Bücher und Filme beschäftigen sich schon länger mit der sogenannten Alternative History. So gibt es Serien, die der Frage nachgehen, was gewesen wäre, wenn die Nationalsozialisten den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätten. Dr. Bastian Vergnon wählt dagegen einen regionalen Fokus. So beschäftigt er sich auch im Landkreis Donau-Ries mit den Ereignissen, die dort hätten anders ausgehen können als in der realen Geschichte.
Wichtige Wendepunkte während des Dreißigjährigen Krieges
„Die Geschichte vor Ort ist für die Menschen viel greifbarer als die große Weltgeschichte. Außerdem ist sie öfter als gedacht mit bedeutenden Ereignissen verbunden,“ erklärt der Regensburger Historiker die Motivation seiner Forschung. Deren Ergebnisse veröffentlicht er in einem Online-Blog.
Dies trifft insbesondere auf Donauwörth und Nördlingen zu, wie er in seinem Beitrag „14 Punkte, an denen die Geschichte von Bayerisch-Schwaben anders gelaufen wäre“ herausgefunden hat. Vor allem vor und während des Dreißigjährigen Krieges entschied sich die Geschichte von Deutschland und Europa im Landkreis Donau-Ries.
So gelten die „Kreuz- und Fahnengefechte“ in Donauwörth als einer der Auslöser des verheerenden Konfliktes. Bastian Vergnon stellt hier die Frage, was gewesen wäre, wenn 1607 nicht der katholische Bayernherzog die darauffolgende Reichsacht ausgeführt hätte. Denn eigentlich war der protestantische Herzog von Württemberg zuständig. „Er hätte sich sicher leichter getan, mit der protestantischen Reichsstadt zu verhandeln“, erklärt Bastian Vergnon. Es wäre in jedem Fall nicht zu einer Rekatholisierung von Donauwörth gekommen. Dies rief bei den protestantischen Mächten dieser Zeit Ängste vor den Katholiken hervor und verschärfte die Spannungen vor dem Dreißigjährigen Krieg.
Dieser Konflikt entschied sich wenige Jahre später kurzzeitig vor Nördlingen in der „Schlacht auf dem Albuch“. 1634 belagerte ein katholisches Heer die Stadt und die Bewohner überlegten, sich zu ergeben. Erst als es den zur Unterstützung heraneilenden Schweden gelang, einen Brief mit dieser Information nach Nördlingen zu schmuggeln, entschloss sich der Stadtrat zum weiteren Widerstand. Doch was wäre gewesen, wenn die Stadt sich ergeben hätte? „Eventuell wäre es nicht zur Schlacht am Albuch gekommen", meint Bastian Vergnon. Denn um den Fall von Nördlingen zu verhindern, griffen die Schweden an, ohne auf Verstärkungen zu warten. Das Ergebnis war eine vernichtende Niederlage und ein vorübergehendes Übergewicht der Katholiken im Krieg. „Das zeigt, dass regionale Entscheidungen Einfluss auf die große Geschichte haben", folgert Bastian Vergnon.
Wie würden Donauwörth und Nördlingen heute aussehen?
Doch wie würden Donauwörth und Nördlingen dann heute aussehen? „Das ist kaum vorauszusehen, denn wir sprechen hier von einem Zeitraum von fast 400 Jahren", so Dr. Bastian Vergnon. Er rät aber von Wunschdenken ab. Ob sich zum Beispiel Donauwörth als freie Reichsstadt besser entwickelt hätte als unter bayerischer Herrschaft, ist unsicher. Als Beispiel führt er seinen Wohnort Regensburg an. Obwohl die Stadt bis Anfang des 19. Jahrhunderts freie Reichsstadt blieb, entwickelte sie sich in den 400 Jahren zuvor kaum weiter.
Theoretisch einfacher ist es bei aktuelleren Ereignissen: So wäre Nördlingen mit seiner Altstadt am Ende des Zweiten Weltkriegs fast von der Wehrmacht verteidigt und von den US-Amerikanern schwer bombardiert worden. Erst Verhandlungen von zwei Verteidigern führten dazu, dass die Altstadt den Krieg unbeschadet überstand. „Ansonsten hätte Nördlingen heute nicht seine historische Stadtmauer und die Gebäude darin als Wahrzeichen", denkt Bastian Vergnon. Endgültige Antworten gibt es in der Alternative History - wie auch in der realen Geschichte - aber nie. Deshalb forscht er weiter nach ähnlichen Ereignissen in der Geschichte, auch in der Alternative History von Bayerisch-Schwaben. (pm)