Integration

"Diese Familie ist in Deutschland angekommen" 

Fabienne Kroiss, Sozialpädagogin und Integrationsberaterin des Augsburger Diözesan-Caritasverbandes, unterstützte, beriet und begleitete das Ehepaaar P. aus Südafrika von Anfang an. Sie ist froh, dass trotz aller Schwierigkeiten deren Familie heute ihren Platz in Donauwörth gefunden hat. Bild: Caritas Augsburg / Bernhard Gattner
Ein erfolgreiches Beispiel zur OECD-Studie 2024 zur Integration von Flüchtlingen in Deutschland - Diözesan-Caritasdirektor Müller: Jeder Mensch hat das Recht auf Entfaltung seiner Würde als Mensch.

Was tut man als Mann, wenn die eigene Familie immer wieder überfallen wird und es keinen polizeilichen Schutz gibt? Wenn die Tage von Angst geprägt sind, die Arbeit begleitet wird von der Sorge um die Kinder und die Frau? Jaques P. (49), ein gebürtiger Kongolese, verließ mit seiner Familie Südafrika, wo seine Landsleute aus seinem ursprünglichen Heimatland ihm das Leben zur Tortur gemacht hatten. Er lebt nun mit seiner Familie seit 2019 in Donauwörth. Er arbeitet als ehemaliger Kühltechniker nun als technischer Mitarbeiter in einer Druckerei. Seine Frau Irene P. (55), die schon in Südafrika als Pflegekraft gearbeitet hatte, ist heute eine geschätzte Kollegin im Donauwörther Bürgerspital. Zudem arbeiten beide, um ihr Einkommen zu verbessern, in einem Minijob in einem Hotel in Donauwörth. Ihre Kinder gehen in die Schule. Ihr Jüngster brachte soeben eine Note 1 in Deutsch nach Hause. 

„Wir sind dankbar, dass wir hier leben und arbeiten können“

Diese Familie bestätigt damit den jüngsten Bericht der Industriestaaten-Organisation OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Integration) zum „Stand der Integration von Eingewanderten“. Deutschland schneide in diesem Bericht bei der Integration von Flüchtlingen gut ab. 

Diözesan-Caritasdirektor Diakon Markus Müller freut sich mit der Familie über deren Integration. „Das ist für sie wichtig, aber auch für die Gesellschaft. Dabei ist unbestritten, dass auch die einheimische Gesellschaft sich öffnen muss und Möglichkeiten zur Integration schaffen muss“, so Müller. „Als Caritas und Kirche stehen wir dafür ein, dass jeder Mensch – egal woher er kommt – eine einzigartige Würde vor Gott und den Menschen und damit das Recht zur Entfaltung dieser Würde hat. Dazu gehört es auch, arbeiten zu können, denn Arbeit gehört zum Wesen des Menschen.“ 

„Wir sind dankbar, dass wir hier leben und arbeiten können“, sagen Irene und Jaques P. Doch dies zu erreichen machten die Behörden alles andere als einfach. Die Asylanträge waren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zunächst abgeschmettert worden. Fabienne Kroiss, Sozialpädagogin und Integrationsberaterin des Augsburger Diözesan-Caritasverbandes, schaltete sich damals ein. „Dem Gericht war der Krankheitszustand der Familie nicht bekannt.“ Beide Eltern wie auch die Kinder litten unter posttraumatischen Belastungsstörungen seit den Überfällen in Südafrika. Beide mussten deshalb in die Klinik eingeliefert werden. Auch die Kinder brauchten Betreuung. Kroiss half und vermittelte der Familie eine therapeutische Betreuung. Heute wirken beide für Außenstehende stabil. „Damals wollte ich mit meiner Familie aus dieser ständigen Angst in Südafrika ausbrechen“, sagt Jaques P. Ganz gelungen ist es ihm allerdings bis heute nicht. Nachts, wenn er aufwacht, ist sie immer wieder da.

„Mit der Familie in der Flüchtlingsunterkunft zu leben, war nicht gut für uns alle"

Jaques und Irene P. sind der Caritas-Beraterin „von Herzen“ dankbar, dass sie immer ein offenes Ohr für ihre Probleme und Fragen hatte und hat. Auch vor Gericht hatte Kroiss schon geholfen. Sie hatte dafür gesorgt, dass beide die ärztlichen Gutachten vorliegen konnten. Die beiden Neu-Donauwörther nutzten das nicht aus. Von Anfang an war für sie klar, „wir müssen uns selbst anstrengen, um uns hier zu integrieren“. 

