Ruhig atmend steht der in Weiß gekleidete Karateka auf der Matte. Nach einer kurzen Verbeugung gleitet er in fließenden Bewegungen über die Fläche, wobei Schläge und Tritte wie gegen unsichtbare Gegner folgen. Nur wenige Minuten dauert die Übung, aber dennoch wird den Zuschauern schnell klar, welche Kunst hinter der Kata, so nennt sich diese Übungsform, steckt. Und als wären die exakt ausgeführten Schlag -,Tritt- und Blocktechniken nicht anspruchsvoll genug, führt der Sportler sein Programm mit einer Maske vollkommen blind durch.
Konzentrierte Vorbereitung trotz einiger Rückschläge
Der Karateka heißt Rene Steinhübel, ist beinahe blind und betreibt trotzdem seit Jahren Karate auf hohem Niveau beim TSV Wemding. In der Vergangenheit hatte er bereits diverse Titel gewinnen können, der Sieg auf der "Deutschen" war ihm aber bislang verwehrt geblieben. Für die deutschen Titelkämpfe in Ludwigsburg hatte er sich deshalb umso konzentrierter vorbereitet. Den Einschränkungen der beiden vergangenen Jahre zum Trotz trainierte er mit hoher Intensität und ließ sich nicht durch die Tatsache von seinem Ziel abbringen, dass seine Restsehkraft von fünf auf zwei Prozent gesunken war. Dieser Verschlechterung musste der Wemdinger allerdings Rechnung tragen. "Ich habe mir die Sprünge in meiner bisherigen Kata nicht mehr zugetraut, da bei einem kleinen Fehler starke Abzüge drohen", erklärt Steinhübel den Wechsel zu einer anderen Kata. "Kata" ist ein Übungsform, bei der genau festgelegte Techniken in einer Abfolge möglichst exakt gezeigt werden müssen.
Von Trainergespann Müller/Kreutner unterstützt
Trainer Jürgen Müller (5.DAN) hatte seinen Schützling beraten und ihn auf die Kata namens "Sochin" aufmerksam gemacht. Diese ist zwar anspruchsvoll, kommt aber ohne Sprünge aus.
Akribisch studierte Steinhübel in zahllosen Einzeltrainings die Bewegungsabläufe ein und holte sich immer wieder Rückmeldungen von seinen Trainern Jürgen Müller (5.DAN) und Lothar Kreutner (4.DAN). Gut gerüstet trat Steinhübel dann bei den Deutschen Meisterschaften in Ludwigsburg an. In der Kategorie "Sehbehinderung" traf er auf Gegner mit ähnlichen Einschränkungen. Damit alle die gleichen Bedingungen hatten, trugen die Teilnehmer eine Maske, sodass sie vollkommen blind waren.
Keine Nervosität trotz langer Wettkampfpause
Nach zweijähriger Wettkampfpause war dank der guten Vorbereitung von Nervosität wenig zu spüren. Steinhübel zeigte eine überzeugende Vorführung und erhielt dafür hohe Wertungen. Diese reichten, um am Ende sogar den vielfachen Deutschen Meister Dirk Schürmann hinter sich zu lassen und den ersten Titelgewinn zu feiern. Dabei hatte der Wemdinger mit einer zusätzlichen Schwierigkeit zu kämpfen. "Normalerweise kann ich mich an den Linien der Mattenkanten orientieren, die ich mit meinen Füßen spüre. Dieses Mal war die Mattenfläche aber komplett eben", erklärt der Deutsche Meister.
Empfang durch Bürgermeister Dr. Martin Drexler
Zurück im heimischen Wemding wurde Rene Steinhübel nun von Bürgermeister Dr. Martin Drexler und Sportreferent Roland Schuster empfangen und mit Glückwünschen bedacht. Beide drückten ihre Wertschätzung für die außergewöhnliche Leistung des Karateka aus. "Es ist etwas ganz Besonderes, einen Deutschen Meister hier in Wemding zu haben und noch schöner ist es, dass man sich hier in der Stadt auch kennt", erklärt Drexler. Die Demonstration der Kata, mit der Rene Steinhübel sich den Titel gesichert hat, beeindruckt auch Sportreferent Roland Schuster, der die Konzentration und Selbstbeherrschung des Kampfsportlers lobt. "Alle Mitglieder der Abteilung Judo/Karate gratulieren dir und freuen sich mit dir über diese hervorragende Leistung", betont Abteilungsleiter Jörg Fackler und überreicht dem Titelgewinner ein kleines Geschenk.
Neue Ziele bereits im Blick
Rene Steinhübel dagegen gibt sich bescheiden und dankt seinerseits seinen Trainern, ohne die ein solcher Erfolg nicht möglich gewesen wäre. "Ich möchte mich außerdem bei der Stadt Wemding bedanken, die uns solch tolle Trainingsräume zur Verfügung stellt. Nur so war und ist es mir möglich, mehrmals die Woche zu trainieren und meine Techniken weiterzuentwickeln", so Steinhübel. Auf weitere Ziele angesprochen, erklärt der Wemdinger Karateka, er habe schon mehrere Turniere im Herbst im Auge, für die er seine Übungen weiter perfektioniere. Unter anderem wolle er bei einem Turnier gegen sehende Gegner antreten. (pm)