Alle werdenden Eltern haben nur einen Wunsch: Ein gesundes Kind. Auch Marina und Thomas Simon aus Mertingen wünschten sich, dass zu ihren beiden gesunden Töchtern noch ein drittes gesundes Kind hinzukommt. Zunächst sah auch alles danach aus. Knapp vier Monate nach der Geburt ihrer dritten Tochter, änderte sich plötzlich alles...
Mertingen - Am 31. August 2011 erblickt Vivien das Licht der Welt. Nach der Geburt gratulieren die Ärzte den Eltern der kleinen Vivien zu ihrer kerngesunden Tochter. Alles scheint in Ordnung zu sein. Knapp vier Monate später fällt Marina und Thomas Simon auf, dass die Entwicklung von Vivien nicht so verläuft, wie bei ihren Schwestern. Sie beginnen sich Sorgen zu machen. "Als Vivien vier Monate alt war, konnte sie nichts von den Sachen, die andere Babys in diesem Alter können. Sie konnte sich nicht drehen, keine Flasche halten, war teilnahmslos und gab auch keine Laute von sich", erzählt Marina Simon. Die Ärzte zeigten sich wenig besorgt und glaubten, dass Vivien nur etwas "hintendran sei". Als sich aber auch bis zu Viviens erstem Geburtstag keine Fortschritte einstellen wollten, wurden auch die Ärzte hellhörig. "Wir waren dann zunächst drei Tage im Zentralklinikum. Dort wurden einige Untersuchungen gemacht. Unter anderem musste sie in die Röhre, bekam Blut abgenommen und auch ihr Stoffwechsel wurde untersucht", schildert Marina Simon die Erlebnisse. Doch auch diese Untersuchungen bringen keine Ergebnisse.
Erst eine Humangenetikerin sorgt für Klarheit
"Meine Frau hat dann darauf bestanden, dass wir uns an eine Humangenetikerin wenden", so Thomas Simon. Kurz vor Weihnachten 2012, erhält die Familie dann die entscheidende Diagnose: Vivien Sophie hat das Angelman-Syndrom. Heute ist Vivien 5 Jahre alt. Seit über vier Jahren leben sie und ihre Familie mit der Diagnose Angelman-Syndrom. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten hat Vivien große Fortschritte gemacht. So kann das Mädchen, das man so fröhlich lachen hört, alleine laufen. Ein toller Fortschritt für ein Angelman-Kind.
Ein Leben lang auf Hilfe angewiesen
Doch ohne Hilfe wird das Mädchen, dass immer so fröhlich lacht, nie auskommen. "Im Moment ist Vivien auf dem Entwicklungsstand eines 1-jährigen Kindes. Wie weit sie sich noch entwickeln wird, steht in den Sternen", erklärt Thomas Simon. Vor einem Jahr erhielt die Familie dann eine weitere schlechte Nachricht. "Drei von vier Angelman-Kinder haben epileptische Anfälle. Wir haben gehofft, dass wir davon verschont bleiben. Aber leider war dem nicht so", so Marina Simon. Den ersten Anfall hatte die 5-Jährige mitten in der Nacht. "Ich wollte sie morgens wecken, aber sie hat nicht regiert. Wir haben dann einen Rettungswagen gerufen und sie ins Krankenhaus gebracht. Wie lange der Krampfanfall gedauert hat, wissen wir nicht", schildert Marina Simon das Erlebte. Da diese Krampfanfälle sich jederzeit wiederholen können, hat die Familie eine Kamera über dem Bett von Vivien angebracht, um sie auch nachts beobachten zu können.
Thomas Simon, Marina Simon und Vivien Simon.
Bild: Diana Hahn
Trotz allen Schwierigkeiten hadern die Simons nicht mit ihrem Schicksal. Sie haben Viviens Behinderung angenommen und versuchen ihren Alltag so normal wie möglich zu gestalten. "Klar haben wir am Anfang auch geweint. Aber das Leben von Vivien ist nicht schlechter sondern anders. Deshalb verstecken wir unsere Tochter auch nicht", sagt Thomas Simon und fügt hinzu: "Es wäre schwerer damit zurecht zu kommen, wenn sie im Wachkoma liegen würde. Aber sie hat soviel Lebensfreude und Spaß am Leben." "Natürlich gibt es auch Tage, an denen es uns beschissen geht. Aber weinen macht die Situation auch nicht besser", so Marina Simon. Das sind vor allem Momente in welchen Marina Simon erkennt, was für Vivien alles nicht möglich sein wird - zum Beispiel wenn andere Kinder selbständig zur Schule gehen.
Hilfe vom Arbeitgeber
Vivian braucht rund um die Uhr Betreuung. Damit ihre Eltern auch ab und zu etwas Freiraum haben, sind sie auf Hilfe angewiesen. "Vor allem meine Mutter und unsere Babysitterin helfen uns da sehr", erzählt Marina Simon. Dann können die Beiden auch mal etwas Zeit zu zweit oder mit den anderen beiden 9 und 11 Jahre alten Töchtern verbringen. "Dafür sind wir auch sehr dankbar", so Marina Simon. Aber auch der Arbeitgeber von Thomas Simon, die Brauerei Oettinger, unterstützt die Familie. So nehmen die Vorgesetzten von Thomas Simon, der bei Oettinger als Berufskraftfahrer arbeitet, bei der Planung der Touren, Rücksicht auf die familiäre Situation der Simons. "Das ist nicht selbstverständlich und ich bin sehr dankbar dafür", sagt Thomas Simon.
Aber nicht nur Rücksichtnahme und Toleranz begegnet der Familie in ihrem Alltag: "In den letzten Jahren haben wir einige Freunde verloren, die mit der Situation nicht umgehen können", erzählt Thomas Simon und fügt hinzu "und sogar innerhalb der Familie gibt es Probleme wegen Viviens Behinderung."
Während des ganzen Gesprächs lacht Vivien und ist unendlich fröhlich - auch ein Zeichen des Angelman-Sydrom. Damit auch andere Eltern die Anzeichen des Angelman-Syndrom erkennen, haben sich die Simons entschieden, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Aus diesem Grund erzählen die Simons auch auf ihrer Facebookseite von Vivien Sophie, dem lachenden Mädchen mit dem Angelman-Syndrom.
Der britische Kinderneurologe, Harry Angelman, hat das Syndrom erstmals 1965 beschrieben. Es tritt in Folge einer angeborenen seltenen genetischen Veränderung im Bereich des Chromosom 15 auf. Im Schnitt ist eines von 30.000 Neugeborenen betroffen. Eine starke Verzögerung der körperlichen und der geistigen Entwicklung sowie das Ausbleiben der Sprache sind charakteristisch für das Angelman Syndrom. Die geistige Entwicklung der meisten Betroffenen erreicht in etwa den Stand von Kleinkindern. Auch als Jugendliche oder Erwachsene müssen die Betroffenen ständig betreut werden, weil es ihnen nicht möglich ist, sich selbst zu versorgen und Gefahren zu erkennen. Zudem leiden 3 von 4 Angelman-Kindern unter epileptischen Anfällen. Bislang besteht keine Aussicht auf Heilung. Personen mit Angelman-Syndrom haben eine normale Lebenserwartung. Durch ihr überdurchschnittlich häufiges Lachen sind Angelman-Kinder sehr fröhliche Menschen.
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