„Sie leben Inklusion vor“, Bezirk Schwaben würdigt ehrenamtliches Engagement im Sozialbereich mit dem Preis „Miteinander“.
Augsburg - „Vieles von dem, was unsere Gesellschaft prägt und menschlich macht, findet ganz selbstverständlich und im Stillen statt“, betonte Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert nun bei der Verleihung des Ehrenamtspreises „Miteinander“ des Bezirks Schwaben. Mit der Auszeichnung wolle der Bezirk Initiativen und Menschen würdigen und herausheben, „die ohne viel Aufhebens, aber mit viel Herz und Engagement einfach so für andere da sind - sie sind es, die unseren Alltag so lebenswert machen.“
Alle zwei Jahre zeichnet der Bezirk Initiativen und Projekte im sozialen Bereich aus, die sich in besonderer Weise ehrenamtlich um Menschen mit Behinderung, pflege- und hilfebedürftige ältere Personen oder auch Kranke kümmern. Erstmals wurde 2017 zudem ein „Best-Practice-Preis“ ausgelobt, mit dem ein Projekt, das aus dem hauptamtlichen Umfeld der Sozialarbeit kommt, gewürdigt werden soll.
Mit dem 1. Preis und damit mit 3.000 Euro wurde der Rieser Naturschutzverein e. V. ausgezeichnet. Seit 23 Jahren beteiligen sich an den herbstlichen Einsätzen zur Landschaftspflege auch Bewohner der Wohnheime der Lebenshilfe Donau-Ries. Sie sorgen an den Tagen, an denen man in der Landschaft arbeitet, für die Verpflegung der aktiven Umweltschützer - oft bis zu 70 Personen - mit Speis und Trank. Beide Gruppen verbindet ein enges Verhältnis, man feiert auch zusammen Feste, geht gemeinsam auf Veranstaltungen. „Es ist ein kleines, aber sehr besonderes Projekt“, betont Volkmar Thumser, Bezirksrat (SPD) und Behindertenbeauftragter des Schwäbischen Bezirkstages. „Die Jury hat sich dafür entschieden, weil es anderen Vereinen in ganz Schwaben zeigt, wie einfach es sein kann, Menschen mit Behinderung teilhaben zu lassen“, so Thumser.
Der mit 1.500 Euro dotierte 2. Preis geht 2017 an den Verein „kennen und verstehen e.V.“ im Landkreis Aichach-Friedberg. „Als diese Initiative vor 20 Jahren ins Leben gerufen wurde, war das durchaus etwas Ungewöhnliches“, so Jurymitglied Kerstin Asmussen von der Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen in Augsburg. Das Besondere an diesem Engagement sei: „kennen und verstehen“ arbeite ehrenamtlich in einem nicht einfachen gesellschaftspolitischen Feld. „Und es ist ein Verein, in dem sich Betroffene, Angehörige, Interessierte und Profis gemeinsam um die Sache kümmern - also ein Bürgerverein im besten Sinne.“ Als Träger eigener Selbsthilfegruppen, als Veranstalter der Psychiatrietage im Landkreis, die alle zwei Jahre stattfinden und als Ansprechpartner für alle Belage in diesem Bereich sei der Verein nicht mehr aus dem sozialpsychiatrischen Angebot wegzudenken.
Der 3. Preis und damit verbunden 750 Euro ging heuer nach Kempten: Anerkannt wurde das außerordentlich hohe Engagement der Bewohnervertretung im Integrierten Wohnen (IWO), einer Wohnanlage des kommunalen Wohnungsunternehmens „die Sozialbau“. Durch zahlreiche gemeinsame Aktivitäten sorge die ehrenamtlich aktive Bewohnervertretung für ein hervorragendes Miteinander der rund 150 Bewohner im IWO, das mit dem Motto „Das bunte Leben in der Brennergasse“ tatsächlich sehr gut beschrieben sei, so Gertrud Kreutmayr, Leiterin der Sozialverwaltung des Bezirks Schwaben und Jurymitglied. Gemeinsames Erleben werde großgeschrieben. Ganz selbstverständlich sei es dabei, dass Menschen mit Behinderung mit dabei seien, dass alle Aktivitäten so geplant werden, dass niemand ausgeschlossen werde „Dieses hohe Engagement der Bewohnervertretung, das wesentlich dazu beiträgt, dass das Integrierte Wohnen in Kempten eine Vorbildfunktion in Sachen Nachbarschaftshilfe und gelebter Inklusion einnimmt, soll ausdrücklich gewürdigt werden“, so Kreutmayr.
Erstmals vergab der Bezirk Schwaben 2017 zudem neben den „Miteinander“- Ehrenamtspreisen eine „Best-Practice-Anerkennung“. Damit sollen Projekte und Angebot öffentlich gewürdigt werden, die aus der hauptamtlichen Arbeit heraus entwickelt wurden.
Die diesjährige Anerkennung ging an ein Praxisprojekt, das junge Menschen und Menschen mit Behinderung auf besondere Art zusammenbringt. Der Anstoß dafür kam - und dies ist die Besonderheit - aus der freien Wirtschaft. Das Unternehmen „Rohde & Schwarz Messgerätebau GmbH Memmingen“ suchte einen Kooperationspartner im sozialen Bereich für ein Projekt für die Auszubildenden in der Firma. Gesucht und gefunden: Bei den Offenen Hilfen bei Regens Wagner in Memmingen. Mit Unterstützung weiterer Akteure, unter anderem dem Behindertenbeirat der Stadt Memmingen und der kommunalen Behindertenbeauftragten Nicola Theim, wurden viele Ideen für ein Begegnungsprojekt von Auszubildenden und Menschen mit Behinderung entwickelt. Idee und Ziel war es, im Sinne der Inklusion Menschen mit Behinderung und junge Menschen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, zusammenzubringen und durch gemeinsame Aktivitäten Berührungsängste auf beiden Seiten abzubauen.
22 Auszubildende aus dem 2. Lehrjahr von „Rohde & Schwarz Messgerätebau GmbH Memmingen“ waren von November 2015 an mit viel Engagement dabei. Alles begann mit einem Vortrag zum Thema „Menschen mit Behinderung“. Was dann folgte, war selbst für die Initiatoren erstaunlich: So besuchten die Azubis unter anderem bei Regens Wagner Lautrach die Wohngruppen, die Förderstätte und die Werkstatt, um mehr über den Alltag ihrer neuen Bekannten zu erfahren, im Gegenzug lernten die Regens Wagner-Teilnehmer die Produktion von Rohde & Schwarz kennen.
„Die Begegnung von so anfangs so unterschiedlichen Gruppen, vor allem aber auch das intensive Kennenlernen bei gemeinsamen Projekten: Das war nach Urteil der Jury ein hervorragendes Best-Practice-Beispiel für Inklusion, das durch das hohe Engagement der Mitarbeiter bei Regens Wagner, durch den Behindertenbeirat, aber auch durch die Offenheit der Verantwortlichen bei Rohde & Schwarz entstehen konnte“, würdigte Bezirksrat Wolfgang Bähner das Engagement. „Ein Vorbild hoffentlich auch für viele weitere Unternehmen im schwäbischen Raum.“ (pm)