste Konzert statt und bald folgten weitere Auftritte in Nördlingen und darüber hinaus.

1952 übernahm Fritz Walter die Leitung, der die Kapelle vor allem durch seine eigenen Kompositionen und Arrangements prägte. Außerdem war es ihm ein Anliegen die Jugendkapelle auch über die deutschen Grenzen hinaus bekannt zu machen. 1964 wurde die Jugendkapelle in Knabenkapelle umbenannt und seit 1969 sie wieder städtische Einrichtung.

Bild: Stadt Nördlingen

Von Nördlingen in die Welt

Von 1982 bis 2018 war Georg Winkler Kapellmeister der Knabenkapelle. Er setzte die Arbeit seiner Vorgänger in hervorragender Weise fort und sorgte weiter dafür, dass der Name „Nördlinger Knabenkapelle“ weit über die Grenzen Bayerns verbreitet wurde.

Die Liste der Persönlichkeiten und Ereignisse, die von der Knabenkapelle begleitet wurden, liest sich wie ein Who's Who der Geschichte: Von Papstbesuchen über Auftritte vor Politikern, darunter Bundespräsident Heuss, Bundeskanzler Brandt sowie diverse bayerische Ministerpräsidenten bis hin zu Persönlichkeiten wie Prinz Charles und Lady Di. Auch bei internationalen Sportveranstaltungen, wie Fußballländerspielen der Deutschen Nationalelf oder dem Olympischen Kanuwettbewerb in Augsburg, spielte die Knabenkapelle auf.

Unzählige Konzertreisen in Europa, nach Kanada, Japan und Australien trugen die Klänge aus Nördlingen in die ganze Welt. Höhepunkte waren unter anderem die Teilnahme an der Steubenparade in Chicago und Konzerte in Nördlingens Partnerstädten. 2009 führte die Knabenkapelle erstmals den Trachten- und Schützenzug zur Eröffnung des Münchner Oktoberfestes an. Wiederholungen folgten 2012, 2014, 2017 und 2022.

Konzertreise nach Rom: Fronleichnamsprozession in den Vatikanischen Gärten. Bild: Stadt Nördlingen

Musikalische Highlights zum Jubilum

Seit 2018 heißt der Kapellmeister der Nördlinger Knabenkapelle Oliver Körner. Er wird in diesem Jahr das 100-jährige Jubiläum mit „seiner“ Kapelle feiern. Geplant sind mehrere Sonderkonzerte und eine Jubiläumsveranstaltung im April und der Jubiläumssonntag am 30. Juli. Zur Dokumentation des musikalischen Erbes wurde bereits im Oktober 2023 eine neue CD mit dem Titel „Legati – 100 Jahre musikalisch Botschafter für Nördlingen“ eingespielt. Der Stadtkapellmeister hat dafür ein anspruchsvolles Repertoire mit allen Facetten der Blasmusik zusammengestellt. Ganz besonders hörenswert ist ein eigens arrangiertes Werk vom Komponisten Alexander Reuber. Für Legati hat er mehrere musikalische Zitate, wie die Eröffnungsfanfare des Stadtmauerfests, Stabenlieder und die Hintergrundmusik der Gebetsszene am Nördlinger Stadtmauerfest verwendet. Für Kapellmeister Körner war die Aufnahme der CD sein bisheriges musikalisches Highlight bei der Knabenkapelle. Auf dem Tonträger sind neben traditionellen Märschen aber auch ein Coldplay-Medley und ein James Bond-Song. Das hätte es vor hundert Jahren sicherlich nicht gegeben, aber Oliver Körner bringt es auf den Punkt: „Da muss man mit der Zeit gehen!“