Steigende Energiepreise, der Ausstieg aus der Atom-Energie zum Ende des Jahres, die damit verbundene Angst vor Energieknappheit und die Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen aus Russland – Deutschland befindet sich Stand heute in einer Energie-Krise, die das Land in dieser Form wohl noch nie erlebt hat.
Umso größer ist das Streben nach innovativen Ideen, die auf kurze und lange Sicht Lösungen für die aktuellen Probleme darstellen könnten. Dass diese Innovationen nicht zwangsläufig in den Technologie-Hochburgen, wie in den USA oder Asien entstehen, zeigt das bislang kleine Start-Up-Unternehmen „Biogas-Fond“ aus Nördlingen. Was genau steckt hinter der revolutionären Technologie von „Biogas-Fond“ und welche Auswirkungen könnte das Unternehmen tatsächlich in naher Zukunft auf unseren Energiesektor und damit verbunden auf den Landkreis Donau-Ries haben?
Start-Up mit Sitz im Technologie-Centrum Westbayern
Leo van Bree und Karl-Heinz Bachmann sind Inhaber der Firma „MEBA Biogas“ in Nördlingen. Die Idee hinter dem Unternehmen scheint auf den ersten Blick recht simpel: In der Regel werden Biogasanlagen weltweit hauptsächlich mit Lebensmitteln betrieben, die speziell dafür angebaut und entsprechend subventioniert werden. Van Bree und Bachmann wählen hier einen anderen Ansatz und vertreiben mit ihren Unternehmen den sogenannten „Biogrinder“, um Biogasanlagen auch mit Bioreststoffen bzw. Lebensmittelabfällen betreiben zu können. Gemeinsam mit Dennis Philipp, Geschäftsführer und Mitinhaber von „Carbon Innovations“ haben die beiden Unternehmer im Oktober 2021 ihre neue Firma „Biogas-Fond“ mit Sitz im Technologie-Centrum Westbayern in Nördlingen ins Leben gerufen.
Erfinder lässt sich von Natur inspirieren
Das Besondere: Bei Biogas-Fond wird eine revolutionäre Technologie eingesetzt, die es erlaubt, bis zu 99,9 Prozent der Schadstoffe aus jeglichen Abgasquellen herauszufiltern und diese im Anschluss zu neuen Energieträgern umzuformen. „Eine Biogasanlage produziert so keine Emissionen mehr und zusätzlich können aus dem herausgefilterten Endprodukt in einem nächsten Schritt wieder grüne synthetische Brennstoffe wie Ethanol, Methanol, Kerosin oder Diesel gemacht werden“, erklärt Leo van Bree. Erfunden hat das neuartige Verfahren Franz Joseph Phillip von Carbon Innovations und es 2018 auch entsprechend patentierten lassen. Der Erfinder ließ sich dabei von der Natur inspirieren. „Sie (die Natur) ist in ihren Abläufen viel effizienter als wir und verursacht keinerlei eigene Abfälle. Die Verschmutzung auf unserem Planeten ist ausschließlich menschengemacht“, so van Bree.
Neuartige Technologie löst Klima- und Energieproblem
Und so funktioniert die neue Technologie im Detail, wenn sie an einer Biogasanlage eingesetzt wird: Das Biogas wird in einem Verbrennungsmotor zur Stromproduktion eingesetzt. Bevor das CO2 aus dem Auspuff eines Blockheizkraftwerks in die Atmosphäre entweicht, wird es vorher durch den neuartigen Demonstrator geleitet. Dort werden die für die Umwelt schädlichen CO2-Moleküle in C (Kohlenstoff) und O2 (Sauerstoff) gespalten und neu geordnet. Beide Moleküle sind einzeln betrachtet komplett ungefährlich für die Umwelt. So entstehen zwei Endprodukte – gereinigte Abgase, die fast komplett frei von Schadstoffen in die Luft geleitet werden, und ein hochkalorisches Material, das in einem nächsten Schritt zu grünen synthetischen Brennstoffen umgewandelt werden kann. Obwohl das Verfahren grundsätzlich überall dort zum Einsatz kommen kann, wo sich ein Schornstein oder Auspuff befindet, hat sich Biogas-Fond zunächst lediglich auf das ursprüngliche Kerngebiet der Firmengründer – nämlich Biogasanlagen – fokussiert. „Wenn die Serienproduktion richtig läuft, können natürlich auch andere Bereiche wie die Zementindustrie angegangen werden, die jährlich weltweit für acht Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist. Selbst ein Anwendbarkeit der Technologie auf Verbrennungsmotoren in Fahrzeugen und Schiffen wäre absolut denkbar. Ideen dazu existieren bereits“, sagt van Bree.
