Hochwasser

Das Wunder von Auchesheim und dessen Aufarbeitung

Ein eilig errichteter Notdeich ermöglichte das Wunder von Auchsesheim. Bild: Manuel Habermeier
Während der Hochwassertage musste Auchsesheim einige bange Momente überstehen. Am Ende konnte sich der Ort jedoch retten. Allerdings gibt es Vorwürfe gegen das Wasserwirtschaftsamt.

Es stand fifty-fifty“, beschreibt Manfred Hengstebeck die Situation für Auchsesheim während des Hochwassers. „Wenn der Damm nicht gehalten hätte, wäre nicht nur die Siedlung hier überschwemmt worden“, so Hengstebeck. Man kann also durchaus von einem kleinen Wunder sprechen, dass den Auchsesheimer Bürger*innen eine Tragödie wie im benachbarten Zusum erspart geblieben ist.

Möglich machte dies unter anderem der unermüdliche Einsatz von Menschen wie Hubert Gerstmeier. Der Auchsesheimer war mitverantwortlich bei dem Versuch, den Ortsteil zu retten: „Den Versuch, das Dorf – die eigene Heimat – zu beschützen, wollte ich mit anderen unternehmen. Alleine ist so etwas nicht zu schaffen. Hätte es nicht geklappt, wäre es so gewesen. Aber ich wollte mir später nicht vorwerfen, dass man es nicht versucht hat.“

Nach Verhandlungen mit dem Krisenstab – für Auchsesheim war zu diesem Zeitpunkt bereits eine Evakuierungsempfehlung ausgesprochen worden – legten die Dorfbewohner*innen sowie zahlreiche Helfer*innen aus dem ganzen Landkreis am Sonntagvormittag los, den Damm zu retten. Mit Traktoren wurden Mensch und Material an Ort und Stelle gebracht. Wo dies nicht möglich war, wurden Sandsäcke per Menschenkette befördert. „Für uns war es jedoch wichtig, dass dies vom Krisenstab gedeckt war und wir die Möglichkeit hatten einfach das zu tun, was aus unserer Sicht nötig und möglich war. Zwei Anwesen außerhalb unseres Dorfes konnten wir leider nicht beschützen.“

Chaos in den Anfangstagen

Währenddessen musste Markus Schröttle seinen eigenen Kampf durchstehen. Der örtliche Feuerwehrkommandant und dementsprechend Einsatzleiter vor Ort versuchte Ordnung ins Chaos zu bringen. „Am Anfang war es durch den fehlenden Informationsfluss schwierig“, erinnert er sich an den Samstag, als er erst von Bewohner*innen erfahren hatte, dass auswärtige Feuerwehren durch Auchsesheim fahren und die Evakuierung empfehlen. Viele Einwohner*innen hatten sich allerdings gegen die Evakuierung entschieden und kämpften zusammen mit Feuerwehr und freiwilligen Helfer*innen um den Damm.

Doch allein mit diesem Einsatz wäre der Ort nicht zu retten gewesen. Das Wasser überschwemmte den ersten Damm und rückte immer näher an Auchsesheim heran. In einer wahrlichen Nacht-und-Nebel-Aktion wurde am Ortsrand ein zweiter Damm aufgeschüttet. „Es gibt Menschen, die bereit sind, ans Limit zu gehen, um ihr Dorf zu schützen“, weiß Gerstmeier, fügt aber auch hinzu: „Wir hätten es nicht ohne die Hunderte von Helfern geschafft.“ Und geschafft wurde es tatsächlich.

Bis auf wenige Meter war das Wasser bereits an den Ortsrand herangerückt. Bild: Manuel Habermeier

Massive Kritik am Wasserwirtschaftsamt

Dementsprechend überwiegt in Auchsesheim die Erleichterung, es sind aber auch kritische Töne zu hören. Vor allem am Wasserwirtschaftsamt Donauwörth lässt Hengstebeck kein gutes Haar:  „Wir sind seit 2008 im Gespräch mit dem Wasserwirtschaftsamt. Bislang wurden Kosten für Planungen, Modelle und Gutachten verursacht. Gebaut wurde nichts“, beklagt er die Situation. „Statt sich zu entschuldigen, gibt es vom Wasserwirtschaftsamt nur Ausreden und Ausflüchte. Insbesondere vermisse ich, dass unsere Ängste kein Gehör bei dieser Behörde finden, und ich hege den Verdacht, dass unsere Interessen dort nicht richtig vertreten werden.“

Ein Vorwurf, den Gudrun Seidel, Behördenleiterin des Wasserwirtschaftsamts, so nicht stehenlassen will: „Das Wasserwirtschaftsamt hat keinerlei Interesse, irgendjemanden absaufen zu lassen. Wir bedauern jeden, der jetzt einen Schaden hat und würden gern noch mehr Hochwasserschutzprojekte umsetzen, um mehr Menschen schützen zu können.“

Daher tue man seit eben 2008 alles, um die Lage zu verbessern. Es wurden Karten erstellt und immer wieder auf die vom Hochwasser gefährdeten Gebiete hingewiesen. Ein konstruktiver Austausch, wie man einzelne Bereiche schützen könne, finde hingegen nur mit einzelnen Vertretern der Bürgergruppen zum Hochwasserschutz Donauwörth statt. „Das ist eigentlich die Dramatik, die dahintersteckt.“ Zumal eine Zusammenarbeit in dieser Sache Auchsesheim wohl einige angstvolle Stunden erspart hätte. Denn laut Seidel ist ein Deich mehr oder weniger an der Stelle geplant, wo nun der Notdeich steht.

