23. März 2022, 08:08
Wissenschaft

2. Anwenderforum "Regionale Kompetenzen Digitaler Zwilling"

Von links nach rechts: Prof. Dr. Florian Kerber (TTZ Nördlingen), Steffen Klarmann (Valeo Schalter und Sensoren GmbH Wemding), Anton Fritsch (ITQ GmbH Garching), Dr.-Ing. Richard Scheicher (BMK professional electronics GmbH Augsburg), Dr. Stefan Scheifele (ISG Industrielle Steuerungstechnik GmbH Stuttgart), Josef Erhard (KIENER Maschinenbau GmbH Lauchheim) Bild: Gitte Händel
Digitale Zwillinge sind ein umfassendes digitales Abbild eines physischen Systems – eines Produktes, eines Prozesses, einer Produktionsanlage oder einer kompletten Fabrik. Zum zweiten Mal fand dazu ein Anwenderforum am TTZ in Nördlingen statt.

Zukunftsvisionen sehen in digitalen Zwillingen „aktive Marktteilnehmer“, die ohne direkte menschliche Eingriffe in der Lage sind, wirtschaftliche Handlungen über Unternehmensgrenzen durchzuführen. Grund genug also für regionale Wirtschaft und Wissenschaft, miteinander in Austausch zu treten, ein gemeinsames Verständnis der Technologie zu entwickeln und so die vorhandenen Kompetenzen zu bündeln. Das TTZ Flexible Automation Nördlingen koordiniert diese Initiative im Rahmen seines Forschungsschwerpunkts „Digitale Produktionszwillinge“ und organisiert dazu eine Veranstaltungsreihe. Thema des 2. Anwenderforums am TTZ war die Frage, welche Wege zu Digitalen Zwillingen führen.

Den ersten Teil bestritten Vertreter*innen von Unternehmen, die Technologien zur Erstellung Digitaler Zwillinge anbieten und Unternehmen bei deren Einführung beraten und unterstützen. Dr. Scheifele von ISG Industrielle Steuerungstechnik GmbH Stuttgart stellte u.a. die „Twin Store Community“ vor, einen Zusammenschluss von Unternehmen, die sich zum Ziel setzen, den Zugang zu Digitalen Zwillingen durch standardisierte Komponenten zu erleichtern. Dadurch entstehen Bibliotheken für die Simulationsplattform ISG-virtuos, aus denen sich Anwender*innen die Basis für ihre individuellen Digitalen Zwillinge zusammensetzen können. Ziel ist es, ein modellbasiertes Engineering zu unterstützen.

Der Prozess ist entscheidend, nicht die Maschine

Anton Fritsch von ITQ Garching machte deutlich, dass vor allem ein Umdenken des Managements nötig ist: klassisch betrachtet man eine Maschine, die mit Software ausgestattet wird. Heute ist es notwendig zu sehen: Es geht um eine Software, zu der es auch eine Maschine gibt. Man denkt in Funktionen und Prozessen und nicht mehr in konkreten Anlagen. Erst dann werden die Potenziale der Digitalen Zwillinge deutlich. Denn prozessbezogene Probleme werden dann schon in der Simulation deutlich. Ihre Behebung ist dann wesentlich schneller und vor allem kostengünstig möglich, weil sie nicht mit einem Produktionsausfall durch den Stillstand einer physischen Maschine verbunden sind. Dies entspricht dem Ziel des simultanen Entwickelns im Sinne des Systems Engineering.

Der Technologiebetrachtung folgten die Umsetzungspläne und -herausforderungen zweier regionaler Unternehmen. Steffen Klarmann beschrieb den Weg von Valeo Wemding zum Digitalen Produktionszwilling. Die Herausforderung für diesen Automobilzulieferer, der unter anderem Sensorsysteme für autonome Fahrfunktionen in Großserie herstellt, liegt in der immensen Menge an Daten, die es in den Fertigungsprozessen zu erfassen und zu bewerten gilt. Schon bei einer Produktionslinie fallen über 100 Terrabyte pro Monat an. Trotz dieser und anderer Schwierigkeiten wird der Weg zu Digitalen Produktionszwillingen aber beschritten, weil sich mittelfristig Vorteile ergeben, bspw. sind Schwachstellen in der Produktion künftig leichter bzw. bereits vor Start der Produktion zu erkennen und zu beseitigen.

Potential digitaler Zwillinge wird noch erforscht

Grundsätzlich andere Fragen stellen sich BMK professional electronics in Augsburg, wie Dr.-Ing. Richard Scheicher berichtet. Das Unternehmen lotet das Potenzial Digitaler Zwillinge bei elektronischen Baugruppen aus, die in geringer Zahl und großer Variabilität produziert werden. Ihre Funktionsprüfung erfordert unterschiedliche Programme und Routinen und damit einen schnellen Wechsel an Prüfanforderungen. Zusammen mit dem TTZ Nördlingen wird in einem vom Freistaat Bayern geförderten Projekt ausgelotet, wie Digitale Zwillinge sowohl des Produktes, des Bauteils als auch der Prüfung erstellt und zur Automatisierung des Vorgangs genutzt werden können.

Im Namen der Mitveranstalter Kiener Maschinenbau GmbH und Hochschule Aalen zeigte sich Prof. Florian Kerber, Wissenschaftlicher Leiter des TTZ Nördlingen, am Ende des Tages erfreut über die Resonanz der Thematik und kündigte die Fortsetzung am 20. September 2022 an. Die 45 Teilnehmerinnen und Teilnehmer äußerten sich durchgängig sehr zufrieden mit der Veranstaltung.

Haben Sie Fragen und Anregungen? Dann wenden Sie sich bitte an ttz-noerdlingen@hs-augsburg.de

In einem Whitepaper zum Digitalen Zwilling finden Sie auf den Seiten des TTZ Nördlingen Arbeitsdefinition und Berichte aus dem ersten Forum 2021 https://www.hs-augsburg.de/HSZDR/TTZ-Noerdlingen.html