Erster Praxistest in Appetshofen
So soll bereits 2023 mit der Produktion der 0-Serie gestartet werden. Dabei sollen zehn neue Maschinen mit dem Namen „EMISSION CO2NTROL“ entstehen. Die Herausforderung für die Gründer: Bereits die Finanzierung des Demonstrators hat viel Zeit in Anspruch genommen. Eine Finanzierung von Seiten der Bundes bzw. Landesregierung blieb bislang aus und das, obwohl die Technologie mittlerweile auch in der Praxis getestet wird. Dafür wurde mit der Biogasanlage von Ralph Hussel in Appetshofen schnell ein passender Partner gefunden. Hier wird die Technik seit März erfolgreich erprobt. Konkret spricht das Unternehmen bereits jetzt von einer Energieersparnis um das bis zu 62-fache im Vergleich zu klassischen Umwandlungsmethoden zur Produktion von synthetischen Brennstoffen in diesem Sektor. Für den Erfinder geht damit ein langersehnter Traum in Erfüllung. „Ich habe 30 Jahre auf diesen Moment gewartet“, so Phillip.
Auch international hat Biogas-Fond in den vergangenen Monaten bereits für Aufsehen gesorgt und das, obwohl man nach eigenen Angaben bisher kaum Werbung für die neue Technologie gemacht habe. So kommen wöchentlich Besucher*innen aus der ganzen Welt nach Nördlingen ins TCW, um sich über das Projekt und die weiteren Planungen zu informieren. Für Biogas-Fond eine erfreuliche Entwicklung. Auch deshalb sind Leo van Bree und Dennis Philipp von einem riesigen Wachstum in den kommenden Jahren überzeugt. „Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn viel erlebt, aber Biogas-Fond ist das interessanteste Projekt, an dem ich je gearbeitet habe“, so van Bree. Trotz seines fortgeschrittenen Alters möchte der 66-Jährige deshalb auch noch mindestens zehn Jahre weiterarbeiten und das Unternehmen auf dem Markt etablieren.
Langfristige Pläne für Nördlingen und den Landkreis Donau-Ries
Auch für den Standort in Nördlingen und damit verbunden für den gesamten Landkreis hat van Bree schon konkrete Pläne. „Bereits jetzt profitieren wir stark vom Synergieeffekt mit dem TCW und der Hochschule Augsburg. In Zukunft könnten wir diese Zusammenarbeit ausbauen und hier ein einzigartiges Klima-Knowhow-Zentrum errichten“, blickt van Bree in die Zukunft. Doch damit nicht genug. Trotz zahlreicher Anfragen aus dem Ausland, will das Unternehmen seine erste Serie im Landkreis Donau-Ries auf den Markt bringen. Die Idee dahinter: „Eine so zukunftsweisende Technologie soll für immer mit dem Landkreis in Verbindung gebracht werden – auch wenn die Einsatzgebiete irgendwann auf dem internationalen Markt sein werden“, erklärt van Bree. Dann könnte es heißen: Vom Donau-Ries aus wurde 2022 die Energierevolution gestartet.