Die Dienste für Menschen mit Behinderung der Diakonie Neuendettelsau blicken auf eine über 150-jährige Tradition und Entwicklung zurück. Vor allem Begriffe wie
Die Dienste für Menschen mit Behinderung der Diakonie Neuendettelsau blicken auf eine über 150-jährige Tradition und Entwicklung zurück. Vor allem Begriffe wie Selbstbestimmung, Teilhabe, Integration und Inklusion gehören zur Philosophie der Diakonie. In insgesamt 5 Regionen und an 8 Hauptstandorten bietet die Diakonie Neuendettelsau Menschen mit Behinderung ihre Dienste an. Mit Oettingen liegt auch einer dieser Standorte im Landkreis Donau-Ries.
Oettingen – Vor über 150 Jahren begann die Geschichte der Diakonie Neuendettelsau in Polsingen. Nachdem sich in den 70er Jahren die ersten Außenwohngruppen aus den Polsinger Heimen entwickelt hatten, wurden solche Wohngruppen 1988 auch in Oettingen gegründet und in die entstehenden Johannes-Heime integriert. Was in Oettingen im Entstehen war, war ein absolutes Novum: Dezentrale Wohneinheiten und kleine Wohngruppen mit 5 Bewohnern gab es bis dahin in der Behindertenhilfe nicht. „Bereits zu diesem Zeitpunkt war Oettingen sehr innovativ. Man hat schon damals in den Johannes-Heimen das familienorientierte Wohnen und die Unterbringung in Einzelzimmern gefördert“, erklärt Roswitha Fingerhut, Leiterin des Bereichs Wohnen. „Eigentlich wurden die Johannes-Heime damals richtig aus dem Boden gestampft, so schnell ging das“, erinnert sich
Gerhard Förthner, der als Betreuer in einer der Wohngruppen arbeitet. Aus dem stetigen Wachstum und dem großen Gestaltungsspielraum, der sich in Oettingen bot, entwickelte sich dann recht schnell auch das Konzept der Offenen Hilfen. Ein gutes und vor allem funktionierendes Konzept, wie sich schnell zeigen sollte. „Dem Konzept lag von Anfang an ein Familiencharakter und das Konzept der Selbstversorgung zu Grunde“, so
Förthner. Das man mit dem Prinzip der Selbstversorgung den richtigen Weg beschritten hat, zeigt sich auch darin, dass es dieses Konzept noch heute gibt. Seit der Gründung des Standorts Oettingen, hat sich das Angebot der Johannes-Heime stetig weiterentwickelt. Heute zählen die Bereiche Wohnen, Arbeit, Tagesstruktur, Förderstätten, Seniorentagesstätten und die bereits erwähnten Offenen Hilfen zum Leistungsspektrum der Johannes-Heime.
Ein Ziel der Johannes-Heime war es immer, Menschen mit Behinderung in den ganz normalen Alltag zu integrieren. In Oettingen sei das nie ein Problem gewesen, sagt Roswitha Fingerhut: „Jeder Mensch gehört hier mit zum Stadtbild. Das zeigt sich gerade auch bei Festen. Wir werden wie ein Verein betrachtet und genau so mit einbezogen, wie man das zum Beispiel bei einem Sportverein erwarten würde. Und auch wenn wir unser Johannesfest feiern, ist die ganze Stadt mit von der Partie.“ Das das in Oettingen in solchem Maße klappt, liege auch daran, dass man sich in einer Kleinstadt befindet. „Man kennt einander, hat seinen Umgang gefunden und arrangiert sich einfach“, sagt Roswitha Fingerhut über die Vorteile des Standorts. Ein Inklusionsbeirat, wie er andernorts dringend benötigt werde, sei in Oettingen deshalb eigentlich kein Thema: „Wir gehören hier einfach dazu.“ Das was ein Inklusionsbeirat leisten könne, sei in Oettingen schon lange möglich: „Praktika in Kleinbetrieben zum Beispiel sind bei uns seit 25 Jahren an der Tagesordnung“, so Fingerhut. Insgesamt habe man einfach von Anfang an die Aufgaben eines Inklusionsbeirats übernommen. Das habe sich dann im Laufe der Jahre einfach verselbständigt. „Die Johannes-Heime bringen sich in die Gemeinschaft ein, wie jeder andere. Deswegen werden wir auch wie jeder andere behandelt“, erklärt Roswitha Fingerhut. Das man sich so gut in die Gemeinschaft integriert habe, sei auch zu einem Teil den dezentralen Wohnformen geschuldet, durch die sich die Bewohner mittendrin im Leben befinden. Zudem erwecken die Häuser, in denen sich die Wohngemeinschaften teilweise befinden, nicht den Eindruck eines Heimkomplexes. Das durch die verteilten Wohneinheiten aber auch die logistische Herausforderung größer werde, nehme man in Kauf. „Wir wollen keine großen Superzentren mehr. Wir wollen das, was der Mensch tatsächlich braucht, im Rahmen der gesetzlichen Notwendigkeiten umsetzen“, erklärt
Gerhard Förthner. Auch wenn das einen deutlichen Mehraufwand in Sachen Organisation mit sich bringe. Trotzdem sei es auch wichtig, dass der Standort Polsingen noch immer ein anderes Konzept verfolge: „ Für Bewohner, die nicht verkehrssicher sind, ist ein Komplex wie Polsingen von Vorteil. Denn dort können die Klienten Wege alleine machen, da sich alles in unmittelbarer Nähe zueinander befindet“, erklärt Roswitha Fingerhut die Unterschiede. Auch wenn das dezentrale Wohnen in Form von kleinen Wohneinheiten und Wohngemeinschaften angestrebt werde, werde man nie alle Bewohner in dieser Wohnform unterbringen können. „Diese Form des Wohnens muss für die jeweilige Person auch passen. Es wird immer Klienten geben, die mehr Aufsicht und mehr Hilfe brauchen, oder von den Einflüssen des Lebens besser abgegrenzt werden müssen. Dieser Personenkreis muss in einer reizarmen Umgebung untergebracht werden. Dafür ist Polsingen bestens geeignet. Wir sind froh, dass wir verschiedene Arten der Unterbringung anbieten können“, erklärt
Insgesamt habe man sehr viel dafür getan, dass man jedem Klienten gerecht werden könne. Dafür habe man viele verschiedene Betreuungsmöglichkeiten geschaffen. Deshalb hole man sich auch Unterstützung durch Fachdienste. So zum Beispiel auch einen Pflegefachdienst. Durch diesen sei es möglich, Menschen im hohen Lebensalter, junge Menschen mit Mehrfachbehinderung und Schwerstbehinderte bestmöglich zu betreuen. Auch das Thema Sterben sei, durch die immer älter werdenden Patienten, mittlerweile ein wichtiges Thema geworden. „Damit die Mitarbeiter wissen, was in diesen Fällen zu tun ist und was die Menschen in dieser Situation brauchen, werden sie immer wieder geschult. Außerdem arbeiten wir auch mit der Palliativgruppe zusammen, um die palliative Versorgung zu sichern“, beschreibt
Gerhard Förthner die Bemühungen. Teil der Philosophie der Johannes-Heime sei es, dass man Probleme nicht verlagert, sondern sich darum kümmert.