Jahrelang wurde ein deutsches Mädchen in Bosnien wie eine Sklavin gehalten. Der Nachbar Cazim M. aus dem kleinen Dorf Karavlasi hatte die 19-jährige Bettina schließlich aus dem Martyrium befreit. Cazim M., seine Frau und sein 10-jähriger Sohn hoffen nun in einer Asylunterkunft im Landkreis Donau-Ries auf ein Bleiberecht in Deutschland. Der Familie droht aber die Abschiebung.
9- Im Jahr 2012 ging der Fall durch die deutschen und bosnischen Medien. Die damals 19-jährige Bettina wurde aus einem jahrelangen Martyrium befreit. Wie vor vier Jahren bekannt wurde, zog die Mutter mit ihrem Partner, dem bosnischen Serben Milenko M., 2002 in dessen Heimatdorf Karavlasi. Die beiden haben in Österreich geheiratet, obwohl der Mann bereits in Bosnien mit Slavojka M. verheiratet gewesen war. Wenigstens zeitweise lebte auch die Mutter auf dem Hof ihres Mannes und seiner Ehefrau. Zu dieser Zeit soll das schreckliche Martyrium der jungen Frau begonnen haben.
Der Nachbar Cazim M. beobachtete die Taten und berichtete, das Mädchen soll unmenschlich behandelt worden sein. Sie wurde zu schwerster Feldarbeit genötigt, ist mehrmals sexuell missbraucht worden und war körperlicher Gewalt ausgesetzt. Cazim erzählt, er habe gesehen, wie das Mädchen im Stall bei den Schweinen schlafen und sich von Tierfutter ernähren musste. Ihr Stiefvater hätte sie mit einer glühenden Messerklinge im Gesicht und am Rücken verletzt.
Schließlich gelang Cazim M., nach mehrmaligen Versuchen, den Fall bei der Polizei anzuzeigen. Er konnte heimlich Fotoaufnahmen von Bettina machen und somit den Ermittlern verdeutlichen, dass seine Beobachtungen der Wahrheit entsprechen. Am 17. Mai 2012 endetet die jahrelange Tortur des Mädchens. Bettinas Stiefvater und seine Ehefrau wurden festgenommen und verurteilt. Zu den Gerichtsverhandlungen ließen sich Cazim M. und andere Mitstreiter sogar T-Shirts mit dem Foto von Bettina drucken, um ihre Solidarität zu dem deutschen Mädchen zu zeigen.
Wegen seiner Zivilcourage gegenüber Bettina war der Landwirt und seine Familie nach der Inhaftierung der Peiniger selbst heftigen Drohungen ausgesetzt. Die Familienangehörigen des Stiefvaters und seiner Ehefrau hätten Cazim M., seine Frau und vor allem den damals 7-jährigen Sohn massiv bedroht. Der Bruder von Milenko M. habe angerufen und gesagt, er würde den Jungen entführen. Auch auf seinem Schulweg wäre das Kind aufgegriffen worden und mit Messern und Fäusten bedroht worden. Aus Angst haben Cazim M., seine Frau und sein Sohn (10) in Deutschland Zuflucht gesucht.
Cazim wohnt mit seiner Familie seit einem Jahr in einer Asylunterkunft im Landkreis Donau-Ries. „Ich rettete die misshandeltet Deutsche, jetzt erhoffe ich mir Hilfe für meinen Sohn,“ appelliert der bosnische Asylbewerber. Bereits seit Mitte Dezember ist der Junge in stationärer psychiatrischen Behandlung in der Kinderklinik in Neuburg. „Er hat Albträume, ein Trauma, er denkt immer die Männer kommen und nehmen ihn mit“, beschreibt der Vater die Situation. Außerdem hätte das Kind hautnah mitbekommen, welchen Gräueltaten das Mädchen in der Nachbarschaft ausgesetzt war.
Anfang Januar hat die Familie ihren Bescheid vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bekommen, mit der Aufforderung Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. „Das haben meine Mandanten aber nicht gemacht. Die Kinderklinik hat bestätigt, dass der Sohn momentan weder reisefähig, noch entlassungsfähig sei“, erklärt der Münchner Rechtsanwalt Ismet Mujakic, der die Familie rechtlich betreut. Er hat deshalb bereits eine Klage gegen die Entscheidung beim Verwaltungsgericht Augsburg eingelegt und einen Eilantrag eingereicht, der allerdings abgewiesen wurde. Außerdem versucht der Anwalt mit einer Petition an den Bayerischen Landtag und an den Bundestag der Familie zu helfen. Mehr als eine Eingangsbestätigung hätte er allerdings von den Parlamenten noch nicht erhalten. „Eine Sachentscheidung wird bestimmt einige Zeit in Anspruch nehmen“, gesteht der Anwalt ein. Ismet Mujakic kritisiert, dass es bei Flüchtlingen aus dem Balkan keine Einzelfallprüfungen vorgenommen werden, sondern die Menschen ohne Berücksichtigung ihrer Fluchtgründe abgeschoben werden. „Ich werde alles tun, was ich kann, um der Familie zu helfen“, so Mujakic.
Mittlerweile sind die Peiniger des Mädchens nach zwei Jahren Haftstrafe wieder auf freiem Fuß. Eine Rückkehr in sein Heimatland ist aus Sicht von Cazim nicht möglich. Er fürchtet, das Ehepaar und dessen Familie werde sich an ihm und seinem Sohn rächen.
Auch ehrenamtliche Helfer haben die schwierige Situation der Familie erkannt und unterstützen die Bosnier. Sie haben bereits den Bayerischen Flüchtlingsrat benachrichtigt, der ebenfalls Hilfe angeboten hat.