Der Strompreis eilt in Deutschland von einem Rekordhoch zum nächsten. Die Volatilität und Entwicklungsdynamik vermögen selbst Experten nicht umfänglich zu erklären. Andreas Dirr, Vorsitzender der IHK-Regionalversammlung Donau-Ries ist besorgt: „Für die regionale Wirtschaft entwickelt sich die Strompreiskurve zunehmend zum wirtschaftlichen Risiko“. Der Blick in die Zukunft ist von Unsicherheit geprägt. Die Bilanz zu den Aussagen im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung fällt gemischt aus.
Hohe Energiepreise belasten Unternehmen massiv
Die historisch hohen Stromkosten sind für viele Unternehmen eine massive wirtschaftliche Belastung. Dirr kennt das Problem aus der eigenen Praxis als Geschäftsführer des Mittelständlers Fendt Caravan in Mertingen. „Wir sehen uns beim aktuellen börsennotierten Strompreis einem Kostenaufschlag von rund 220% gegenüber. Das verursacht Mehrkosten im siebenstelligen Bereich. In unserer Branche müssen wir Jahrespreise abgeben und derartige Preissteigerungen waren nicht vorauszusehen. Die Preissteigerung trifft uns mit voller Breitseite in der Gewinnmarge.“ Dass die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis ab 2023 entfallen soll, sieht er als wichtigen Schritt zur Senkung der Strompreise. „Aber die Entlastung ist nicht für alle Unternehmen geleichmaßen wirksam. Gerade die energieintensive Industrie wird kaum entlastet, ist durch den Preisanstieg aber in ihrer Wettbewerbsfähigkeit besonders bedroht“ so Dirr. Ähnliche Entwicklungen und explodierende Preise sind auch beim Energieträger Gas zu beobachten und kommen erschwerend hinzu.
Produktionsstandort Nordschwaben auf verlässliche Energieversorgung angewiesen
Das Abschalten des AKW Gundremmingen zum 31.12.2021 rückt zudem das Thema Versorgungssicherheit stärker in den Fokus. Die Region wurde mit einem Schlag vom großen Stromproduzenten zum Netto-Strom-Importeur. Bernd Heinle, Geschäftsführer der Heinle Energie- und Automationstechnik in Nördlingen, bewertet die Situation. „Wir bewegen uns in einem großen Netzverbund, sodass massive Stromausfälle nicht das Problem sein sollten. Jedoch können in unserer zunehmend digitalisierten Produktion schon kleine Spannungsschwankungen Maschinen stilllegen. Wir brauchen als Industriestandort weiterhin eine sehr zuverlässige, hochwertige Stromversorgung“. Voraussetzung für die Stromimporte
aus dem In- und Ausland sind leistungsfähige Netze. Deren Ausbau muss viel schneller und unbürokratischer vorangetrieben werden, fordert Heinle. Denn aktuell werde der Bau neuer Stromnetze durch lange Planungs- und Genehmigungsverfahren verzögert. „Es ist sehr zu begrüßen, dass die neue Bundesregierung die Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigen möchte. Denn der Ausbau der Infrastruktur hält dem steigenden Strombedarf aber auch dem Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mehr Schritt.“
Lade-Infrastruktur als Voraussetzung für E-Mobilität
Laut der aktuellen Prognose des Bundeswirtschaftsministeriums ist mit einer Steigerung des Stromverbrauchs von gut 10% bis 2030 zu rechnen. Größter Treiber für einen steigenden Strombedarf ist die Elektromobilität mit all ihren Facetten. Thomas Schröter, Geschäftsführer Auto König in Nördlingen, sagt zum Wandel im Automobilsektor. „Die Akzeptanz der Verbraucher für Elektro-PKWs wächst, mittlerweile sehen wir uns einer stark gestiegenen Nachfrage gegenüber“. Nach dem Willen der neuen Bundesregierung soll Deutschland Leitmarkt für Elektromobilität werden mit mindestens 15 Millionen Elektro-Pkw im Jahr. „Nun müssen dringlich die Voraussetzungen bei der Lade-Infrastruktur geschaffen werden. Der Engpass liegt aber nicht nur im Bereich der öffentlich zugänglichen Ladepunkte. Wenn in einem Mehrfamilienhaus nach Feierabend viele Bewohner gleichzeitig ihr Fahrzeug an einer Wechselstrom-Wallbox laden möchten, kann dies ein gängiger Hausanschluss nicht mehr leisten“. Eine Lösung wird hier ein intelligenteres Netz sein. Dazu müssten allerdings datenschutzrechtliche Hürden genommen werden!
Aus diesen Gründen blickt die Wirtschaft im Donau-Ries zunehmend besorgt auf die Entwicklung der Energiewende. Das Programm der neuen Bundesregierung ist ambitioniert und muss vor allem eines sein: schnell, heißt es in der Pressemitteilung der IHK. (pm)