Angesichts wieder steigender Infektionszahlen fordert die IHK Schwaben ein noch entschiedeneres Vorgehen, um Wirtschaft und Schulen vor einer möglichen vierten Corona-Welle im Herbst zu schützen. „Wir müssen die kommenden Ferienwochen nutzen und dürfen keine Zeit verlieren“, sagt Andreas Dirr, Vorsitzender der Regionalversammlung Donau-Ries. Dringenden Handlungsbedarf sieht man in Nordschwaben vor allem bei der Ausstattung der Schulen mit Luftfiltern sowie bei der digitalen Kontaktnachverfolgung. „Außerdem müssen wir alles tun, um den Impffortschritt weiter zu verbessern und durch lückenloses Testen ein Aufflammen der Pandemie nach den Sommerferien zu verhindern“, so Gregor Ludley, Vorsitzender der Regionalversammlung Dillingen.
Die derzeit wieder steigenden Inzidenzwerte wecken Erinnerungen an das vergangene Jahr. Nach einem allzu sorglosen Sommer war die zweite Corona-Welle im Herbst 2020 mit voller Wucht über das Land hereingebrochen. Die Folge: erneuter Lockdown, Schulschließungen und ein dramatischer Einbruch der Konjunktur in Nordschwaben. Zuvor waren die Unternehmen aus Produktion, Handel, und Dienstleistung klar auf Erholungskurs gewesen. Nach dem Rekord-Absturz zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 war der IHK-Konjunkturindex zum Herbst um ganze 23 Punkte auf einen Wert von 115 geklettert. Auch aktuell steht die Wirtschaft in den Landkreisen Dillingen und Donau-Ries gut da: Der Konjunkturindex ist zum Frühjahr 2021 noch einmal um vier Punkte auf 119 gestiegen.
Aus Fehlern lernen
Doch die Unternehmer sind angesichts der wieder erhöhten Infektionszahlen alarmiert. Dirr appelliert: „Wir müssen aus den Fehlern des vergangenen Jahres lernen. Wir brauchen dringend klare Konzepte, wie wir mit dieser Situation umgehen. Seit eineinhalb Jahren entscheidet allein die Inzidenzzahl über das Öffnen oder Schließen von Betrieben und damit über das Schicksal vieler Unternehmer. Das darf nicht sein“, sagt Dirr. „Mit fortschreitendem Impferfolg müssen andere Faktoren stärker an Gewicht gewinnen, z. B. die Auslastung der Intensivstationen.“ Einen weiteren Lockdown würden viele Unternehmen nicht überleben, warnt die IHK Schwaben. „Jeder Einzelne muss sich bewusst machen, dass trotz der Corona Lockerungen das eigene Tun und Handeln aktiv unterstützt, einen erneuten Lockdown zu vermeiden“, appelliert Dirr. Für viele von den coronabedingten Einschränkungen besonders betroffene Unternehmen geht es um die Existenz. So beurteilten 95 Prozent der Unternehmen aus dem Reise- und Gastgewerbe ihre Geschäftslage bei der Frühjahrskonjunktur-Umfrage als schlecht. Im Einzelhandel waren es rund 41 Prozent. „Viele Unternehmen haben in den vergangenen Monaten massiv in Test- und Hygienemaßnahmen investiert oder sich in der Impfkampagne engagiert. Dieser Einsatz darf nicht vergeblich gewesen sein“, sagt Ludley.
Auch um tiefgreifende Folgen für Kinder und Jugendliche zu vermeiden, fordert die IHK Schwaben ein entschiedenes Vorgehen.
Präsenzunterricht an den Schulen muss höchste Priorität haben
Es müsse alles dafür getan werden, die Schulen ausreichend zu schützen, sagt Dirr. „Eine Rückkehr zum Distanz- oder Wechselunterricht wie im zurückliegenden Schuljahr muss unbedingt verhindert werden. Gute Bildung ist eine unserer wichtigsten Ressourcen. Wir dürfen sie nicht leichtfertig auf das Spiel setzen.“ Das Schulsystem – von den allgemeinbildenden Schulen bis zu den Berufsschulen – bildet die Basis für die Ausbildung von Fachkräften, auf die die Wirtschaft dringend angewiesen ist. In einigen Firmen sei es zudem zu personellen Engpässen gekommen, weil Mitarbeitende wegen der Betreuung ihrer Kinder in Zeiten des Homeschoolings ausgefallen waren. „Viele Unternehmen haben sich äußert kooperativ gezeigt und waren ihren Beschäftigten z. B. durch großzügige Urlaubs- und Überstundenregelungen entgegengekommen“, berichtet Andreas Dirr. „Doch die Verantwortung darf künftig nicht allein den Eltern oder der Unternehmen aufgebürdet werden. Wir brauchen klare Konzepte, wie wir auch bei höheren Inzidenzen Präsenzunterricht an den Schulen ermöglichen können. Hier ist die Staatsregierung gefragt.“ Wichtig sei dabei, die Klassenzimmer bis zum Beginn des neuen Schuljahres mit ausreichend Luftfiltern auszustatten. „Die Sicherheit unserer Kinder darf nicht an überbordender Bürokratie und fehlender finanzieller Zusagen scheitern“, sagt Dirr.
Ohne digitale Lösungen fehlt die nötige Effizienz bei der Kontaktnachverfolgung
Defizite sieht die IHK Schwaben auch beim Thema digitale Kontaktnachverfolgung. Noch immer läuft die Sormas-Software in vielen Gesundheitsämtern nicht reibungslos. Sie soll die dabei helfen, Kontakte von Infizierten schnell nachzuverfolgen und eine Vernetzung zwischen den Behörden und Laboren herzustellen. Auch die Corona-Warn-App oder die Luca-App, die seit Mai in allen bayerischen Landkreisen kostenlos zur Kunden- oder Gäste-Registrierung genutzt werden kann, kommt längst nicht flächendeckend zum Einsatz. „Vielerorts dominiert weiter die Zettelwirtschaft. Damit verschenken wir wertvolles Potenzial. Nur mit Hilfe digitaler Lösungen wird es uns gelingen, Infektionsketten schnell zu identifizieren und frühzeitig zu durchbrechen. Das beweisen die vielen Unternehmer, die die Luca-App bereits seit längerem erfolgreich einsetzen“, sagt Ludley.
Impfen bleibt wichtigster Baustein der Krisenbekämpfung
Wichtigster Baustein im Kampf gegen die Corona-Krise bleibt das Impfen. „Auch hier bedarf es weiterer Anstrengungen und neuer Modelle, um den Impffortschritt weiter zu verbessern“, sagt Ludley. Mobile Teams, die die Menschen im Alltag aufsuchen, Impfaktionen an ungewöhnlichen Orten – vom Supermarkt bis zum Sportplatz – sowie gezielte Angebote, in Regionen und Stadtteilen mit geringer Impfquote könnten dazu beitragen. „Nur so können wir langfristig das Virus in den Griff bekommen und zu einem normalen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben ohne permanente Unsicherheiten zurückfinden“, sagt Ludley. Bis dahin sei es wichtig, weiter am Konzept flächendeckender Tests festzuhalten. „Gerade in der Ferienzeit, in der viele Menschen verreisen – auch in Risikogebiete –, ist es wichtig, mögliche Infektionsherde bei der Rückkehr einzudämmen“, sagt Ludley. „Wir sollten hier dringend die Lehren aus der Vergangenheit ziehen und keine Rücksicht auf die kommende Bundestagswahl nehmen“, vervollständigt Ludley.(pm)