Nordilinga - Jüdisches Leben

Mehr als ein Geschichtsprojekt

Anna Fischer (zweite von links) und Franziska Eßmann (dritte von links) bei der Preisverleihung im Bayerischen Landtag. Bild: StMUK_Andreas Gebert
Die beiden Freundinnen Anna Fischer (15) und Franziska Eßmann (14) aus Nördlingen haben im vergangenen Sommer beim Geschichtswettbewerb „Erinnerungszeichen“, der vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus in Zusammenarbeit mit dem Haus der Bayerischen Geschichte veranstaltet wird, einen Landespreis gewonnen. Nicht der erste Preis für die beiden Schülerinnen.

Auf den Spuren jüdischen Lebens in Bayern, so lautete das Thema des letztjährigen Geschichtswettbewerbs. Genau diese Spuren haben Franziska Eßmann und Anna Fischer in Nördlingen gesucht, gefunden und auf einer Website für die Öffentlichkeit aufbereitet. Es war mittlerweile die dritte Teilnahme für die beiden Schülerinnen des Nördlinger Theodor-Heuss-Gymnasiums. In den beiden Jahren zuvor hatten sie bereits am Wettbewerb teilgenommen und auch gewonnen.

2021 wurden sie für ihren Wettbewerbsbeitrag „Josef Guido Emil Squindo: Ein kurzes Leben für die Kunst“ auch noch zusätzlich mit einem 3. Platz beim Donau-Rieser Heimatpreis ausgezeichnet.

Digitaler Beitrag

Waren ihre letzten Arbeiten noch klassisch auf Papier, wollten die beiden Schülerinnen dieses Mal ein digitales Projekt umsetzen. „Wir haben zunächst über einen Podcast nachgedacht, aber das wäre in der Umsetzung zu schwierig gewesen. Wir haben uns dann für eine Website entscheiden, um die Erstellung hat sich hauptsächlich Anna gekümmert“, erzählt Franziska. Unterstützung erhielten die beiden dabei von Franziskas Papa Michael Eßmann. Doch bevor die Website befüllt werden konnte, musste akribisch recherchiert werden. So arbeiteten sich die beiden durch die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Nördlingen und folgten den Spuren dieser bis ins 13. Jahrhundert zurück.

„Wir haben zunächst angefangen allgemeine Informationen zu sammeln. Dann haben wir uns das, was uns besonders interessiert hat, genauer angeschaut“, erklärt Anna Fischer.

Dazu arbeiteten sie, wie bereits auch bei den vergangenen Projekten mit dem Stadtmuseum zusammen. Die Leiterin Andrea Kugler unterstützte die Schülerinnen dabei tatkräftig. Auch vom Nördlinger Bauamt, das ihnen Stadtpläne und die Baupläne verschiedener Gebäude zukommen ließ und von Friedrich Thum, der die beiden über den jüdischen Friedhof in Nördlingen führte und mit vielen interessanten Information rund um das Jüdische Leben in Nördlingen versorgte, wurden sie unterstützt.

Aber auch im Stadtarchiv, im Zeitungsarchiv und im Internet recherchierten die Schülerinnen. „Auf unserer Website haben wir dann viele unserer Informationen in kurzen Texten zusammengefasst und veröffentlicht. Es geht dort um allgemeine Informationen, wie zum Beispiel die jüdische Gemeinde Nördlingens in verschiedenen Epochen, aber auch den jüdischen Glauben sowie jüdische Traditionen und Feste. Auf der Website gibt es außerdem eine Karte, auf der wir Orte eingezeichnet haben, die eine Verbindung zum jüdischen Leben aufweisen“, erklären Franziska und Anna.

Bei ihren Recherchen fanden die beiden weit mehr interessante Details heraus, als auf der Website Platz gefunden haben. Allerdings ist das Material nicht verloren: „Wir müssen zum Projekt auch einen Arbeitsbericht einreichen. Darin haben wir alles festgehalten, was wir herausgefunden haben“, erklärt Franziska. „Wenn man sich das alles anschaut, ist dabei eine sehr komplexe Arbeit herausgekommen“, attestiert Museumsleiterin Andrea Kugler.

Erneute Teilnahme 2023?

Ob sie dieses Jahr erneut einen Beitrag zum Wettbewerb einreichen, steht noch nicht fest: „Wir würden schon gerne teilnehmen, allerdings wissen wir noch nicht, ob wir das zeitlich schaffen“, so die beiden Schülerinnen. Das liegt unter anderem daran, dass die Projekte jedes Mal neben der Schule erarbeitet werden und wöchentlich mehrere Stunden an zusätzlicher Arbeit bedeuten. Da die Schülerinnen viel Herzblut in ihre Projekte stecken, möchten sie am Ende natürlich auch gewinnen.

Was die beiden bei ihren Recherchen am meisten faszinierte: Persönliche Geschichten.

Eine dieser Geschichten ist die der Familie von David Stoll aus Nördlingen. Um mehr über die jüdische Familie zu erfahren, die einst in Nördlingen lebte, nahmen die beiden Kontakt mit Walter Stoll dem Enkel von David Stoll auf, der mit seiner Familie in den USA in San Diego, Kalifornien, lebt. Nördlingen, die Heimat ihrer Vorfahren, hatten die Stolls bis dato noch nie besucht. Das änderte sich allerdings im vergangenen Sommer. Abe Stoll, Urenkel des jüdischen Bäckers David Stoll (Bauhofgasse 1, Nördlingen) kam mit seiner Familie zur Mess-Zeit nach Nördlingen und für Franziska ergab sich die Möglichkeit die Familie zu treffen. „Es war unglaublich interessant ihnen zu zeigen, woher ihre Familie stammt“, berichtet Franziska über diesen besonderen Moment.

Im Herbst wurde die Arbeit von Anna und Franziska, die weit über die Bedeutung eines Geschichtsprojektes hinausgeht, dann schließlich mit dem ersten Preis in ihrer Alterskategorie belohnt. Die Preisverleihung fand im Bayerischen Landtag statt. Dort trafen die jungen Nördlingerinnen auf Ludwig Spaenle, den Antisemitismus-Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung, den Landtagsvizepräsidenten Karl Freller sowie Kultusminister Michael Piazolo.

Im Sommer 2022 traf Franziska in Nördlingen auf Abe Stoll und seine Familie. Bild: Andrea Kugler

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