Um den Jahreswechsel 2021/22 sichtete und beschrieb Dr. Franz Josef Merkl das umfangreiche historische Schriftgut der Stiftung Sankt Johannes. Seine Ergebnisse fasste er anschließend in einem Findbuch zusammen. Das so geordnete Stiftungsarchiv enthält Dokumente der Barmherzigen Brüder ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, Aufzeichnungen über „Pfleglinge“ (so wurden damals die Menschen mit Behinderung genannt), zahlreiche historische Rechnungsbücher, Urkunden und Baupläne sowie Unterlagen über die Anfänge der Stiftungsverwaltung durch den Caritasverband für die Diözese Augsburg im Jahr 1971. Der Historiker wird das Archiv weiter betreuen. Eines der Ziele seiner Arbeit ist ein Buch über die Geschichte der Stiftung. Dafür recherchierte er auch im Archiv der Barmherzigen Brüder in München und im Staatsarchiv Augsburg. Jetzt präsentierte er in zwei Vorträgen erste Ergebnisse: Bereits im Juni hatte Merkl markante historische Dokumente und einen Film aus der Zeit um 1930 als „Schätze aus Papier und Celluloid“ vorgestellt. In einem weiteren Referat sprach er über die Zeit des Nationalsozialismus. So steckten die NS-Behörden fünf Ordensmänner aus Schweinspoint wegen „Beleidigung der Reichsregierung“ und angeblicher „gleichgeschlechtlicher Verfehlungen“ in Untersuchungshaft, ohne dass es zu Anklagen oder gar Verurteilungen gekommen wäre.
Tragische Schicksale sollen aufgeklärt werden
Im Mittelpunkt aber standen die Schweinspointer Opfer der NS-„Euthanasie“. Von 1939 bis 1945 wurden insgesamt 203 Menschen mit Behinderung „entlassen“ und danach meist in andere – staatliche – Einrichtungen „verlegt“. Merkl hat es sich vorgenommen, möglichst alle Schicksale zu klären, um den Opfern ihre Namen zurückzugeben. Der bisherige Wissensstand geht von 146 Deportierten aus; die Zahl der NS-Opfer dürfte aber höher liegen. Bei seinen Recherchen stieß der Historiker auch auf Menschen aus dem heutigen Landkreis Donau-Ries, für die der Nationalsozialismus nur einen grausamen Tod übrig hatte. Da war der gebürtige Schweinspointer Adalbert Dirschinger, der am 4. Dezember 1940 in der Gaskammer der Mordanstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb starb. Da war Josef Hoiwa aus Deiningen, den das gleiche Schicksal traf. Und da war Josef Moser aus Tapfheim, der am 22. November 1941 in der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren starb, ob an Hunger oder einer tödlichen Injektion ist noch zu klären.
Merkl betonte, solche Fälle habe es in fast allen Orten gegeben. Er sprach auch an, dass die Barmherzigen Brüder bei 15 Menschen mit Behinderung erreichten, dass sie von den Deportationslisten des Bayerischen Innenministeriums genommen wurden. Ihr Argument war der Bedarf an Arbeitskräften für die Landwirtschaft. Ein Zuhörer wies auf die Parallele zu „Schindlers Liste“ hin, weshalb Merkl von „Holzschuhs Liste“ sprach; Frater Gallikan Holzschuh war der Prior in Schweinspoint
Der Historiker ging auch auf das Kriegsende in Schweinspoint im April 1945 ein, als deutsche Truppen versuchten, die Donau gegen die US-Armee zu verteidigen. Die dramatischen Geschehnisse hat Subprior Frater Paulus Theis festgehalten: Durch deutsches Artilleriefeuer starben mehrere US-Soldaten sowie drei Kriegsgefangene, zwei Franzosen und ein Italiener. Ihre Namen sind aber nicht bekannt. Die deutsche Artillerie beschoss auch das Haus der Barmherzigen Brüder und tötete zwei Senioren. Der Augsburger Magnus Gebhard und der Donauwörther Johann Bscher waren wegen der Bombenangriffe auf ihre Städte nach Schweinspoint evakuiert worden.
Die Geschichte besser kennenlernen
Geschäftsführer Robert Freiberger betonte:„Wir wollen unsere bewegte Geschichte besser kennenlernen. Wir wollen wissen, was passiert ist und das gilt gerade für die dunklen Seiten.“ Seine Stellvertreterin Doreen Paus, in ihrem Abiturzeugnis stand eine Eins in diesem Fach, sprach von einer „beeindruckenden Lehrstunde in Geschichte“: „Wir wollen unsere bewegte Geschichte besser kennenlernen. Wir wollen wissen, was passiert ist und das gilt gerade für die dunklen Seiten.“ Seine Stellvertreterin Doreen Paus, in ihrem Abiturzeugnis stand eine Eins in diesem Fach, sprach von einer „beeindruckenden Lehrstunde in Geschichte“. (pm)