Landgericht Augsburg

Hepatitis-C-Prozess: Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Haft

Nachdem am heutigen Donnerstag die Schlussplädoyers verlesen wurden, wird das finale Urteil kommenden Freitag erwartet. Bild: Thomas Oesterer
Im Prozess um den Mediziner, der im Donauwörther Krankenhaus 51 Patienten mit Hepatitis C infiziert hatte, wurden heute die Schlussplädoyers gehalten. Dabei forderte die Staatsanwaltschaft eine Gefängnisstrafe in Höhe von drei Jahren.

Bevor es am heutigen Prozesstag zu den Schlussplädoyers der Staatsanwaltschaft, der Nebenkläger und der Verteidigung kam, stand noch einmal die Vergangenheit des Angeklagten - vor allem sein Leben im Iran - im Fokus, auch wenn der 60-jährige Arzt dies selbst nicht unbedingt wollte. Demnach sei für den Angeklagten, der mit sechs Geschwistern in Teheran aufgewachsen war, Bildung der einzige echte Weg aus seinem dortigen Leben gewesen, auch wenn ihm das zunächst untersagt worden sei. Weil sich der Angeklagte und zwei seiner Schwestern nach dem Abitur in der Opposition gegen das damalige Regime engagierten, wurde ihnen später der Zugang zur Universität verwehrt. In diesem Zusammenhang war auch von einem dreiwöchigen Gefängnisaufenthalt im Iran, Folter und dem Einsatz im Iran-Irak-Krieg die Rede. Traumata, die trotz der Auswanderung nach Deutschland 1986 und dem späteren Medizinstudium an der LMU in München nie richtig aufgearbeitet worden seien, so zumindest die Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Johannes Weiss-Brummer.

Angeklagter zeigt sich reumütig

Entsprechend und unter Berücksichtigung der Krankheitsgeschichte des Angeklagten empfahl Gutachter Weiss-Brummer auch eine Einweisung in eine Drogen-Entzugs-Klinik anstatt einer Gefängnisstrafe. Er argumentierte damit, dass der Mediziner die zahlreichen Taten unter massivem Drogeneinfluss begangen habe. Demnach habe der Angeklagte zunächst begonnen, seine Depressionen und körperlichen Schmerzen durch Tilidin und später dann durch das Spritzen von Sufentanil zu lindern. Dabei sei er in eine Negativspirale gekommen, an dessen Ende ein enormer Sucht- und Kontrolldruck stand. Wie sehr den Angeklagten seine Taten noch heute belasten, stellte er am heutigen Prozesstag emotional dar. "Ich wollte immer nur helfen und dass meine Patienten gut versorgt sind und sich nach der Narkose wohlfühlen. Dabei habe ich mich selbst stark unter Druck gesetzt und meine eigene Gesundheit vernachlässigt. Nie hätte ich gedacht, dass ich in eine solche Spirale nach unten geraten würde", so der Mediziner, der in der Zwischenzeit seine Approbation freiwillig zurückgegeben hat und weiter: "Das Ganze ist ein Albtraum, der mich wohl nie wieder loslässt und mein ganzes Leben beschäftigen wird. Ich weiß nicht, ob es mir gelingt, mit mir selbst Frieden zu finden. Zumindest gibt mir der Prozess die Möglichkeit, mich intensiv mit meinen Taten auseinander zu setzen und mich bei meinen Opfern zu entschuldigen. Dafür bin ich sehr dankbar."

Nebenklagevertreter bewertet Taten anders

Anders als der psychiatrische Gutachter und auch als der Angeklagte selbst bewertete Staatsanwalt Philip Kramer die Situation. Er warf dem 60-Jährigen vor "skrupellos gehandelt und das Wohl der Patienten mit 'versifften Spritzen' ganz bewusst gefährdet zu haben". Die Patienten seien, so der Staatsanwalt, "arg und wehrlos ausgeliefert gewesen". Außerdem bezeichnete Kramer die Einlassungen der vergangenen Wochen als "unglaubwürdig" - auch deshalb, weil der Angeklagte diese immer wieder geändert und an den Stand des Verfahrens angepasst habe. In der Gesamtheit der 51 Fälle forderte die Staatsanwaltschaft deshalb eine Freiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren und ein lebenslanges Berufsverbot. Ein Strafmaß, dem sich zwei der drei Nebenkläger anschlossen. Einzig Nebenklägervertreter Roland Aigner bewertete die Situation anders: Er kam mit seiner Auslegung - zur Überraschung aller Beteiligter - sogar der Verteidigung entgegen und brachte eine Verurteilung wegen fahrlässiger anstelle von vorsätzlicher Körperverletzung ins Spiel.

Verteidigung hofft auf Bewährungsstrafe

Genau darauf zielte auch die Verteidigung durch Rechtsanwalt David Herrmann hab. Natürlich, so Herrmann, müsse sich sein Mandant den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung anlasten lassen. Vorsätzlich sei dies aber in keinem Fall geschehen. Deshalb bat er um ein "mildes Urteil, das zur Bewährung ausgesetzt wird". Als Bewährungsauflagen empfahl er eine Fortführung der Therapie und eine Überwachung des Therapieverlaufs. Auch nach Ende des Prozesstages bekräftigte Verteidiger Hermann noch einmal seine Sichtweise. "Ich bin der Meinung, dass für meinen Mandanten eine Freiheitsstrafe wohl unumgänglich sein wird, das hat die Kammer aufgrund der Vielzahl der Fälle schon durchblicken lassen. Ich hoffe aber, dass diese Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird und erlaube mir, das einmal ganz salopp auszudrücken: Eine Freiheitsstrafe bringt ja niemanden etwas, mein Mandant ist selber krank, braucht Hilfe und muss gesund werden.

Wie das Gericht den Tatbestand bewertet, wird sich final am 30. Juni 2023 zeigen. Dann wird die 3. Strafkammer des Landgerichts Augsburg das Urteil verkünden.