Spaziergang durch ... Otting

Otting von oben Bild: Gemeinde Otting
Wo Eisenbahner und Astronauten waren
Die Gemeinde Otting liegt auf der Monheimer Alb zwischen Monheim und Wemding am Rande des Rieskraters. Für meinen Spaziergang durch das Juradorf komme ich aus Richtung Fünfstetten nach Otting. Ich folge der Bahnlinie, komme am Sportplatz vorbei, überquere die Hauptstraße und den Möhrenbach und parke am Rathaus. Dort treffe ich mich mit dem Bürgermeister der Gemeinde.
Johann Bernreuther ist seit 15 Jahren das Gemeindeoberhaupt und kennt sich im Dorf bestens aus. Für meine Tour durch Otting ist er also der perfekte Begleiter. Das Rathaus (1) ist nicht nur Ausgangspunkt für unseren Spaziergang, sondern zugleich auch erste Station auf unserem Weg durch die Gemeinde. Früher war dort die Schule untergebracht, heute sind im Erdgeschoss die Büros der Gemeindeverwaltung. Im ersten Obergeschoss hat eine geschichtsbegeisterte Ehrenamtliche ein Heimatmuseum eingerichtet. In mehreren Räumen sind die Entstehung des Rieses und die Geschichte der Gemeinde dargestellt. Den Vereinen ist ein eigener Raum gewidmet und sogar ein restauriertes Altarbild aus der St. Richards Kirche wird dort präsentiert. Der Bürgermeister und ich verlassen das Rathaus und stehen auf dem Vorplatz in der sanierten Dorfmitte. Dort steht auch ein großer Suevit-Stein. Was es mit dem auf sich hat, werde ich noch später auf meinem Rundgang durch Otting erfahren.
Zuvor nimmt mich Johann Bernreuther entlang der Hauptstraße bis zur Pfarrkirche St. Richard (2) mit. Gemeinsam betreten wir die Kirche. „Das ist die einzige Kirche in der Diözese Eichstätt, die den Namen des St. Richard trägt, erklärt mir Bernreuther. St. Richard, ein englischer König (um 700), war Vater des hl. Willibald (1. Bischof von Eichstätt), des hl. Wunibald (Gründer des Klosters in Heidenheim am Hahnenkamm) und der heiligen Walburga (Äbtissin in Heidenheim a. H.), die als Glaubensboten von England nach Deutschland kamen. Wir betrachten noch kurz das Altarbild, mit dem heiligen Richard als König mit Krone und Zepter, bevor wir die Kirche wieder verlassen.
Anschließend machen wir uns mit dem Auto auf dem Weg in Richtung Ortsende. Wir verlassen Otting und fahren entlang der Bahnlinie. Kurz vor dem Bahnhof biegen wir rechts in einen Feldweg ein und halten am Waldrand. Das letzte Stück durch den Wald nehmen Johann Bernreuther und ich zu Fuß. Nach einigen Minuten kommen wir zu einer großen Waldlichtung. Am Rande der Lichtung, etwas verdeckt von Büschen und Bäumen, zeigt mir der Bürgermeister den Einstieg zur Pumperhöhle (3).
Was viele nicht wissen: Die Höhle ist eine echte Tropfsteinhöhle! Sie ist ungefähr 240 Meter lang und in ihr liegt Geröll aus Dolomit. Nach einigen Windungen kommt dann eine Stelle mit mittelgroßen Tropfsteinen. „Leider können wir nicht tiefer hinab, sagt Johann Bernreuther, als wir vor dem Einstieg in die Tiefe stehen. Zwar gibt es eine Leiter, die in die Höhle führt, aber im Inneren leben Fledermäuse mit ihren Jungen, die wollen wir nicht stören.
Auf dem Rückweg nach Otting machen wir noch einen Zwischenstopp am Bahnhof Otting-Weilheim (4). Der Bahnhof liegt etwa einen Kilometer außerhalb des Dorfes, auf halber Strecke nach Weilheim. Im vergangenen Jahr wurde dort das 110-jährige Bestehen der wichtigen Verkehrsanbindung gefeiert und die neue Wartehalle eingeweiht. Elf Kommunen hatten sich vor zwei Jahren zu einer kommunalen Interessengemeinschaft zusammengetan, um den Umbau des Warteraumes mit neuer WC-Anlage verwirklichen zu können. Probleme habe es aber wegen der Platzierung des Fahrkartenautomats gegeben, erinnert sich der Bürgermeister.
