Traditionell zog zum Konzert-Auftakt das Trommlerkorps unter der Leitung von Michael Fischer von beiden Seiten ein und versammelte sich dann vor der Bühne. Als Höhepunkt zum Jahresende bezeichnete Oberbürgermeister David Wittner das Jahresschlusskonzert, das nach vier Jahren endlich wieder in gewohntem Rahmen in der Hermann-Kessler-Halle stattfand. „Zu allen wichtigen Anlässen spielt die Knabenkapelle“, so Wittner wörtlich. „Wenn die Knabenkapelle nicht dabei war, dann war es auch nicht wichtig!“ In einem kurzen Rückblick ging er u.a. auf die Konzertreise nach Kroatien, das Stabenfest, die Mess', den Oktoberfestumzug und natürlich auf das historische Stadtmauerfest mit dem bewegenden Zapfenstreich ein. Nachdem er sich bei den Gönnern, Spendern und Freunden, stellvertretend dafür bei der Fritz und Lieselotte Hopf Stiftung, sowie den Vertretern der Banken bedankt hatte, sagte er voller Stolz vor den Weihnachts- und Neujahrswünschen, dass die Stadt vielfach um die Knabenkapelle beneidet werde.
Brillanter Einstieg
Das Trommlerkorps spielte den Auftakt zu dem Klassiker „Der alte Dessauer“ von Alvin Franz. Das Stück besticht vor allem durch sein anspruchsvolles Trompetensolo und wird nicht ohne Grund als „Bravourstück für Solotrompete“ bezeichnet. „Wo kommt eigentlich die Trompete her?“ Diese Frage stellten sich viele im Publikum, denn Solist Andre Schneider stand gegenüber des Orchesters ganz oben im Zuschauerrang. Die zahlreichen Fluratti und Tremoli, auch als Flatterzunge bekannt, wurden mit einem begeisterten Applaus honoriert.
Musiker bestimmen Programm
„Das Leben ist kein Wunschkonzert, der heutige Abend aber schon, denn das Programm haben diesmal die Musiker bzw. die Register selbst zusammengestellt“, erklärte Stadtkapellmeister Oliver Körner. So wurde das nächste Musikstück vom kleinsten und leisesten Register ausgesucht, nämlich von ihm selbst, denn „jeder Dirigent hat irgend ein Stück von dem er sagt, das will ich unbedingt mal dirigieren!“ Für Körner war es die „Indiana Jones Selection“ von John Williams. Auch das Holz hatte sich für Filmmusik entschieden. Moderator Jonas Mohr kündigte das Medley „Pirates of the Carribbean“ von Hans Zimmer an, in dem Kazuhiro Morita die Musik aller drei Filme um Kapitän Sparrow für Blasorchester arrangiert hat. Zum Holz zählen die Flöten, Saxophone und Klarinetten. Auch das tiefe Blech, dazu gehören Posaune, Tuba und Hörner, hatte sich Filmmusik gewünscht. Jakob Lange moderierte den nächsten Titel an, „Selections from The Greatest Showman“. Xylophon, Chimes, Glockenspiel in Verbindung mit Querföte, hohem und tiefem Blech lassen die Musik leicht orientalisch und zirkushaft anmuten. Kein Wunder, denn der Film schildert das Leben der Zirkuspioniers P.T. Barnum. Der Song „This is me“, Teil des Soundtracks, wurde übrigens 2018 als bester Filmsong ausgezeichnet.
„fp“ heißt nicht volle Power
Mit einer weiteren kurzweiligen Moderation wurden die Zuhörer*innen nach der Pause mit weiterem Musikwissen versorgt. Angeblich hätte das Orchester die Anweisung fp, erst laut – dann leise, falsch interpretiert und „folle Power“ den Konzert-Marsch „Attila“ gespielt, der auch als ungarischer Triumphtanz bekannt ist. Dieses Missverständnis sei jedoch jetzt aus der Welt.
In der Probenwelt der Knabenkapelle sind die Schlagzeuger durch eine durchsichtige Trennwand getrennt und haben so „ihren eigenen Lebensraum“ in dem gar seltsame Dinge geschehen. Laut Moderator würden Instrumente und Noten auf wundersame Weise verschwinden und nach ein paar Wochen wieder auftauchen. Ein Schlagzeuger muss nicht nur verschiedene Trommeln beherrschen, sondern auch unzählige weitere Instrumente wie Lyra, Glockenspiel oder Xylophon. „Galopp für Xylophon Solo“ lautet der Untertitel des Musikstücks „Erinnerungen an Zirkus Renz“. Solist Alexander Filipovski brillierte in diesem rasanten Arrangement von Ernst Gruner.
