Norbert Lammert und Udo van Kampen sprachen beim 17. VR-Wirtschaftstag
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Nördlingen - Der Wirtschaftstag der Volksbanken Raiffeisenbanken im Landkreis Donau-Ries bietet alle zwei Jahre eine Plattform für Vertreter von Politik, Wirtschaft, Kirche, Handwerk, Bildung und Kultur, bei der man sich über aktuelle Themen austauscht und sich von hochkarätigen Rednern inspirieren lässt.
Am Mittwoch war es wieder soweit: 650 Gäste folgten der Einladung in die Nördlinger Hermann-Keßler-Halle. Das Thema der 17. Auflage des VR-Wirtschaftstags lautete „Wegweiser für eine Welt im Wandel“. Paul W. Ritter, VR-Kreisverbandsvorsitzender, formulierte in seiner Begrüßung das Ziel der Veranstaltung: „Wirtschaft, Politik und Ethik verzahnen und über den Tellerand des Landkreises hinaus blicken“. Dabei halfen zwei prominente Referenten: Udo van Kampen, über 40 Jahre lang als Korrespondet für das ZDF tätig und zuständig für die USA, später für Brüssel, hielt einen Vortrag über das transatlantische Verhältnis und das Auseinanderdriften von Europa und den USA. Ihm folgte Prof. Dr. Norbert Lammert, zwölf Jahre lang Präsident des Deutschen Bundestags und mittlerweile Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, mit seiner Rede „Flagge zeigen! Staatsbürgerliche Orientierungen in turbulenten Zeiten“.
Zu Europa gibt es keine Alternative
Den Anfang machte der Journalist: Udo van Kampen rief den Gästen in Erinnerung, wie es um die Beziehung Europa-USA bestellt ist. Seit Donald Trump sei nichts mehr wie es war, „Amerika ist in jeder Hinsicht unberechenbar geworden“. Abkommen wie das mit dem Iran sowie Handelsverträge seien aufgekündigt worden, frühere Partner mit Ultimaten und Maximalforderungen bedrängt worden, bis sie klein bei geben. Wie solle man dem begegnen? „Der einzige, der erwirken konnte, dass es keine Zölle auf Autoimporte in die USA gegeben hat, war Jean-Claude Juncker“, meinte van Kampen.
Das sei nur möglich gewesen, weil er als Europäer auftrat, mit 27 vereinten Ländern im Rücken – ganz im Sinne des Vaters der Genossenschaftsidee Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der heuer 200. Geburtstag feiern würde. Ein geeint auftretendes Europa propagierte van Kampen im Folgenden als unabdinglich, um die neuen Herausforderungen in der Welt zu meistern und die Errungenschaften des Nachkriegs-Europas unseren Kindern und Nachfahren zu erhalten. „Ohne die EU werden die europäischen Nationalstaaten in die Bedeutungslosigkeit absinken“, so Udo van Kampen abschließend.
Zeit großer und schneller Veränderungen
Nach einer kurzen Pause, die die Gäste für angeregte Gespräche nutzten, war Norbert Lammert an der Reihe. Er stieß ins selbe Horn wie sein Vorredner und riss die Zuhörer mit einer flammenden proeuropäischen Rede mit.
Sowohl auffällige wie auch unauffällige Veränderungen der Lebensbedingungen prägen laut Lammert unsere Zeit. Zu ersteren gehören die Digitalisierung und die Globalisierung, zu letzteren der leise Abschied bisheriger Gewissheiten – z.B. dass Menschenrechte, Demokratie und bürgerliche Grundrechte als selbstverständlich gelten.
„Flagge zeigen, als Demokraten und als Europäer“
Wie reagiert man darauf? Lammerts Antwort: Flagge zeigen, als Demokraten und als Europäer. Schließlich habe sich doch schon nach dem zweiten Weltkrieg die Erkenntnis durchgesetzt, dass Europa nur geeint in die Zukunft gehen könne. Um den Weg weiter zu gehen, müsse sich die Erkenntnis durchsetzen, dass die Nationalstaaten ihre Souveränität in vielen Bereichen bereits verloren haben, z.B. in Sachen Zuwanderung, Gesetzgebung, Datenschutz und weitere Zuständigkeiten an die Staatengemeinschaft übertragen werden müssen, um relevant zu bleiben. Die Bürger der EU zusammen machten nur gut sechs Prozent der Weltbevölkerung aus – nur zusammen können sie laut Lammert bestehen.
Auf privater Ebene rief der Bundestagspräsident a.D. dazu auf, sich wieder mehr politisch zu engagieren, und schloss mit folgenden Worten: „Wenn wir als Demokraten und Europäer und im Lichte unserer gemeinsamen Erfahrungen und unserer heutigen Möglichkeiten, unsere Errungenschaften nicht schützen und weiterentwicklen, dann haben wir Anspruch auf den Titel der dümmsten Generation, die je auf diesem Planeten gelebt hat“. (mab)
Von unserem Redaktionspartner Wochen- und SonntagsZeitung