IHK Schwaben

Der Einzelhandel ist an der Schmerzgrenze

Zahlreiche Einzelhändler wie hier in Donauwörth haben während des Lockdowns ihre Geschäfte geschlossen. Unser Bild zeigt eine Parfümerie. Bild: Matthias Stark
Mehr als 70 Prozent der Einzelhandelsgeschäfte in Nordschwaben sind derzeit geschlossen. Mitglieder der IHK-Regionalversammlung melden sich zu Wort und erklären, was das für die Branche und die Innenstädte bedeute.

Geschlossene Geschäfte, fehlende Umsätze und Hilfen, die nur schleppend ankommen: Für viele Einzelhändler geht es in der Corona-Krise längst um die Existenz. Wolfgang Winter, Vizepräsident der IHK Schwaben für das Donau-Ries, fordert von der Politik konkrete Vorschläge für eine Öffnung. „Statt vager Ankündigungen braucht die Branche endlich einen Fahrplan, wie es im März weitergeht.“ Mehr als 70 Prozent der rund 3.500 Einzelhandelsgeschäfte in Nordschwaben sind im aktuellen Lockdown geschlossen – und das seit mehr als zwei Monaten. Auch der IHK-Vizepräsident für die Region Dillingen, Walter Berchtenbreiter, äußert sich besorgt: „Der Lockdown wird tiefe Spuren auch in unseren Innenstädten hinterlassen“.

Fast 30.000 Einzelhandelsunternehmen gibt es in Bayerisch-Schwaben. Mehr als 57.000 Menschen finden hier ihr Auskommen. In Nordschwaben sind es gut 3.500 Einzelhändler, davon gut 2.000 im Landkreis-Donau-Ries und 1.500 im Landkreis Dillingen. Nicht alle trifft die Krise gleichermaßen. „In kaum einer Branche sind die Unterschiede so groß wie im Handel“, erläutert Wolfgang Winter. Während der Lebensmittel- oder Online-Handel zuletzt beim Umsatz zulegte, trifft die Krise den stationären Einzelhandel, der Waren wie Bekleidung, Schuhe, Sportartikel oder Bücher verkauft, mit voller Wucht. „Der Handel ist an der Schmerzgrenze“, berichtet Florian Britzelmeir, Inhaber des gleichnamigen Modegeschäftes in Rain und Wemding. „Der Textileinzelhandel hat zuerst das Wintergeschäft und vor allem das wichtige Weihnachtsgeschäft verpasst, nun droht eine Wiederholung im Frühjahr.“ Da die Waren von den Unternehmern lange im Voraus bestellt werden und sich die Aufträge trotz Lockdown nicht einfach stornieren lassen, bleiben viele Händler auf ihren Bestellungen sitzen, berichtet Britzelmeir: „Die Frühjahrsware, die jetzt nicht verkauft wird, kann aufgrund des hohen modischen Grades vermutlich nur noch abgeschrieben werden.“

Viele Einzelhändler sind in Existenznot

In der IHK-Konjunkturumfrage zum Jahreswechsel berichtete fast jedes zweite Einzelhandelsunternehmen von einem Umsatzrückgang in 2020. Auch für das laufende Jahr rechnet jeder dritte Einzelhändler mit einem weiteren Umsatzrückgang von mehr als zehn Prozent. Nur das Reise- und Gastgewerbe hat derzeit noch schlechtere Werte. Allerdings bewerten in keiner anderen Branche die Unternehmen ihre Perspektiven für die kommenden zwölf Monate so schlecht wie im Einzelhandel. Rund vier Prozent der Unternehmen waren bereits zum Jahreswechsel in einer existenzbedrohenden Situation. „Mit jeder Woche, die dieser Lockdown andauert, verschärft sich die Situation weiter“, sagt Wolfgang Seeßle, Inhaber Sport + Mode Seeßle aus Gundelfingen. Dass sich die Politik beim Thema Öffnungen zuletzt gesprächsbereit zeigte, sei zumindest ein Signal der Hoffnung. „Jetzt müssen aber auch Taten folgen“, fordert Seeßle. Denn die Unternehmen haben in den vergangenen Monaten mit großem Engagement Hygienekonzepte umgesetzt, um dem Gesundheitsschutz Rechnung zu tragen.

Finanzhilfen kommen nur schleppend an

Verschärft wird die Situation in vielen Betrieben durch die schleppende Umsetzung der zugesagten Finanzhilfen. Nachdem der Handel bei den November- und Dezemberhilfen leer ausgegangen war, können die Unternehmen nun seit kurzem die Überbrückungshilfe III beantragen. Peter Bauer, Inhaber des gleichnamiges Floristikgeschäfts in Oettingen, sagt „Die Hilfen müssen nun sehr schnell ankommen, um eine Pleitewelle zu verhindern. Denn gerade zu Jahresbeginn sind den Einzelhändlern viele Kosten für längst bestellte Waren oder Fixkosten entstanden. Nach dem fehlenden Weihnachtsgeschäft waren bei vielen die Konten aber leer“.

Händler stemmen sich mit digitalen Angeboten und kreativen Ideen gegen die Krise

Viele Händler und Initiativen haben in den vergangenen Wochen mit besonderen Angeboten und digitalen Initiativen versucht, Umsatzeinbrüche abzufedern. So gibt es beispielsweise in Nordschwaben die Aktion „Dillingen liefert’s“, ermöglicht von der Wirtschaftsvereinigung (WV), der Stadt sowie dem Verein Image Plus. Kunden, die per Click & Collect beim lokalen Einzelhandel einkaufen, bekommen ihre Waren per Taxi direkt nach Hause geliefert. „Das zeigt, wie groß das Engagement und der Zusammenhalt in der Unternehmerschaft ist. Wir stemmen uns gemeinsam gegen diese Krise. Doch damit alleine werden wir es nicht schaffen. Wir brauchen einen Fahrplan für den Re-Start und den Rückhalt der Kunden“, weist Walter Berchtenbreiter nochmals eindrücklich auf die Situation hin. Auch die IHK Schwaben unterstützt den Handel in der schwierigen Phase mit umfassenden Beratungsangeboten etwa zu Finanzhilfen oder Infos zu aktuellen Auflagen. Beim „Digitalen Donnerstag Einzelhandel“, einer monatlich stattfindenden Webinar-Reihe, erhalten Unternehmer jeweils von 18.15 bis 19 Uhr kostenlos Tipps, wie sie die Möglichkeiten der Digitalisierung noch besser nutzen. So geht es am 11. März um den Webauftritt der Händler, am 15. April um die Customer Journey und am 20. Mai um E-Mail-Marketing.

Informationen für Händler, aktuelle Nachrichten für die Branche sowie eine Übersicht über aktuelle Veranstaltungsangebote gibt es unter schwaben.ihk.de/handel. (pm)