Tenorhorn voll im Trend
Sagte man früher „Ich lerne Tenorhorn“ bekam man oft die Frage „Warum?“ oder erntete ein abfälliges „Aha“. Seit fünf Jahren jedoch feiert das Tenorhorn in der Knabenkapelle ein wahres Comeback, das sogar soweit führte, dass die gewohnte Sitzordnung bei Proben und Auftritten geändert werden musste, weil es mittlerweile so viele sind. Mit der Polka „Zwei lustige Vagabunden“ lieferten die Solisten Maximilian Götz und Simon Weng ein Paradestück ab.
Stunde des Abschieds
Davor hätte er sich am liebsten gedrückt, sagte Körner im Hinblick auf die 15 Ausscheider, die die Knabenkapelle verlassen werden. Auf ihren Wunsch hin sagte er über jeden ein paar persönliche Worte zum Abschied. Hannes Bühlmeier war 14 Jahre in der Kapelle und studiert Lehramt auf Grundschullehrer. Peter Hiesinger strebt den Beruf des Landwirtes an. Nico Jeromin habe immer zu einem positiven Orchesterklima beigetragen und das Alt- gegen das Tenorsaxophon umgetauscht, weil das gerade fehlte. David Jonovic wird in Frankfurt Jura studieren und Florian König Bierbrauer werden. Einige der Ausscheider werden in der Stadtkapelle weiter musizieren, so auch Julian Kostov. Ebenfalls nach Frankfurt geht Jakob Lange. Sebastian Mielich wollte bereits nach dem Stabwechsel 2018 die Knabenkapelle verlassen, weil er beunruhigt gewesen sei, wie das mit dem neuen Dirigenten wohl werden würde. Dann blieb der „aggressive Leader“, wie ihn Körner im Vergleich zu Fußballer van Bommel titulierte, doch bis heute. Matthias Oswald möchte Ergotherapeut werden, Moritz Pukrob wird Wirtschaftswissenschaften studieren und Peter Rödel wird zukünftig in der Stadtkapelle und in Dornstadt als Musiker aktiv sein. Peter Ruf wird man auf der Freilichtbühne des VAN sehen. Andre Schneider will seine Profkarriere nicht fortsetzen. Er erlernt Straßenbauer und wird anschließend Bau-Ingenieur studieren. Felix Schulze studiert in Ulm Medizin und Julian Vogel geht zur Polizei.
Auch der langjährige Hauptamtsleiter Peter Schiele, der sich nach den Worten Wittners mit Herzblut 25 Jahre lang um die Knabenkapelle gekümmert habe, wird bedingt durch seinen Ruhestand ausscheiden.
Ungewohnte Klänge und außergewöhnliche Geschenke
Hannes Bühlmeier und Florian König übernahmen die Dankesansprache. Die Geschenke gab es aber erst im Rahmen der Abschlussfeier im Goldbachsaal in Baldingen. Wer was bekommen sollte, verrieten die beiden jedoch. Stellvertretend für die Eltern bekamen die Mütter selbstgemachte Rosen aus Blech, für Georg Winkler gab es eine Gartenbank, Oliver Körner nebst Gattin wurde mit einem Ries-Rundfug bedacht und dem dem Ratschlag, nicht immer alles zu ernst zu nehmen und nicht zu nervös zu sein. „Ihre Frau wird es Ihnen danken!“ Angesichts der Tatsache, dass der orangene Sprinter, der von Michael Fischer oft als Transporter für Instrumente gefahren wird, ofensichtlich ein kleiner Kiosk ist, bekam der Leiter des Trommlerkorps einen Bauchladen.
Die Ausscheider spielten dann Musik aus einem Genre, das von der Knabenkapelle eher selten bedient wird, nämlich Polka. „Von Freund zu Freund“, das Pfichtstück jeder Blaskapelle von Martin Scharnagel.
Standing Ovation und zwei Zugaben
Letztendlich besann sich das Orchester aber wieder auf konzertante Blasmusik. „Coldplay in Symphony“ sollte eigentlich das letzte Medley des Abends sein. Doch das Publikum verlangte mehr. Deshalb gab es noch das X-mas Medley, bestehend aus „Holly Jolly X-mas“ und „Santa Baby“. Als weitere Zugabe folgte der Marsch „In alter Freundschaft“ von Franz Watz. Körner nutzte das Wortspiel und lobte seine Kapelle. „Jungs, ihr seid einfach genial!“