„Was Auchsesheim mit dem Notdeich geleistet hat, davor ziehe ich meinen Hut, das war eine tolle Gemeinschaftsleistung“, zollt Seidel der Leistung der Auchsesheimer und ihrer Helfer*innen Respekt. Allerdings könne dieser Behelfsdeich keine Dauerlösung darstellen. „Bei einem geplanten Hochwasserschutz gibt es vielfältige Aspekte zu beachten, etwa einen Schutzstreifen, einen Verteidigungsweg oder eine funktionierende Entwässerung. Schließlich plant man so ein Bauwerk für 100 Jahre und nicht nur für ein Hochwasser“, plädiert sie für den Neubau eines Damms.

Über die Gesamtdauer des Katastrophenfalls kamen im Landkreis insgesamt 3.281 Hilfskräfte zum Einsatz.

Diese Hilfskräfte aus anderen Regionen haben die hiesigen Einsatzkräfte unterstützt: Wasserrettungszüge aus Hessen, Thüringen, Ober- und Mittelfranken mit ca. 150 Einsatzkräften, Feuerwehrhilfeleistungskontingente aus Bayreuth mit ca. 130 Personen und aus dem Nürnberger-Land mit ca. 120 Personen, die Berufsfeuerwehr Augsburg, die Feuerwehr Kempten, Bobingen, Gersthofen, Lauingen, Mering sowie ein Betreuungskontingent aus Bayreuth mit ca. 65 Personen.

 

Das Wasserwirtschaftsamt reagiert auf die Vorwürfe

Dr. Nils Führer vom Wasserwirtschaftsamt überzeugt sich vor Ort von den Zuständen. Bild: Matthias Stark

Wie wichtig eine sorgfältige Planung ist, macht das Beispiel des Teilschutzdeichs bei Heißesheim deutlich. Dort ist ein Dammstück aufgrund eines Biberbaus gebrochen und Wasser konnte durchfließen. Dem Wasserwirtschaftsamt wurde daher unterstellt, dass es seinen Verpflichtungen zum Erhalt des Damms nicht nachgekommen sei. Die Deiche werden jedoch regelmäßig überwacht und gewartet, wie Seidel versicherte. Der Deichbruch war aber nur schwer zu verhindern. „Es gibt aktuell keine Methodik, diese Höhlen im Deich aufzufinden“, erklärt Dr. Nils Führer, der im Wasserwirtschaftsamt für den Hochwasserschutz in Donauwörth zuständig ist. Eine Verlegung des Gumpengrabens in diesem Bereich ist daher schon längst vom Wasserwirtschaftsamt geplant. „Die Plangenehmigung wird jeden Tag erwartet und anschließend wird die Flussmeisterstelle den Graben verlegen, um künftige Biberbauten im Deich zu vermeiden.“

Gleichzeitig wurde einer Forderung Hengstebecks eine Absage erteilt. „Der erste Damm muss nicht auf HQ 80, sondern auf HQ 100 aufgestockt werden. Diese Bedingung ist auch nicht zu diskutieren“, machte der Diplom-Agraringenieur seinen Standpunkt klar. Allerdings sei der Teilschutzdeich von Beginn an als Überlaufdamm geplant gewesen, erinnert Seidel. „Bei kleinen Hochwasserereignissen soll dieser Deich maximal bis zu einem HQ 20 vor Hochwasser schützen. Bei größeren Hochwassern wird er überspült und es läuft nach Auchsesheim rein.“ Daher solle die zweite Deichlinie ortsnah errichtet werden.

Eine Deicherhöhung kommt jedoch nicht in Betracht, da sonst wertvoller Retentionsraum verloren geht. Darunter versteht man Gebiete, in denen sich Hochwasser ausbreiten kann und sich die Hochwasserspitzen verzögern oder absenken. Bei einer Deicherhöhung würden die Wasserstände allerdings höher werden, „dann läuft es nach Zusum rein“.

Die Zukunft hält also noch einige Aufgaben und Gespräche bereit, um weitere Hochwasserkatastrophen zu vermeiden oder zumindest einzudämmen. Denn auf weitere Wunder wird sich Auchsesheim nicht verlassen können.

Redakteur. Unterwegs für blättle und online. Geboren in Augsburg ist er über Freiburg, Wien und München endlich im schönen Donau-Ries angekommen. Hier hat er besonders die Themen Kunst, Kultur, Geschichte und Sport im Blick.

Telefon: 0906/977598 – 27
mhabermeier@donau-ries-akutell.de