Man hätte das Fallen einer Stecknadel hören können, so fasziniert lauschten die Zuhörer in gleich drei Vorträgen den sehr persönlichen und emotionalen Schilderungen Jens Hases über dessen Kindheit und Jugend in der DDR, den Ereignissen im Wendeherbst 1989 und über seine Flucht über die Prager Botschaft nach Bayern. Hase, der heute in Günzburg lebt und gut behütet in einem systemkritischen Elternhaus aufgewachsen ist, beschreibt eindrücklich, wie er erkennen musste, dass sein Staat gegen seine eigenen Bürger vorging: So zum Beispiel, als der gebürtige Eisenacher bei einem Michael Jackson Konzert, das auf der Westseite des Brandenburger Tores stattfand, zusammen mit anderen Jugendlichen von der Volkspolizei mit Stromknüppeln vertrieben wurde oder wie unmenschlich er bei der Ausreise seiner Eltern aufgrund des gesundheitlichen Zustandes seines Vaters am Bahnsteig von ihnen getrennt wurde. Als er kurz darauf im Westfernsehen die vielen Ostdeutschen sah, die über Ungarn flohen, „hat es bei ihm Klick gemacht“, so Hase.
Die gefährliche Reise begann
Der damals 19-Jährige packte hastig ein paar Sachen zusammen und machte sich auf den Weg nach Prag. Gebannt verfolgten die Schüler, die fast im gleichen Alter sind wie Hase damals, welche Schikanen er dabei über sich ergehen lassen musste, wie er aber auch immer wieder neuen Mut fasste und es letztendlich nach quälend langen Stunden des Umherirrens in der tschechischen Hauptstadt und Flucht vor tschechischen Polizisten mit Gewehr im Anschlag über den Zaun in den Schlamm der Prager Botschaft schaffte. „Man konnte wirklich mitfühlen, alles schien so nachvollziehbar und authentisch“, erklärte Schülersprecherin Vera Schmitz nach dem Vortrag. Als Hase das Video mit dem langersehnten, wohl bekanntesten Halbsatz der deutsch-deutschen Geschichte Hans-Dietrich Genschers „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise…“ zeigt, der im Jubel der Flüchtlinge unterging, stehen nicht nur Hase Tränen in den Augen. Doch auch die Ausreise in die BRD wurde für den „Botschaftsbesetzer“ - so der ihm von der Stasi verliehene Titel, auf den Hase sehr stolz ist – zu einem Wechselbad der Gefühle, denn der Zug in die Freiheit musste durch DDR-Gebiet fahren. "Anfangs wollte ich auf keinen Fall einsteigen, da war die Angst sofort wieder da." Das ging auch den anderen so, insbesondere als Stasi-Mitarbeiter in den Zug kamen und die Ausweise der DDR-Bürger einsammelten. Als er in Hof mit der Lautsprecherdurchsage „Willkommen in freien Teil Deutschlands“ begrüßt wurde, war Hase überglücklich, seine Reise jedoch noch nicht zu Ende. Mit Hilfe der dortigen Bahnhofsmission konnte er glücklicherweise die Telefonnummer seiner Eltern in Erfahrung bringen. Der Günzburger, der sich heute am BBZ um die Ausbildung Jugendlicher kümmert und ehrenamtlich für die die Polizei mit Jugendlichen arbeitet, beschreibt weiter seine Fahrt über das Gießener Aufnahmelager und Augsburg nach Krumbach, die ersten Monate in Freiheit und seine oft sehr lustigen Erlebnisse bei der „Integration“ in Schwaben.
Ein fesselndes Schicksal
Jens Hase machte die Geschehnisse des Jahres 1989 so lebendig, dass die Schüler und Zuhörer noch viele Fragen stellen und lange intensiv diskutieren, auch darüber, ob alles schlecht war in der DDR, wie es zu den Wahlergebnissen im Osten kommt, warum auch 30 Jahre nach dem Mauerfall noch eine Trennung zu spüren ist. Was er sich wünschen würde, so Jens Hase abschließend, ist dass wir uns in diesen Tagen, in denen die Bilder des Mauerfalls so präsent sind, wieder mehr an das erinnern, was uns eint und mehr von dieser Zuversicht und diesem Optimismus auch heute leben.(pm)