Kultur

Brautradition leben und erhalten

Bild: Günther Gierak
Wohl kaum eine Region auf der Welt ist so eng mit Bier und Brautradition verknüpft, wie Bayern mit seiner Landeshauptstadt München. Auch im Landkreis Donau-Ries wird seit jeher gebraut – die Anzahl der Brauereien hat sich über die Jahrhunderte allerdings stark verringert. Übrig geblieben sind nur sechs Brauhäuser.

Nach dem bayerischen Reinheitsgebot, das am 23. April 1516 in Ingolstadt verkündet wurde, wird noch heute in Deutschland Bier gebraut. Hieraus abgeleitet wird jährlich an diesem Tag in vielen Regionen der Tag des deutschen Bieres gefeiert – 2024 jährt sich dieses Jubiläum bereits zum 508. Mal. Was jenseits von allen Trends festzuhalten ist: Der Freistaat Bayern ist und bleibt bis heute ein Land der Biertradition. Das belegen eindrucksvoll die Zahlen aus dem vergangenen Jahr. 41,7 Prozent aller deutschen Braustätten haben im Jahr 2023 ihren Sitz in Bayern.

Brautradition auf dem Scheideweg

Wie das Bayerische Landesamt für Statistik bestätigt, wurden im Jahr 2023 insgesamt 622 Braustätten im Freistaat betrieben – sechs davon im Landkreis Donau-Ries. Überbleibsel einer einst stolzen Brautradition, die hier im Landkreis zu finden war. Dies belegen eindrucksvoll Zahlen, die noch heute in den Stadtarchiven des Landkreises zu finden sind. Demnach gab es im Ries im Jahr 1800 wohl noch rund hundert Brauereien und selbst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gab es noch über ein dutzend Brauhäuser. 

Diese Zeiten sind allerdings spätestens seit dem Ende der traditionsreichen Nördlinger Ankerbrauerei 2016 vorbei. Übrig sind im  Ries lediglich die beiden Großbrauereien Oettinger und das Fürst Wallerstein Brauhaus, sowie Maierbier, die Brauerei Rieser Hof und mit Abstrichen die Appl Brennerei und Brauerei. Ähnliches gilt auch für Donauwörth. Im Jahr 1827 gab es hier noch elf Brauereien – für Brauer, die keinen eigenen Sudkessel besaßen, unterhielt die Stadt sogar ein eigenes Brauhaus, in dem zwei bis dreimal pro Jahr gebraut wurde. Die Brautradition gehörte dabei über viele Jahrhunderte zum typischen Stadtbild – zumindest bis 1981: Mit der Schließung der Kronenbrauerei, als letzte verbliebene Brauerei im Stadtgebiet, fiel Donauwörths Bierkultur in den Dornröschenschlaf ehe 2019 drei Jungunternehmer das „Donauwörther Brauhaus“ gründeten. 2022 fand nach zweijähriger Umbauzeit die Eröffnung im neuen Brauhaus statt.

Bild: Donauwörther Brauhaus

Von kleinen "Zapfenwirtschaften" zu international agierenden Konzernen

In vielen Rieser Dörfern gab es eine oder mehrere Brauereien. In Baldingen, einem Dorf mit damals rund 80 Häusern, gab es im 18. Jahrhundert sieben Gasthäuser, von denen sechs ihr eigenes Bier brauten. Um 1800 waren in der Residenzstadt Oettingen 19 Wirtshäuser registriert, von denen 14 die herrschaftliche „Braugerechtigkeit“ besessen hatten. Die kleineren Wirtschaften, die nur über das Schankrecht verfügten, wurden als „Zapfenwirtschaften“ bezeichnet, während die größeren Gaststätten als „Tafernwirtschaften“ meist auch die Backgerechtigkeit und das Recht zum Branntweinbrennen hatten. In Nördlingen gab es über viele Jahre die meiste Anzahl dieser Gaststätten. 

Eng verknüpft ist die Geschichte der Zapfenwirtschaften auch mit der Geschichte der Brauerei Oettinger, auch wenn man dies im Brauerei Oettinger beginnt bereits 1731 im Braugasthof Frostquell Brauerei in Fürnheim. Allerdings hatte diese, im Gegensatz zu vielen anderen Brauereien, keinen umfangreichen Immobilienbesitz oder finanzielle Mittel und deshalb zunächst auch keine Möglichkeit weiter zu wachsen. 

Dies änderte sich erst 1956, als es Otto und seinem Sohn Günther Kollmar gelingt, im wenige Kilometer entfernten Oettingen die ehemals fürstliche Genossenschaftsbrauerei zu erwerben. Zusammen mit zunächst acht Mitarbeitern brauten die Kollmars erstmals im größeren Stil, und zwar rund 5 000 Hektoliter pro Jahr. Was folgt ist eine Erfolgsgeschichte, die nicht nur in der Region, sondern in ganz Deutschland seines gleichen sucht. Heute ist die Oettinger Brauerei an drei Standorten in Deutschland tätig und beschäftigt über 800 Mitarbeitende. Und auch das Brauvolumen steht in keinem Vergleich zu den Anfangstagen. So füllt das Unternehmen laut eigenen Aussagen jährlich rund zwei Milliarden Flaschen und Dosen mit Bier und Erfrischungsgetränken ab und vertreibt diese auf der ganzen Welt.

Bild: Oettinger Brauerei

Braukunst seit 1598 direkt aus dem Landkreis Donau-Ries

Ganz anders sieht die Situation beim Fürstlichen Brauhaus in Wallerstein aus. Bereits 1598 nahm das heutige Hochadelsgeschlecht erstmals sein Braurecht wahr. Seit dieser Zeit braut die fürstliche Familie mit ihren Mitarbeiter*innen Bierspezialitäten. Das Besondere: Mit dem Sitz auf dem mittelalterlichen Schlossberg in Wallerstein gehört die Brauerei heute zu den drei verbliebenen „herrschaftlichen Brauhäusern“ in Bayern, die noch heute in ihren geschichtsträchtigen historischen Gemäuern brauen. 

Dass sich die Fürstliche Traditions-Brauerei aus dem Ries dabei stets weiterentwickelt, versteht sich von selbst und so gab es erst Anfang dieses Jahres einen echten Umbruch. Nach fast dreißig Jahren als erster Braumeister ging Volker Röthinger in den Ruhestand. Mit den Braumeistern Bastian Ziegler und Markus Lechner wurde das Brauhaus-Team nun verstärkt. Bei der offiziellen Vorstellung wurde schnell klar, welch große Aufgabe auf die beiden wartet. „Unser Bier ist in besonderem Maße identitätsstiftend und vermittelt Werte wie Tradition, Heimatliebe und Zusammengehörigkeit“, erklärte Carl-Eugen Prinz zu Oettingen-Wallerstein. 

Bild: Fürst Wallerstein Brauhaus

Dieser Artikel ist in der blättle Ausgabe 58 September/Oktober 2024 erschienen und ist auch in unserem Webkiosk als E-Paper verfügbar.