Der Verein Alt Nördlingen wurde am 12. September 1924 gegründet. Auf Einladung des damaligen Bürgermeisters Dr. Otto Mainer kamen über 200 Nördlinger Bürgerinnen und Bürger zur Gründungsversammlung im Gasthof „Walfisch“ zusammen. Nach den Worten von Mainer war das Ziel der Vereinsgründung die Organisation kultureller Veranstaltungen in Nördlingen, wie zum Beispiel das historische Festspiel „Anno 1634“.
Festspiel begeistert die Nördlinger
Die Schlacht bei Nördlingen am 5. und 6. September 1634 zählt zu den in das Leben der Stadt tief einschneidenden Ereignissen und war prädestiniert für eine literarische Verarbeitung. Dieser Aufgabe nahm sich der Fessenheimer Pfarrer und Schriftsteller Wolf Meyer-Erlach an und schuf das gleichnamige Schauspiel. „Unsere gute alte Stadt
Nördlingen tritt nun in diesem Jahr in die Reihe der bayrischen Festspielstädte ein“, schrieb die Nördlinger Zeitung vom 9. April 1925 und formulierte damit die hochgesteckten Erwartungen, die in dieses Schauspiel gesetzt wurden. Nach Aussage dieses Artikels hatte der Plan bei vielen Bürger*innen der Stadt schon lange bestanden, konnte jedoch bisher nicht zur Aufführung gelangen, da die hierzu erforderlichen Geldmittel fehlten. Erst mit der Gründung des Vereins Alt Nördlingen nahm das Projekt konkretere Züge an.
Um der Veranstaltung einen würdigen äußeren Rahmen zu geben, erfolgte in der Zeitung ein Aufruf, dass zum Besuch der Uraufführung dunkler Anzug, Frack und Zylinder gewünscht werden. Große Robe war also angesagt für die zahlreich geladenen Gäste. Viele Bürgerinnen und Bürger signalisierten Bereitschaft, Rollen im historischen Schauspiel zu übernehmen. Eine Münchner Firma lieferte einen Fundus stilgetreuer Kostüme und der aus München kommende Professor Hans Frahm schuf die Kulissen. Am 25. Juli 1925 fand schließlich die Uraufführung im Saalbau des Hotels „Deutsches Haus“ statt. Sie wurde zu einem so großen Erfolg, dass alle noch vorhandenen Bedenken mit einem Mal zerstreut waren.
Die Tanzspiele hatten im gesamten Festablauf eine eher untergeordnete Rolle und sollten in erster Linie dazu beitragen, die Kosten für die anderen Veranstaltungen zu decken. Erstmals wurde das Tanzspiel am Stabenmontag, 25. Mai 1925 aufgeführt. Sie wurden ebenfalls ein wahrer Publikumsmagnet und mussten wegen der großen Nachfrage mehrmals wiederholt werden. Auch 1926 zogen das Schauspiel und die Tänze nach wie vor zahlreiche Besucher*innen an. Aber die allgemeinen unsicheren wirtschaftlichen Verhältnisse ließen auch in Nördlingen die 1925 noch euphorische Festspiellust wieder sinken. Nach dem Ausscheiden Dr. Mainers ging es schon 1927 um das Überleben des Tanz- und Festspiels. Die Vereinsführung hatte zur Beratung der Frage, ob auch im Jahre 1927 wieder Fest- und Tanzspiele stattfinden sollten, am 31. März 1927 zu einer öffentlichen Versammlung geladen. Einstimmig wurde nach langen Beratungen eine Resolution verabschiedet, die das Festspiel für geeignet hielt, „das Wirtschaftsleben der Stadt Nördlingen zu fördern“, wie es im Sitzungsprotokoll des Vereins hieß. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Stadt und Verein lähmten den Elan und so bot die so schön und hoffnungsvoll begonnene Sache des Festspiels zuletzt ein bedauernswertes Bild des langsamen Absterbens. Am Ende des Jahres zählte der Verein 643 Mitglieder, zu Beginn waren es noch 685. Ein Jahr darauf sollte die Mitgliederzahl auf 617 und weniger sinken– 1929 gingen die letzten Aufführungen über die Bühne. Sie sollten erst wieder nach der Neugründung des Vereins (1948) in den Jahren 1950/51 eine Renaissance erfahren.
Jubiläumsjahr 2024
Zum Jubiläum präsentiert der Verein „Alt Nördlingen“ zwei Inszenierungen: das zeitlose Meisterwerk „My Fair Lady“ und das beliebte Jugendstück „Der kleine Vampir“. Für diese beiden Werke haben sich die Verantwortlichen aus mehreren Gründen entschieden. „My Fair Lady ist eines der meistgespielten Theaterstücke weltweit. Für uns ist dieses Stück eine neue Herausforderung, da wir uns auch im Bereich Gesang weiterentwickeln können. Beim Kinderstück haben wir uns für den kleinen Vampir entschieden, weil es dort um Freundschaft, Zusammenarbeit und Herausforderungen geht, die man, egal woher man kommt, gemeinsam meistern kann“, sagt Axel Schönmüller. Traditionell stehen bei der Freilichtbühne Nördlingen nahezu nur Laienschauspieler*innen auf der Bühne – mit genau einer Ausnahme. „Um uns Jahr für Jahr weiterentwickeln zu können, wird die Spielleitung professionell besetzt. In diesem Jahr führt Carmen-Dorothé Moll die Regie des Abendstückes“, erläutert Schönmüller.
Mit der Einführung eines Kinderstückes im Jahr 1995 wurde auch der Theaternachwuchs gesichert. „Ich sehe uns sehr, sehr gut aufgestellt für die Zukunft. Es war mitunter eine der klügsten Entscheidungen, die man in der Vereinsgeschichte gemacht hat“, so Schönmüller. Über 155 Aktive zählt der Verein mittlerweile, aufgeteilt unter anderem in die Bereiche Technik, Marketing, Kiosk, Bühnenbild und natürlich Schauspielerei. Passend zum runden Geburtstag gab es freilich Überlegungen ein historisches Spiel zu inszenieren, zum Beispiel eine Neuauflage des Stückes „Anno 1634“. Man habe jedoch darauf verzichtet, denn im kommenden Jahr feiert Nördlingen wieder das Stadtmauerfest. Anlässlich dessen wird dann geplant sein, auf der Freilichtbühne das Leben der Maria Holl, bekannt als die „Hexe von Nördlingen“, zu inszenieren. Ein besonderes Jubiläum erfordert auch besondere Feierlichkeiten. Aus diesem Grund zelebriert der Verein Alt Nördlingen im September über mehrere Tage eine berauschende Geburtstagsfeier. „Am 12. September 2024 werden wir gemeinsam mit der Vereinsfamilie und allen Aktiven feiern, ehe wir am 13. September einen großen Festakt mit allen Verbandsträgern, Stadträten und befreundeten Bühnen veranstalten. Highlight wird ein Vortrag von Dr. Wilfried Sponsel über den Verein Alt Nördlingen sein. Zum Jubiläum wird auch eine Chronik erscheinen. Am 14. und 15. September wird es einen Tag der offenen Tür in der Alten Bastei geben“, berichtet Axel Schönmüller.