Irene P. wurde der Sprachkurs genehmigt. Ihm nicht. Er erlitt einen psychischen Zusammenbruch. Die Angst, zurück in die Welt der Angst kehren zu müssen, hatte ihn erfasst. Doch letztlich gab er nicht auf. Er suchte selbst einen Sprachkurs und bezahlte ihn auch selbst. Ein Grund für seine Entscheidung war: „Mit der Familie in der Flüchtlingsunterkunft zu leben, war nicht gut für uns alle. Deshalb fokussierte ich mich darauf alles zu tun, um da herauszukommen.“ „Wir alle wollten alles dafür tun, um uns zu integrieren“, betont auch seine Frau. Auch wenn die deutsche Sprache zu lernen keineswegs einfach ist, auch „versteckte sozialen Regeln“ darin zu erkennen, sprechen heute beide gut Deutsch. Nur wenn man zu schnell spricht, zeigen ihre Augen Fragezeichen an. 

Bevor Irene P. in die Arbeit geht, betet sie zu Gott. Sie dankt für und bittet um Sicherheit nicht nur für ihre Familie, sondern für alle Menschen. Sie ist überzeugt, „dass man besser wird, wenn man zusammenarbeitet und zusammenhält“. Ihre Worte verbergen allerdings eine Enttäuschung. In ihrer Heimat Südafrika seien die Menschen im Allgemeinen zugänglicher. Der nüchterne Deutsche zeige ihrer Beobachtung nach zu sehr eine kalte Schulter. „Ja, wir sind Farbige. Aber wir sind auch Menschen, die genauso gut leben und arbeiten wollen. Dafür tun wir auch alles.“ Wenn sie auf ihre Kinder zu sprechen kommt, mag sie ihre Verwunderung, auch ihre Enttäuschung darüber nicht verhehlen, dass nicht in jeder Schule einheimische und farbige Kinder gleichberechtigt behandelt werden. „Dafür sollten sich die Schulen und die Lehrer mehr einsetzen!“, wünscht sie sich. 

Als 2021 die Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Ablehnung des Asylantrags erfolgreich war, hatten sich auch die Türen dafür geöffnet, arbeiten zu können. „Ich bin Techniker. In Südafrika war ich Ausbilder. Ich habe mich ständig fortgebildet. In der Druckerei, in der ich mich vorstellte, wollte ich die Maschine sehen, ob ich mich damit auskenne. Ja, sagte ich, und so konnte ich zu arbeiten anfangen.“ Irene P. sorgte sich an Schulen und bei Praktika um das nötige Fachwissen wie auch die Kenntnisse der Fachsprache, um als Pflegekraft arbeiten zu können. Das Bürgerspital nahm sie sofort. Die alten Menschen scheinen ihr zugeneigt zu sein. Sie gaben ihr den Spitznamen „Angie“. 

Wenn eine alte deutsche Frau wartet, bis „Angie“ zur Arbeit und in ihr Zimmer kommt, damit sie sterben kann, dann muss wohl auch der letzte Kritiker eingestehen. „Diese Familie ist in Deutschland angekommen“, sagt die Caritas-Beraterin Fabienne Kroiss, die die Familie von Anfang an beraten, begleitet und unterstützt hat.  (dra)

Informationen zur Flüchtlings- und Intgrationsberatung des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg e. V. in Donauwörth:

2023 wurden in der Beratungsstelle im Rahmen der Flüchtlings- und Integrationsberatung 197 Personen mit 395 Familienmitgliedern beraten und im Rahmen der Migrationsberatung Bund 461 Personen mit 651 Familienmitgliedern. Die Hauptherkunftsländer waren Ukraine, Afghanistan, Syrien, Irak und Türkei. Die hohe Zahl an Ratsuchenden beweist in den Augen des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg den Bedarf für die Beratungsstell. Die Flüchtlings- und Integrationsberatung  ist nämlich für die Ratsuchenden von der Ankunft bis zur endgültigen Integration eine verlässliche Anlaufstelle und für viele weitere Themen des Alltags einziger Ansprechpartner.