Die reiche Geschichte Nördlingens zeigt sich nicht zuletzt in den Bauwerken, die man dort bewundern kann. Jeder, der bereits einmal zu Besuch dort war, stand bestimmt schon einmal staunend vor dem ein oder anderen Gebäude. So mancher wäre vermutlich aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen, wenn er just in diesem Moment gewusst hätte, welche architektonischen oder geschichtlichen Schätze abseits von der bekannten Historie sich noch hinter so mancher Nördlinger Fassade verbergen. Dr. Wilfried Sponsel, der über 20 Jahre Stadtarchivar in Nördlingen war, ehe er 2022 in den Ruhestand ging, blickt in seinem neuen Buch „Nördlinger Hausgeschichte(n)“ hinter die Fassaden der Bürgerhäuser.
Eine Vortragsreihe wird zum Buch
Bereits 2017 startete Sponsel eine Vortragsreihe bei der VHS Nördlingen und erzählte darin seinen Zuhörerinnen und Zuhörern, welche unbekannten Geschichten, Fakten und Anekdoten er zu den Nördlinger Häusern zusammengetragen hatte. Die Vortragsreihe wurde zum Erfolg und konnte zwischen 2017 und 2024 insgesamt zehnmal stattfinden. Als Dr. Wilfried Sponsel 2023 ankündigte, die Vortragsreihe zu beenden, habe ihn Peter Schiele, der stellvertretende Präsident des Bezirkstags Schwaben, auf die Idee gebracht, aus der Serie ein Buch zu machen, erinnert sich Dr. Sponsel. Diese Idee hat der ehemalige Stadtarchivar aufgegriffen und letztlich zusammen mit Rüdiger Wagner umgesetzt. In rund einem Jahr entstand so ein umfassendes Werk. „Wir haben in der letzten Phase beinahe jeden Tag am Buch gearbeitet. Natürlich gab es aber auch Durststrecken“, erzählt Wilfried Sponsel vom Entstehungsprozess des Buches.
Neben interessanten Texten überzeugt das Buch auch durch viele aussagekräftige Bilder – auch aus vergangenen Tagen. „Wir haben irres Bildmaterial bekommen“, so Sponsel. Man hätte noch ewig weitermachen können, weil andauernd neue Bilder entdeckt wurden. „Irgendwann haben wir dann einen Schnitt machen müssen“, so Dr. Wilfried Sponsel. Besonders beeindruckt haben ihn Bilder vom früheren Freibad in Nördlingen, dem Egerbad oberhalb der Bergmühle. „Diese Bilder waren mir bis dahin noch nie untergekommen“, erzählt Sponsel. Das sei „sensationell“ gewesen, zeigt sich Dr. Wilfried Sponsel auch heute noch begeistert. Zudem hätten ihm viele Hausbesitzer großzügig Zugang zu ihren Bürgerhäusern gewährt. Dort hat er wahre Schätze in Form von Stuckdecken, barocken Deckengemälden oder schon fast vergessenen Wandgemälden entdeckt und mit seinem Buch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht,
Generationenleistung
Das Zusammentragen der Geschichten, Fakten und Anekdoten will Sponsel aber nicht nur als seinen Verdienst verstanden wissen. Vielmehr seien auch die Daten, die im Stadtarchiv über die letzten 20 Jahre erarbeitet wurden, in das Buch geflossen. Es seien auch die früheren Stadtarchivare Dr. Gustav Wulz und Dr. Dietmar-Henning Voges gewesen, die einen wesentlichen Beitrag zu dieser Sammlung beigetragen hätten, betont Wilfried Sponsel. Und auch das Buch von Georg Monninger „Was uns Nördlinger Häuser erzählen“, das vor über 100 Jahren veröffentlicht wurde, würdigt Sponsel als „wegweisend für die Forschung über Nördlingen“ und „inspirierend“.
Vom Heiligen Franziskus bis ins Nördlinger Nachtleben
Das Buch spannt auf seinen gut 420 Seiten einen großen Bogen vom Heiligen Franziskus darüber, wo Napoleon einst übernachtete, und erzählt davon, dass im Sixenbräustüble vor 150 Jahren die Nördlinger Gewerbebank gegründet wurde. Die Leserinnen und Leser erfahren zudem, dass die vor allem bei Volksmusikfans bekannte Moderatorin Carolin Reiber verwandtschaftliche Verhältnisse nach Nördlingen hat und auch von einem Kuppelei- Skandal, der sich in den 1960er-Jahren Nördlingen zugetragen hat und über den sogar ein Boulevardmagazin berichtete.
Da das Buch ohne finanzielle Unterstützung nicht möglich gewesen wäre, so Sponsel, habe man sich Sponsoren gesucht. Diese sind allerdings so charmant in eigenen Kapiteln und, sofern möglich, mit einer eigenen geschichtlichen Besonderheit in das Buch eingewoben, dass das kaum auffällt.
Ein weiteres „Spezial-Kapitel“, neben vielen Einschüben zur Nördlinger Geschichte, ist das Kapitel 12, in dem Nördlingens Alt-Oberbürgermeister Paul Kling ein Stück Familien und Lebensgeschichte von sich preisgibt, indem er über seinen Schulweg, den er in den Jahren 1942 bis 1954 zurücklegte, berichtet und den Leserinnen und Lesern so Einblick in eine heute weitgehend verloren gegangene Lebenswelt gibt.
Von Gewinnen und Verlusten
Das Buch kann auch als eine Art Bilanz verstanden werden. Denn hier hat Dr. Wilfried Sponsel ausführlich zusammengetragen, welche Gewinne und Verluste es in Bezug auf die historischen Gebäude in Nördlingen gibt. „Wir haben Gewinne, weil in Nördlingen sehr viel restauriert oder sogar in den Ursprungszustand zurückversetzt wurde. Noch reicher wären wir allerdings, wenn es Gebäude wie die Synagoge oder das Nördlinger Hafenhaus noch gäbe“, so Dr. Sponsel. Gerade wegen solchen Verlusten müsse man froh sein, dass es in Nördlingen noch Leuchttürme wie die Frickhinger`sche Apotheke mit ihren reichen Stuckdecken oder das Schmidtmayer`sche Haus mit seinen Elementen aus unterschiedlichen Epochen gebe.
Limitierte Auflage
Insgesamt 2 400 Stück haben Sponsel und Wagner bei der Druckerei C.H. Beck in Nördlingen drucken lassen. Dafür haben die beiden auch extra den Eigenverlag Sponsel + Wagner gegründet. Das Buch ist bei insgesamt vier Verkaufsstellen in Nördlingen erhältlich: Bücher Lehmann, Foto Hirsch, Foto Finck, Genussboxen und Tourist-Information Nördlingen.