Letztendlich konnte man aber die Deutsche Bahn davon überzeugen, dass der neue Warteraum der beste Standort für den Automaten ist. „Vor allem Pendler aus der Region benutzen den Bahnhof , stellt Bürgermeister Bernreuther fest. Über 300 Personen steigen täglich in Otting-Weilheim in Züge und haben mit dem Heimatbahnhof eine gute Anbindung in die Richtungen Nürnberg und Augsburg. Johann Bernreuther hat trotz alledem noch einen wichtigen Wunsch für den Bahnhof auf der Monheimer Alb: Die Gleise 2 und 3 sind noch nicht barrierefrei zu erreichen. Ottings Bürgermeister hofft, dass der Bahnhof in Zukunft  auch von Personen mit Handicap benutzt werden kann.
Am Bahnhof steigen wir wieder ins Auto und machen uns auf den Weg zurück ins Dorf. Als nächstes fährt der Bürgermeister mit mir zur Schlosskapelle (5). Ich freue mich, dass der Bürgermeister extra für unseren Spaziergang durch seine Gemeinde den Schlüssel der Kapelle besorgt hat, sodass wir uns das rostrote Kirchlein auch von innen genauer ansehen können. Als ich die Kapelle betrete, fallen mir gleich die Fresken, der Stuck und die barocke Kanzel von 1704 auf. Im Kontrast zu der hellen Gestaltung sticht der in schwarz und gold gehaltene Hochaltar richtig heraus. Johann Bernreuther führt mich hinter den Altar und zeigt mir den verschlossenen Eingang zu einer Gruft  unter der Kapelle. „Um die Kapelle rankt sich so manche Sage, meint Johann Bernreuther. Es wird erzählt, dass es von hier einen unterirdischen Gang ins Schloss gibt. „Das könnte ja tatsächlich sein, lacht Bernreuther. Dass es aber einen Weg unter Tage bis nach Fünfstetten geben soll, kann er nicht glauben.
Um uns das Schloss (6) näher anzusehen, suchen wir aber nicht nach dem Geheimgang, sondern nehmen den Weg am Tageslicht. Wir laufen die Schloßstraße entlang und kommen nach ein paar Metern zum Haupteingang des Schlosses. Das Schloss Otting liegt idyllisch an einem kleinen Weiher. Es wurde 1619 neben der Ruine einer mittelalterlichen Burg gebaut. Über die Jahre hinweg, war das Schloss in Besitz von mehreren Familien. „Weil in den alten Schriften die Schreibweisen von Otting und Oettingen fast gleich sind, ist es manchmal schwierig herauszufinden, welche Fürsten, Grafen und Schlösser gemeint sind, weiß Bernreuther. Sicher ist aber, dass 1811 das Schloss an den Freiherren Carl Friedrich Stephan von Schönfeld ging, der Halbbruder von König Maximilian I. Joseph von Bayern. Als die Familie von Schönfeld in den Grafenstand erhoben wurde, nannte sich das Geschlecht von Otting und Fünfstetten. Maximilian Joseph Graf von Otting und Fünfstetten verkaufte das Schloss 1856 schließlich in Privatbesitz. Auch im 20. Jahrhundert wechselte das Schloss mehrmals seine Besitzer. 17 Jahre gab es im Schloss sogar eine eigene Brauerei. Heute ist es in Besitz dreier Privatpersonen. Eine davon betreibt im vorderen Teil der Gebäude ein Hotel und will in diesem Sommer mit der Bewirtung auf der Sonnenterrasse am Weiher starten. Ich genieße noch kurz den Blick auf das Schloss, bevor ich mich mit Johann Bernreuther zur nächsten Sehenswürdigkeit in Otting aufmache.
