Mitgliedversammlung

Frauenhaus Nordschwaben: Neues Konzept in Nördlingen

Die Vorstandschaft v.l.n.r: Ursula Kneißl-Eder, Traudi Kappeler, Heidemarie Altstetter, Karin Mener, Julia Frey und Maja Pauer. Nicht auf dem Bild: Evelin Peeters-Dehlau. Bild: Mara Kutzner
Als zweite Einrichtung in ganz Bayern wird das Frauenhaus Nordschwaben zu einem "Haus mit bekannter Adresse". Was hinter dem neuen Konzept steckt und warum es Frauen und Kinder besser schützen soll

117 Mal musste das Frauenhaus Nordschwaben im vergangenen Jahr wegen mangelnder Plätze betroffene Frauen an andere Häuser oder an die Polizei verweisen. "Das ist zu viel!", sagt Ursula Kneißl-Eder, stellvertretende Vorsitzende vom Verein "Projekt Frauenhaus" - Hilfe bei Gewalt an Frauen und Kinder e.V.

Der Verein traf sich kürzlich in Nördlingen zur Mitgliederversammlung. Die Neuwahl des Vorstandes war dabei reine Formsache. Maja Pauer wurde als Vereinsvorsitzende bestätigt, Ursula Kneißl-Eder und Karin Mener als ihre Stellvertreterinnen. Mener bleibt außerdem Kassiererin. Im Amt der Schriftführerin wurde Julia Frey bestätigt. Zu Beisitzerinnen wurden Heidemarie Altstetter, Evelin Peeters-Dehlau und Traudi Kappeler gewählt. 

Im Fokus der Versammlung standen allerdings nicht die Neuwahlen, sondern vielmehr die Vorstellung des neuen Frauenhaus-Konzepts. Bisher bietet das Haus fünf Plätze für Frauen mit ihren Kindern an. Mehr als die Hälfte der Frauen bleibt 3 bis 6 Monate im Haus. "Das ist viel zu lange, aber sie finden keine Wohnung", so Kneißl-Eder. Weil Frauen, die einen Neuanfang wagen, keinen bezahlbaren Wohnraum finden, sind Neuaufnahmen oft nicht möglich. Dabei werden die Plätze so dringend benötigt. Die Kriminalstatistik aus dem Jahr 2021, die bei der Mitgliederversammlung ebenfalls Thema war, spricht Bände. So wurde in ganz Deutschland fast jeden dritten Tag eine Frau getötet. Jede Stunde erleiden durchschnittlich 13 Frauen Gewalt in der Partnerschaft und beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Ex-Partner eine Frau zu töten. Jede dritte Frau in Deutschland ist von einer Gewalttat, einem sexuellen Übergriff und/oder Vergewaltigung betroffen. 

Frauenhaus Nordschwaben wird zum Haus mit "bekannter Adresse"

Das jetzige Objekt, in dem Frauen aus den Landkreisen Donau-Ries und Dillingen aufgenommen werden, kann aufgrund Renovierungsstau und Brandschutzauflagen nicht mehr sinnvoll genutzt werden. Die Isolierung fehle, die Heizkosten sind immens, es bilde sich Schimmel und fünf Frauen, ihren Kindern und den Mitarbeiterinnen stehen nur ein Bad und zwei WCs zur Verfügung, erläutert die Vorsitzende Maja Pauer. Außerdem ein Problem: Im jetzigen Haus leben weitere Mieter, die Sicherheitsanforderungen können nicht umfassend erfüllt werden. Ein Umzug ist längst überfällig!

Als zweites Frauenhaus in ganz Bayern will das Frauenhaus Nordschwaben nun einen völlig neuen Weg einschlagen. Mit dem Standortwechsel wird auch das ganze Konzept der Einrichtung zeitgemäß angepasst. Ab Herbst 2023 bezieht der Verein ein Gebäude in Nördlingen. Ganz bewusst hat man sich für den Standort entschieden, denn hier könne man den Frauen mehr Sicherheit, mehr Platz und mehr Möglichkeiten anbieten. Größte Veränderung dabei ist, dass um die Adresse des Hauses nicht länger ein Geheimnis gemacht wird. Bislang ist es kaum mehr Menschen als den Mitarbeiterinnen, den Helferinnen und den Bewohnerinnen bekannt, wo sich die Einrichtung befindet. Nun soll das Frauenhaus ein "Haus mit bekannter Adresse werden". 

Die Verantwortlichen betonen in diesem Zusammenhang aber, dass die Einrichtung weder ein öffentliches Haus werden soll noch die Adresse im Internet veröffentlicht wird. Die Frauen und die Kinder müssen aber kein Geheimnis darum machen, wo sie wohnen. Die Frauen können die Adresse als Postanschrift verwenden, Kinder dürfen ihren Freunden erzählen, wo sie nach der Schule hingehen. Am wichtigsten dabei ist, dass niemand unkontrolliert ein- und ausgehen kann. 

Gewaltproblematik soll enttabuisiert werden

Der Vorstand sowie die Mitglieder stehen hinter dem neuen Konzept, denn man möchte durch die Sichtbarkeit helfen, Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen. "Ein bekannter Standort wirkt positiv auf das Selbstbewusstsein und die Eigenverantwortung der Frauen", so Pauer. Durch die bekannte Adresse soll die Gewaltproblematik enttabuisiert werden und in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen werden. Die Frauen sollen in der Mitte der Gesellschaft ankommen, und nicht als Außenseiter gebrandmarkt dastehen. 

Schutz und Scherheit in einer öffentlich bekannten Einrichtung

Nicht alle im Verein waren sofort von der Idee einer bekannten Adresse überzeugt, denn wie lassen sich Schutz und Sicherheit mit einer öffentlich bekannten Einrichtung vereinbaren? Maja Pauer erklärt die Planungen für das neue Mitobjekt: Der Eingang und das Grundstück werden videoüberwacht und der Zugang geschieht über eine Eingangsschleuse mit zwei gesicherten Türen. Die Fenster im Erdgeschoss werden ebenfalls gesichert und ein Sichtschutzzaun in Höhe von zwei Metern bietet ebenfalls Sicherheit. Der Wohnbereich der Frauen und Kinder ist im 1. Obergeschoss sowie im Dachgeschoss. Beide Geschosse werden ebenfalls durch Türen gesichert. Im Erdgeschoss befinden sich lediglich die Büros der Mitarbeiter*innen. Außerdem steht der Verein bereits jetzt in enger Kooperation mit der Polizei - auch hier stieß das neue Konzept auf positive Resonanz. 

Spenden und Mithilfe

Vereins- und Spendenkonto: 

Projekt Frauenhaus e.V., Raiffeisen-Volksbank Ries eG, IBAN: DE82 7206 9329 0000 1190 45, BIC: GENODEF1NOE

Wer ehrenamtlich mitarbeiten möchte erreicht den Verein hier: www.frauenhausnordschwaben.de