Radmarathon

„Ich wollte eigentlich nur das Ziel erreichen“

Der Harburger Jochen Rühl nahm am Radrennen „Styrkeproven“ über 560 Kilometer in Norwegen teil. Bild: Klaus König
Der Harburger Jochen Rühl nahm am Radrennen „Styrkeproven“ über 560 Kilometer in Norwegen teil, es sollte ein sehr schwerer Tag werden!

Es ist eine Institution unter Rennradfahrern und es wäre für viele ein verrücktes Unterfangen: Das norwegische Rennen „Styrkeproven“, zu Deutsch "Stärkeprüfung", von Trondheim nach Oslo.

Der Harburger Jochen Rühl hat sich dieser Kraftprobe gestellt und erfolgreich gemeistert: 560 Kilometer in 16:40:49 Stunden, mit einem Stundenmittel von 34 km/h, erreichte er in mitten vieler professionellen Teamfahrern, den 65. Platz. Wird somit bester Deutscher, noch vor dem ehemaligen Radprofi Tony Martin.

Mit seiner langjährigen Ausdauererfahrung und sechs Monaten voller anstrengender Trainingseinheiten, bereitete er sich auf das Rennen vor. Über 8000 Kilometer hat er in dieser Zeit mit seinem Rennrad zurückgelegt. "Ohne das intensive Verständnis meiner Familie eigentlich nicht durchführbar", sagt der Harburger.

Das Rennen wird nicht umsonst als Stärkeprüfung bezeichnet, führt es doch quer durch Norwegen. Das Radrennen gibt es seit über 50 Jahren. Mit einer Länge von 560 Kilometern und rund 4174 Höhenmetern, ist es das längste europäische Rennen mit Zeitmessung. Alle Teilnehmer haben 36 Stunden Zeit, das Ziel zu erreichen. Gestartet wird jedes Jahr am Mittsommer-Wochenende. Am Start standen heuer über 2500 Radler.

Schon die Anreise nach Trondheim und die logistische Gestaltung des Rennens, stellt eine Herausforderung dar. Man fährt von Norden nach Süden, Oneway, nur in eine Richtung. Hier, erwähnt Rühl, möchte er sich besonders bei seinem Freund Klaus König bedanken, der den Logistik-Job übernommen hat!

Beim „Styrkeproven“ gibt es eine genaue Startaufstellung: Ab 3:00 Uhr morgens starten die Langzeitradler, ab 4:00 Uhr dann die professionellen Teams und ab 5:00 Uhr die Einzelradler. Wie der norwegische Sommer ausschaut, lernte Rühl dann gleich am Start kennen. Dauerregen und 5 Grad, die ersten 4 Stunden fuhren wir im strömenden Regen. „Das war aber weniger schlimm“, ich war mental darauf vorbereitet. „Man muss von Anfang an auf seinen Energiehaushalt achten“, die ersten 175 km geht es eigentlich nur bergauf, bis man die Hochebene Dovrefjell auf erreicht, dort oben bläst dann der Wind mächtig von vorn, teilweise mit Windgeschwindigkeiten von 15 m/s.

Gottseidank, wurde es auf dieser Hochebene besser Wetter und die Sonne erleichterte das Radfahren erheblich. Mit Rückenwind wurden der Skiort Kvitfjell und die Olympiastadt Lillehammer erreicht. Nun standen 360 km auf dem Tacho und es sollte nochmal richtig schwer werden, unzählige kurze, giftige Anstiege, schlechte Straßen ließen kein rhythmisches Radfahren mehr zu. Permanentes Beschleunigen und Abbremsen, taube und schmerzende Handgelenke erforderten viel Krafteinsatz und mentale Stärke. "Nach 400 km spürte ich leichte Krämpfe in den Oberschenkeln. Ab hier will nur noch der Kopf weiterfahren, nicht mehr der Körper“, gibt Rühl einen Einblick in seine Gedankenwelt. Die letzten 20 Kilometer führen dann über eine mehrspurige Autobahn nach Oslo. Hier hat man einfach die rechte Fahrspur mit Pylonen abgesperrt, das verdeutlicht nochmals die Bedeutung dieses Radrennens in Norwegen! In Deutschland wäre so etwas undenkbar. Nach genau 560 gefahrenen Kilometern erreichte Rühl das Ziel, die Vallhall Arena in Oslo. Von seiner Top-Platzierung erfuhr Rühl erst auf dem Rückweg, "Während des Rennens war mir nicht klar, dass ich mich so weit vorne im Fahrerfeld befand".

"Ich werde die traumhafte Landschaft mit den unzähligen Flüssen, Seen und Hochebenen nicht so schnell vergessen und kann mir auch nicht so recht erklären wie ich diese lange Strecke überhaupt geschafft habe. Am meisten erstaunte mich allerdings eine Zahl, das war die Kalorienverbrauchsanzeige auf meinem Radcomputer. Dort stand, 18009 kcal!" (pm)