Anfragen zur Errichtung von Freiflächenphotovoltaikanlagen, auch bekannt als Solarparks, gab es im Stadtgebiet Nördlingen in der Vergangenheit immer wieder. Jedes Mal wurden sie von der Stadt abgelehnt, um das Landschaftsbild zu erhalten. Die Verweigerungshaltung bröckelt jedoch: Am Donnerstag sagte Oberbürgermeister David Wittner, dass man die Situation neu bewerten wolle. Angrenzende Gemeinden haben bereits den Bau entsprechender Anlagen ermöglicht, der Stadt Nördlingen liegen außerdem derzeit acht konkrete Anfragen für entsprechende Projekte auf den Gemarkungen Nähermemmingen, Löpsingen, Dürrenzimmern, Grosselfingen und Schmähingen vor. Philipp Wettemann vom Stadtbauamt präsentierte in der Sitzung ein vorläufiges Konzept, das Kriterien für die Ermöglichung solcher Anlagen im Stadtgebiet enthält.
200-Meter-Korridor neben Bahnstrecken angedacht
Demnach will die Stadt FFPV-Anlagen an städtebaulich verträglichen Standorten ermöglichen, die nach den Vorgaben der EEG-Förderung in Frage kommen. Im Bauamt kann man sich vorstellen, 200 Meter breite Seitenrandstreifen von Bahnlinien für Solarparkprojekte freizugeben. Diese sind laut Erneuerbare-Energien-Gesetz für solche Vorhaben nutzbar.
Für das Stadtgebiet hat das Bauamt einen Flächenplan erstellt und in verschiedenfarbige Flächen unterteilt, an denen man FFPV-Anlagen ermöglichen könnte. Von vornherein ausgenommen sind bestehende oder künftige Siedlungsgebiete. Ökologische Vorrangflächen, Landschaftsschutzgebiete oder Wiesenbrütergebiete können dem Bau von Solarparks ebenfalls entgegenstehen, ebenso wie Überschwemmungsgebiete. Während die Stadt bezüglich der letzteren ein Gespräch mit dem Wasserwirtschaftsamt Donauwörth sucht, muss bei den genannten umweltschutzrelevanten Gebieten die Untere Naturschutzbehörde vom Vorhabenträger angefragt werden. Theoretisch kämen auch sogenannte „benachteiligte Gebiete“ gemäß § 37 EEG 2021 als Standorte in Frage, was in Nördlingen auf die Gemarkung Schmähingen zutrifft. Mit Blick auf eine mögliche Verschlechterung des Landschaftsbilds will die Stadt dort aber keine Flächen freigeben.
Die Stadt sieht strenge Kriterien für die Projekte vor, zum Beispiel ausreichende Eingrünung, Erdleitungen für die Ableitung des erzeugten Stroms, ausreichender Abstand der Module, das Tragen sämtlicher Planungskosten durch den Vorhabenträger, Verzicht auf reinigende Chemikalien und Beleuchtung. Mögliche Bürgerbeteiligungsmodelle sieht das Konzept als sehr positiv. Auch über sogenannte Agri-PV-Anlagen, bei denen eine Fläche sowohl zur Stromgewinnung als auch für die Landwirtschaft benutzt wird, müsse man nachdenken, sagte Wettemann.
Für jedes Solarpark-Projekt wird ein Bauleitplanverfahren notwendig, so soll die Stadt stets „Herrin des Verfahrens“ bleiben. Im Allgemeinen wird der Bau-, Verwaltungs- und Umweltausschuss des Stadtrates für jede FFPV-Anlage den Daumen heben oder senken – es soll jede Mal eine Einzelfallentscheidung sein.
Stadtrat überwiegend für die Erlaubnis
Eine abschließende Entscheidung für oder gegen FFPV-Anlagen wurde am Donnerstag noch nicht gefällt, aber in den Aussagen der Fraktionssprecher zeichnete sich ab, dass die grundsätzliche Ablehnung nicht bestehen bleibt. Helmut Beyschlag (PWG) begrüßte die Initiative der Stadtverwaltung, hinsichtlich der Energiegewinnung müsse ein Umdenken stattfinden. Ausdrücklich begrüßte er die Idee einer Bürgerbeteiligung, ebenso wie Gabriele Fograscher von der SPD. Beide kritisieren die bürokratische Hürde bei der Nutzung von Überschwemmungsflächen.
Wolfgang Goschenhofer (Grüne-Frauenliste) gab zu Bedenken, dass das aktuelle EEG wohl schneller überholt sein werde als man denke. Er rechne mit einem „Osterpaket“ von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, mit neuen Förderungen und Leitplanken. Abgesehen davon wolle Deutschland im Hinblick auf den Ukraine-Krieg unabhängiger von Energieimporten werden. Die Erzeugung von Energie und Nahrungsmitteln auf der selben Fläche durch Agri-PV-Anlagen sei daher das Gebot der Stunde.
„Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagte Steffen Höhn (CSU). Die Kriterien der Verwaltung seien richtig, allerdings zeigte er sich skeptisch bei Agri-PV-Anlagen: Diese würden beeindruckende Dimensionen erreichen, das sei ein „Schritt in eine Industrielandschaft“. Man müsse sich solche Anlagen einmal aus der Nähe ansehen – ein Vorschlag, den OB Wittner begrüßte. Des Weiteren regte Höhn Solarpark-Gürtel um Industriegebiete herum an und die Überbauung von Parkplätzen. Die Stadt solle darüber nachdenken, hier ein Pilotprojekt zu starten.
Stadtteilliste warnt vor Verschlechterung des Landschaftsbilds
Thomas Mittring von der Stadtteilliste hatte mehrere Argumente gegen die Erlaubnis von FFPV-Anlagen. Bei Parkplätzen und Gewerbeflächen gebe es ein riesiges Potential, das zunächst ausgeschöpft werden sollte, nach seiner Rechnung zwischen acht und zehn Hektar im Stadtgebiet. Auch im Hinblick auf die Ukraine gelte es die Lebensmittelproduktion zu berücksichtigen, die Rentabilität von Agri-PV-Anlagen stellte er in Frage. Außerdem würden Solarparks laut Mittring nicht zu einem Anwärter auf den Titel eines Unesco Global Geoparks passen. Mit solchen Anlagen werde man das Stadtbild dauerhaft negativ beeinflussen.
Das Thema wird nun in den Fraktionen weiter beraten, Wünsche und Vorschläge werden an die Stadtverwaltung weitergeleitet. Die Entscheidung, ob Freiflächenphotovoltaikanlagen in Nördlingen ermöglicht werden oder nicht, wird in einer künftigen Sitzung fallen.