Kreis Donau-Ries: 61.000 Beschäftigte erwarten Umsteuern am Arbeitsmarkt

Mehr Zeit mit dem Kind – diese Möglichkeit bietet
eine Teilzeit-Stelle. Häufig wird der Halbtagsjob
aber zur Sackgasse. Nämlich dann, wenn
Beschäftigte später zwar wieder mehr arbeiten
wollen, es aber nicht dürfen. Die Gewerkschaft
NGG fordert deshalb von der nächsten
Bundesregierung, einen gesetzlichen Anspruch auf
die Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit einzuführen . Bild: NGG
Für die rund 61.000 Beschäftigten im Landkreis Donau-Ries hängt viel davon ab, wie die politischen Weichen in Berlin gestellt werden: Wie viel ist künftig in der Lohntüte? Wird Arbeiten in der Nacht oder am Wochenende zur Normalität? Was passiert mit der Rente? Mit Blick auf eine mögliche Neuauflage der Großen Koalition hat die Gewerkschaft Nahrung- Genuss-Gaststätten (NGG) jetzt eine „Arbeits- und Sozial-Agenda“ gefordert.
Landkreis Donau-Ries - Die NGG Schwaben richtet einen eindringlichen Appell an die heimischen Bundestagsabgeordneten: „Es muss klar sein, dass die Interessen der Beschäftigten nicht
unter die Räder kommen.“ Die Arbeitszeit ist der NGG dabei besonders wichtig: 13.900 Menschen im Kreis Donau-Ries haben nach aktuellen Angaben der Arbeitsagentur eine Teilzeit-Stelle – trotz Hochkonjunktur. Das sind 21 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Dabei werden 87 Prozent aller Teilzeit-Jobs von Frauen erledigt. Gewerkschafter Tim Lubecki sieht in den Zahlen einen klaren Auftrag an eine neue Bundesregierung: Nötig sei ein verbrieftes Rückkehrrecht auf Vollzeit.
„Wer seine Arbeitszeit für die Erziehung der Kinder oder die Pflege der Angehörigen runterfährt, der muss danach auch wieder voll in den Job zurückkehren können.“ Genau dafür habe bereits ein Gesetz auf dem Tisch gelegen, das jedoch am Widerstand der Union gescheitert sei. Sollte es wieder zur Koalition von CDU/CSU und SPD kommen, dürfe diese „Von-Teilzeit-zu-Vollzeit-Garantie“ nicht noch einmal verschleppt werden. Auch die Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes, wie sie Arbeitgeberverbände fordern, lehnt die NGG Schwaben strikt ab. „13-Stunden-Tage und Dauer-Verfügbarkeit per Smartphone können nicht die Arbeitswelt von morgen sein. Wer flexible Arbeitszeiten braucht, kann sie per Tarifvertrag regeln“, sagt Lubecki. Genauso wenig dürfe an den Aufzeichnungspflichten beim Mindestlohn gerüttelt werden: „Nur wenn die Arbeitgeber die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten aufschreiben, können sie die Stunden auch korrekt bezahlen. Darauf ist jeder ehrliche Unternehmer angewiesen.
Wer an die Dokumentationspflicht will, der öffnet dem Lohnbetrug Tür und Tor“, betont der Gewerkschafter. Nötig sei zudem ein kräftiger Nachschlag beim Mindestlohn. „Wir brauchen einen zweistelligen Euro-Betrag als unterste Lohngrenze. Das geht nur, wenn dahinter auch ein deutlicher politischer Wille steht. Genau das erwarten Mindestlohn-Empfänger von der neuen Bundesregierung“, macht Lubecki deutlich.
Ganz oben auf die Agenda gehöre auch ein Plan, um die Krankenversicherung auf neue Füße zu stellen. In einem Land, dem es wirtschaftlich so gut gehe, müsse die „Zwei- Klassen-Medizin“ ein Ende haben. Es könne nicht sein, dass der mit dem dickeren Geldbeutel schneller und besser behandelt werde. Nötig sei eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle – auch Beamte und Selbstständige – einzahlten. Für ein solches Modell hatte sich zuletzt die SPD starkgemacht. Lubecki: „Die nächste Bundesregierung hat die Chance zum Umsteuern. Gut gefüllte Haushaltskassen bieten den Spielraum für Reformen, von denen die Beschäftigten heute,
aber auch die der nächsten Generation etwas haben.“ (pm)