Normal werden gebrauchte Möbel, in die Jahre gekommenes Geschirr oder Haushaltsgegenstände, für die es scheinbar keine Verwendung mehr gibt, in der Caritas-Möbelfundgrube in Baldingen abgegeben. Für den kleinen Geldbeutel werden die Spenden dann an neue Besitzer*innen weitergegeben.
Aber als im vergangenen September ein Gemälde in der Caritas-Möbelfundgrube in Baldingen abgegeben wurde, mussten es die ehrenamtlichen Helfer*innen dort sofort gemerkt haben: Dieses Kunstwerk ist etwas Besonderes. Hinten im Rahmen befand sich außerdem die Broschüre einer Ausstellung, die vor einigen Jahren in Schwäbisch Hall stattfand. Damit war klar, dass das Gemälde von Jehuda Bacon stammt.
Künstler überlebte das KZ Auschwitz
Bacon, 1929 in Ostrava im heutigen Tschechien in eine jüdische Familie geboren, wurde 1942 mit seinen Eltern und einer Schwester ins KZ Theresienstadt deportiert und später nach Auschwitz überführt. Schwer typhuskrank überlebte Bacon als Einziger seiner Familie und begann noch im Lazarett erste Porträts von Mithäftlingen und Zeichnungen der KZ-Anlagen anzufertigen. Seine ersten Werke wurden 1964 als Zeugnisse bei den Ausschwitzprozessen genutzt. Wieder genesen studierte Bacon Kunst in Prag, Jerusalem, London und Paris und arbeitete später als Professor für Radierung und Lithografie. Heute lebt der 94-Jährige als freischaffender Künstler in Jerusalem.
Seine Werke handeln von Tod und Vernichtung genauso wie von der Rückkehr ins Leben. Mal sind es karge Kohlezeichnungen von Gesichtern und Menschen, mal farbige, kraftvolle Motive. Ausgestellt wurden Bacons Gemälde unter anderem 2018 bei einer Ausstellung im Deutschen Bundestag, anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar.
Sigi Atzmon: Ideeller Wert ist weit höher
Caritas Geschäftsführer Branko Schäpers und die 1. Vorsitzende Doris Ritter wollten das Werk, das plötzlich in der Möbelfundgrube auftauchte, in würdigem Umfeld ausstellen. Man entschloss sich, es dem Freundeskreis der ehemaligen Synagoge in Hainsfarth e.V. zu schenken. Der Verein setzt sich für den Erhalt der ehemaligen Synagoge als Gedenk- und Begegnungsstätte ein. Kulturprogramme zum jüdischen Leben und Veranstaltungen gegen Antisemitismus und Rassismus finden regelmäßig in den Räumlichkeiten statt.
Bei der Übergabe in Hainsfarth zeigte sich die Vorsitzende des Freundeskreises, Sigi Atzmon, sichtlich gerührt über die Schenkung. Dass der Synagoge "etwas zurückgegeben wird", kam noch nie vor, so Atzmon. Zeugnisse des jüdischen Lebens in Hainsfarth seien nie mehr zurück in die Synagoge gebracht worden, sagt die Vorsitzende. Das jüdische Gotteshaus wurde 1983 von den Nazis geplündert und geschändet, alle Hainsfarther Juden 1942 ins KZ deportiert.
Die jüdischen Ritualgegenstände, die Atzmon sorgfältig in einer Vitrine aufbewahrt und bei Führungen zeigt, sind nachträglich gekauft worden. "Es kann aber nicht sein, dass es nichts gibt, was die Menschen hinterlassen haben", sagt Atzmon. Umso bedeutender ist für sie nun, dass das Werk des jüdischen Künstlers Bacon in der Synagoge einen Ehrenplatz findet. Dass die Nördlinger Kunsthistorikerin Sabine Heilig das Werk auf etwa 950 Euro schätzt und andere Bilder Jehuda Bacons im Internet für weit mehr als zwei bis dreitausend Euro angeboten werden, ist für Atzmon Nebensache. Viel wichtiger ist ihr der ideelle Wert.