Handwerk

Wo sind die Handwerker der Zukunft?

Werner Luther, Kreishandwekmeister. Bild: KH Nordschwaben
Kreishandwerksmeister Werner Luther sorgt sich um die Nachwuchskräfte im Handwerk und sieht gravierende Versäumnisse der Politik.

Die Ausbildungszahlen in den Handwerksberufen in Nordschwaben bröckeln. Immer weniger Jugendliche starten nach ihrem Schulabschluss in eine Berufsausbildung.

In den Bauberufen gehen die neuen Ausbildungsabschlüsse zurück und auch in den Klimaberufen wie Sanitär-, Heizungs- und Klimatechniker*in oder Elektroniker*in zeigt die Tendenz nach unten. Dennoch können Jugendliche auch noch jetzt eine Ausbildung im Handwerk antreten. Der Einstieg ist immer noch möglich.
Kreishandwerksmeister Werner Luther beantwortet dazu wichtige Fragen:

Woran liegt es, dass junge Menschen „keinen Bock“ auf’s Handwerk haben?

Werner Luther: Junge Menschen, die frühzeitig mit dem Handwerk und seinen vielen Berufen in Kontakt kommen, lassen sich durchaus für handwerkliche Tätigkeiten begeistern. Doch das geschieht vielfach im häuslichen Umfeld und auch in der Schule zu wenig. Da geht es auch um so einfache Dinge wie Bewegung und körperliche Aktivität. Leider fällt der Sportunterricht oft aus. Viele Jugendliche sind sehr auf ihr Handy und elektronische Medien fokussiert und befürchten, dass sie sich im Handwerk zu sehr anstrengen müssen.

Hinzu kommt, dass immer noch eine Berufsausbildung als „zweite Wahl“ angesehen wird. Die schulische und die akademische Ausbildung sind im Denken von vielen, auch von vielen Eltern, noch die Nummer eins. Das war politisch jahrzehntelang so gewollt, ohne die Folgen für die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Verbraucher im Blick zu haben.

Wo liegen die Fehler der Politik?

W.L: Wie gesagt, jahrzehntelang wurde der Besuch von weiterführenden Schulen und ein anschließendes Studium als optimaler Lebensweg für junge Menschen dargestellt. Diesem Ziel wurde vieles untergeordnet. Die Hochschulen und Universitäten wurden mit enormen finanziellen Mitteln ausgestattet, die allgemeinbildenden Schulen, auch die beruflichen Schulen blieben auf der Strecke. Der heutige Sanierungsbedarf an diesen Einrichtungen kommt nicht von ungefähr.

Viel schlimmer ist aber, dass die Denke bei Eltern und Jugendlichen in diese Richtung beeinflusst wurde. Damit haben wir jetzt zu kämpfen. Anstatt auf beide Bereiche zu setzen – denn es braucht unbedingt beide Bereiche – wurde einseitig die akademische Bildung bevorzugt.

Welche Folgen hat das Fehlen von Handwerker auf Wirtschaft, Gesellschaft und Verbraucher?

W.L: Fehlen uns Handwerker in allen Bereichen vom Friseur bis zum Zimmerer, vom Bäcker bis zum Maurer, dann haben wir ein Problem bei den Dienstleistungen des täglichen Bedarfs. Die Preise steigen, die Wartezeiten auch und handwerkliche Vielfalt und Qualität bleiben auf der Strecke. Hinzu kommt, dass gerade handwerkliche Tätigkeiten nicht komplett automatisiert werden können. Wer möchte von einem Roboter die Haare geschnitten bekommen?

Ein wichtiger Aspekt ist auch der Klimaschutz. Ohne Handwerk haben wir keine Chance die Klimaziele zu erreichen. Wer soll denn Gebäude dämmen, neue Fahrzeuge warten, mit der Wasserstofftechnik umgehen und Wärmepumpen einbauen? Das sind individuelle Arbeiten, die nur Fachkräfte ausführen können und wenn wir diese nicht haben, dann sehe ich schwarz.

Lässt sich gegensteuern?

W.L: Ja natürlich – doch ehrlich gesagt, höre ich da mehr schöne Worte und sehe weniger Taten. Das Handwerk muss in den Schulen ankommen und dort auch erlebbar werden. Es braucht Aufklärung über die Chancen im Handwerk, die berufliche Sicherheit und auch die Lebenszufriedenheit, die aus dem Handwerk zu ziehen ist. Dies kann nur in einer gemeinsamen Anstrengung von Politik und Gesellschaft gelingen. Und das ist ein langer Weg.

Was sollten junge Menschen tun?

W.L: Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren! Über Praktika im Handwerk können sie Erfahrungen sammeln, spüren und sehen, wie modern das Handwerk heute ist. Technische und digitale Anwendungen erleichtern die Arbeit enorm. Am Bau schleppt heute keiner mehr Zementsäcke in die oberen Etagen.

Der Betondruck beispielsweise eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Das ist spannend und wer bei diesen Entwicklungen dabei ist, dem stehen viele Wegen offen. Modernes Handwerk ist top und unbedingt gleichrangig mit akademischer Bildung. (pm)