Wir steigen wieder ins Auto und fahren die Wolferstädterstraße entlang. Kurz vor dem Ortsausgang parken wir und gehen einen kleinen Abhang hinab. Wir laufen in den Suevit-Steinbruch (7) hinein, in dem seit Jahren kein Suevit mehr abgebaut wird. In den 70er Jahren bekam der Steinbruch in Otting aber sogar internationale wissenschaftliche Relevanz, als die vier Astronauten Shepard, Mitchel, Engel und German dort ihre Kenntnisse über das Mondgestein vertiefen wollten. 1976 und 1977 ließ die NASA weitere geologische Untersuchungen im Suevit-Steinbruch durchführen, als nach der erfolgreichen Apollo 14 Mission bestätigt wurde, dass die geologische Struktur des Rieskessels mit dem Trümmerfeld im Fra-Mauro-Krater auf dem Mond übereinstimmt. Der Steinbruch ist in Besitz der Firma Märker, die aber momentan am Steinbruch nichts abbaut. So ist heute die Natur Herrin über den Suevit.
Gestrüpp, Buschwerk und Bäume haben sich selbst ausgesät und Flora und Fauna bilden ein sich selbst überlassenes Biotop. Johann Bernreuther zeigt mir genau die Stelle, an der damals die NASA-Astronauten gebohrt haben und wir begehen den gesamten Steinbruch. Auf einer freien Fläche liegen einige Brocken aus Suevit, dem Gestein, das aufgrund des Meteoriteneinschlags vor 14,5 Millionen Jahren im Ries entstanden ist. „Einen davon habe ich mir aussuchen dürfen, erzählt Johann Bernreuther stolz. Genau dieser Stein schmückt heute die Dorfmitte am Platz vor dem Ottinger Rathaus.
Nach unserer Runde durch den Steinbruch machen wir uns wieder auf den Weg mit dem Auto. Diesmal fahren wir ans andere Ortsende der Gemeinde. Es geht einmal durchs Dorf und dann die Monheimer Straße entlang. Zuerst will mir der Bürgermeister das sogenannte Blockhaus (8) direkt an der Bahnlinie zeigen. Bei diesem Begriff  denke ich sofort an ein gemütliches Holzhaus. Dass das Haus in Otting den Namen Blockhaus aus einem anderen Grund trägt, erklärt Bernreuther: „Blockhaus kommt von blockieren. Der Eisenbahner dort musste die Züge aus Richtung Donauwörth „blockieren bis die Züge am nahe gelegenen Bahnhof weiterfuhren, damit es nicht zu einem Zusammenstoß kam. Aus diesem Grund wurde das Haus vor über 100 Jahren an der Bahnstrecke gebaut. 1906 wurde dann die Bahnlinie Donauwörth-Mündling-Fünfstetten-Otting-Weilheim- Möhren-Treuchtlingen eröffnet. Fast eineinhalb Stunden hat die Fahrt damals gedauert. Heute ist der Bahnhof Otting-Weilheim der einzige Halt für Regionalbahnen auf dem Weg von Donauwörth nach Treuchtlingen, die anderen Bahnhöfe sind längst nicht mehr in Betrieb. Und auch das Blockhaus wird nicht mehr benötigt – die Einfahrten in Bahnhöfe werden heute mit elektrischen Weichen und Lichtsignalen geregelt. Das Blockhaus ist jetzt in Besitz der Theresienschwestern Heilig Blut.
Aber es gibt noch einen weiteren geschichtsträchtigen Ort entlang der Bahnlinie bei Otting: Als die Strecke Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, hatten die Arbeiter mit dem felsigen schwäbischfränkischen Jura zu kämpfen. Der Bau der Strecke zwischen 1903 und 1906 wird in der Eisenbahngeschichte auch Juradurchstich genannt. Welch Leistungen die Bauarbeiter ohne unsere modernen technischen Hilfsmittel damals erbracht haben, kann man sich heute nur schwer vorstellen. An einer Stelle in Otting wird das ganz besonders deutlich. Johann Bernreuther fährt mit mir zum Juradurchbruch (9). Durch den Felsen südöstlich von Otting wurde damals die Bahnstrecke gebaut. Durch mehrere solcher Einschnitte mit dazwischen aufgeschütteten Dämmen verlaufen die Schienen, bis sie auf halben Weg zwischen Otting und Weilheim zum Bahnhof führen.
Wenn ich nun das nächste Mal mit dem Zug von Donauwörth in Richtung Nürnberg fahre und dann an Otting vorbeikomme, sehe ich die Bahnstrecke und die Gemeinde bestimmt mit ganz anderen Augen. Jetzt mache ich mich aber mit dem Auto auf den Weg zurück, nachdem ich mich bei Bürgermeister Johann Bernreuther für die Führung durch Otting bedanke.