Rudolf Dietrich entführt in die Geschichte der sogenannten "ungleichen Brüder", die Zwillingstürme von St. Emmeram.
Wemding - 50 Meter über dem Wemdinger Marktplatz: Ein seltsames metallisches Rascheln aus der Wand lässt Angelika Franke und Nancy Vogel zusammenzucken. „Das waren unsere Turmgeister“, sagt Rudolf Dietrich mit schmunzelnder Mine. Anschließend beruhigt er die beiden Frauen: „Das waren nur die Ketten des Uhrwerks, die sich bewegten.“
Rudolf Dietrich hält regelmäßig Führungen auf einen der beiden Türme der Wemdinger Stadtpfarrkirche St. Emmeram. Angelika Franke und Nancy Vogel gehören einer kleinen fünfköpfigen Gruppe an, die sich auf den Weg gemacht hat, die 170 Stufen des linken Turmes des Wemdinger Wahrzeichens zu erklimmen. Durch eine kleine Holztür, vorbei an kalten Steinmauern, geht es den circa 61 Meter hohen Turm hinauf, bis in die Glockenstube. Oben angekommen erzählt Rudolf Dietrich die Geschichte der beiden „ungleichen Brüder“, wie die Türme im Volksmund genannt werden.
Die Wemdinger Pfarrkirche verdankt ihren Ursprung Graf Mangold I. von Werd (Donauwörth). Er hatte den Ort Wemding als bischöflich-regensburgisches Lehen inne. Im Auftrag Kaiser Konrads II. (1024 bis 1093) unternahm er zusammen mit Bischof Wernher von Straßburg eine Brautfahrt nach Konstantinopel (heute Istanbul). Der Kaiser wünschte sich für seinen Sohn Heinrich eine Tochter aus dem byzantinischen Kaiserhaus zur Braut. In Konstantinopel gelobte Mangold I. bei glücklicher Heimkehr in seinem Ort Wemding eine Kirche in Kreuzesform zu bauen. Er löste sein Versprechen ein. Die frühromantische Basilika wurde unter Bischof Gundekar II. geweiht. Damals hatte sie nur einen Turm. 1559 brannte durch die Unachtsamkeit des Türmers dieser bis zur Glockenstube ab. Weil der Turm neben starken Rissen auch eine bedenkliche Neigung nach Südwesten aufwies, begann man damit, zu seiner Entlastung 1619 einen zweiten Turm, den Nordturm, zu bauen. Noch heute ist die Schieflage von bis zu 50 Zentimetern mit dem bloßen Auge zu erkennen. Als die Höhe von 62 Fuß (rund 20 Meter) erreicht war, übertrug man, mithilfe eines stabilen Steges, die Glocken aus dem alten in den neuen Turm. Auf dem Glockenturm befinden sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts vier Glocken. Drei davon stammen schon aus dem 16. Jahrhundert. 1661 wurde der Bau des zweiten Turmes fertiggestellt.
Da der Nordturm einen Meter kürzer und etwas schlanker ist, bezeichnen die Wemdinger die Zwillingstürme als die ungleichen Brüder. „Die Türme der Stadtpfarrkirche St. Emmeram sind das Wahrzeichen der Stadt. Das Schöne daran: Wenn man verreist ist, erkennt man durch die Türme schon von weitem, dass man wieder in die Heimat kommt“, erklärt Bürgermeister Dr. Martin Drexler. (pm)
Einen herrlichen Ausblick, kann man aus der Glockenstube genießen, wenn man in Richtung Nördlingen sieht. Im Hintergrund ist die Wallfahrtsbasilika Maria Brünnlein zu erkennen und am Horizont erstreckt sich der Ipf.
Bild: Daniel Weigl
Ein imposantes Geflecht aus historischen Balken und Treppen sieht man im Inneren des Turmes.
Bild: Daniel Weigl
Hier erkennt man die leichte Schieflage der beiden Türme.
Bild: Daniel Weigl
In Wemding findet vom 29. Mai bis zum 2. Juni 2019 ein großes Historisches Stadtfest statt. Das fünftägige Festprogramm startet mit einem Tag der Bayern. Am Donnerstag, 30. Mai, ist ein Tag der Türme geplant. Die offizielle Eröffnung mit Ehrengästen ist auf den Freitag terminiert. Am Samstag und Sonntag ist ein Festbetrieb mit Rahmenprogramm geplant. Anlass ist zum einen die Bayerischwerdung der Stadt im Jahr 1467 und zum anderen die Erbauung des zweiten Turms der Pfarrkirche St. Emmeram vor 400 Jahren. Als Schirmherr hat der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer zugesagt.[/box]