Der Verein für ambulante Krankenpflege Wemding veranstaltet an diesem zusätzlichen Tag im Schaltjahr eine große Mittagsveranstaltung, die als „geschenkter Tag“ gefeiert wird. Nahm diese Veranstaltung im Jahr 2016 ihre erste Auflage, ist die Mittagsgesellschaft alle vier Jahre nicht mehr aus dem Veranstaltungskalender des örtlichen Krankenpflegevereins wegzudenken. Über 160 Gäste aus der gesamten städtischen Bevölkerung nahmen erneut am geschenkten Tag in der Wallfahrtsgaststätte teil.
In seiner Begrüßung erinnerte Vereinsvorsitzender Gottfried Hänsel an die vergangene Veranstaltung zum geschenkten Tag im Jahr 2020. Die damalige Mittagsgesellschaft, an der ebenfalls über 150 Personen teilnahmen, war die letzte öffentliche Veranstaltung in der Fuchsienstadt, bevor die Corona-Pandemie über zwei Jahre hinweg jegliche öffentliche Veranstaltung aus dem Jahreskalender verbannte. Damals erlebten die Gäste noch unbeschwerte Stunden, schien die Corona-Pandemie doch weit weg. Niemand dachte damals daran, dass kurze Zeit später das gesamte öffentliche Leben mit Lockdowns außer Kraft gesetzt werden würde. Hänsel spiegelte die Corona-Pandemie bewusst in seiner Begrüßung wider, da die Pandemie im Zeitraum 2020 bis 2022 besonders für die Senioren eine besondere Herausforderung im Leben darstellte. „Die Gesellschaft befand sich im Hausarrest“ und wurde der Vereinsamung überlassen, stellte Gottfried Hänsel fest. Er sei glücklich, dass die Pandemie weitgehend überwunden wurde und zwischenzeitlich mit dem 350-jähren Kirchweihfest des Wemdinger Karmelklosters sowie mit dem Schäfflertanz wieder große gesellschaftliche Veranstaltungen in Wemding durchgeführt werden konnten. Die große Resonanz an der diesjährigen Veranstaltung zeige eindrucksvoll das hohe Interesse, diesen besonderen Tag gemeinsam zu begehen. Der 29. Februar stelle in Wemding mittlerweile einen eigenen „Staatsfeiertag“ dar, da dieser zusätzliche Tag in der gesamten Region kaum im Rahmen einer vergleichbaren Veranstaltung gewürdigt werde.
Dieses Jahr gelang es Gottfried Hänsel den schwäbischen Bezirksheimatpfleger Christoph Lang für einen Impulsvortrag zu gewinnen. Christoph Lang referierte über das Thema „Regionale Bräuche bestimmen Jahreslauf und Lebenslauf“. Zunächst erläuterte Lang die Begriffsbestimmung eines Brauchs. Demnach weisen Bräuche eine Regelmäßigkeit und Wiederkehr auf, die von Menschen ausgeübt werden (Brauchträger). Zudem kennzeichnen sich Bräuche durch spezifische Formen, einem Anfang sowie einem Ende. Bräuche können grundsätzlich in allgemeine Bräuche, die überall gleich sind, sowie individuelle Bräuche unterschieden werden
Dabei stellte Christoph Lang fest, dass die meisten Bräuche im Jahreslauf auf einen religiösen Ursprung zurückgehen und sich im Laufe der Zeit auch bei ihrer Ausübung gewandelt haben. Am Beispiel des heiligen Bischof Nikolaus stellte Lang den Veränderungsprozess des Brauches vor. Während im Mittelalter ausschließlich der heilige Nikolaus die Geschenke brachte, wurde im Zuge der Reformation und der damit einhergehenden Ablehnung der Heiligenverehrung die Bescherung auf Weihnachten verlegt. Ebenso kam Knecht Ruprecht als Begleiter des Bischofs Nikolaus erst im Laufe des Spätmittelalters hinzu. Viele religiösen Bräuche wurden jedoch auch während der NS-Zeit umgewandelt und auf einen vermeintlichen germanischen Ursprung zurückgeführt, damit sämtliche christlichen Ursprünge geleugnet werden konnten. So wurde der religiöse Ursprung des Erntedankfestes während der NS-Zeit kurzerhand aus ideologischen Gründen in ein „Symbol germanischen Geistes“ umgewidmet.
Bei den individuellen Bräuchen handelt es sich vornehmlich um Bräuche, die einen reinen Ortsbezug aufweisen oder persönlich im Lebenslauf jedes Menschen zu Tage treten (Taufe, Hochzeit, Beerdigung). Nachdem der geschenkte Tag des Vereins für ambulante Krankenpflege mittlerweile dreimal durchgeführt wurde und einen festen Handlungsablauf vorweise, könne laut Christoph Lang auch hier von einem individuellen Vereinsbrauch gesprochen werden. Bürgermeister Dr. Martin Drexler, der ebenfalls an der Veranstaltung zugegen war, versprach, dass beim nächsten geschenkten Tag im Jahre 2028 eine Beflaggung am Rathaus vorgenommen werde um den Charakter des besonderen Tages für die Stadt Wemding zu unterstreichen.
Wemdings Stadtpfarrer Wolfgang Gebert zeigte sich in seinem Grußwort von den zahlreichen schwäbischen Bräuchen sehr begeistert. Gerade auch der religiöse Ursprung zahlreicher Bräuche veranschauliche eindrucksvoll, dass Bräuche Zeichen des Glaubens seien. Diese Bräuche würden den Glauben auch für das Volk verständlich machen, damit der Glaube auch zuhause gelebt werden könne. Gebert rief die Gäste auch dazu auf, religiöse Bräuche zuhause auch weiterhin mit Leben auszufüllen, damit diese nicht in Vergessenheit geraten.
Nachdenkliche Geschichten, heitere Erzählungen sowie schwungvolle musikalische Stücke durch die Big Band der Anton-Jaumann-Realschule Wemding sorgten dafür, dass viele Gäste bis weit in den Nachmittag hinein zusammensaßen und den geschenkten Tag so verbrachten, wie es Gottfried Hänsel in seiner Begrüßung erklärt hatte – als einen eigenen Staatsfeiertag in Wemding. (pm)