Seit vergangenem Dienstag steht in Augsburg ein 55-jähriger Mann aus Birkhausen (Gemeinde Wallerstein) vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Mord aus Habgier vor. Am zweiten Verhandlungstag waren eine ganze Reihe Zeugen geladen, mit deren Hilfe der Vorfall rekonstruiert werden soll. Dramatisch war das Erscheinen der drei erwachsenen Kinder der Verstorbenen und des Angeklagten. Weinend, zitternd und einem Zusammenbruch nahe, wurden sie von Beamten in den Gerichtssaal begleitet. Dort machten sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und untersagten dem Gericht auch die Verwertung ihrer polizeilichen Aussagen.
Leiter und Schuhe werfen Fragen auf
Das Geschehen an jenem Herbsttag im letzten September schilderten am zweiten Prozesstag mehrere Zeugen aus ihrem jeweiligen Blickwinkel. So berichtet ein Zeuge davon, dass er den Angeklagten nicht davon abhalten konnte, die beiden älteren Kinder am Tag des Vorfalls anzurufen. Als diese nacheinander eingetroffen sind und vom Tod der Mutter erfahren hatten, hätten sie vollkommen hysterisch reagiert und ihren Vater verbal angegriffen, erinnert sich eine andere Zeugin. „Du bist schuld. Du hast sie umgebracht“, hätten die beiden in Richtung ihres Vaters gerufen, präzisiert die Zeugin ihre Aussage.
Immer wieder werfen eine Leiter, die ein Zeuge in der Grube, ein anderer daneben liegend und ein Dritter gar nicht gesehen habe, Fragen auf. Ähnlich verhält es sich mit den Schuhen des Opfers. Während ein Zeuge sich sicher ist, einen der Schuhe in der Güllegrube gesehen zu haben, kann sich eine andere Zeugin nicht daran erinnern, überhaupt einen Schuh wahrgenommen zu haben.
Wie es an besagtem 20. September 2018 wirklich zum Tod des Opfers gekommen ist, kann jedoch keiner der Zeugen sagen, da alle erst den Hof betraten, nachdem sich der Vorfall bereits ereignet hatte. Ein Zeuge habe einen Schrei gehört und sei deshalb und weil er den laufenden Motor eines Traktors gehört habe auf den Hof geeilt. Dort habe er das Opfer mit dem Unterkörper in der Grube hängend gesehen und sei sein dann am Eingang zum Haus auf den Angeklagten getroffen, der gerade dabei gewesen sei, einen Notruf abzusetzen. Gemeinsam habe man dann das Opfer aus der Grube gezogen. Nachdem er das Gesicht der Frau mit Wasser gesäubert hatte, will der herbeigeeilte Zeuge die leblose Frau beatmen, erkennt aber schnell, dass der Mund des Opfers "gestrichen voll mit Gülle ist". Irgendwelche Bewegungen, Atemgeräusche oder Augenbewegungen habe er zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen können. Als wenig später die Polizei eintrifft, habe man ihn und den Angeklagten weggeschickt. Froh sei er darüber gewesen, da ihn die Sache sehr mitgenommen habe, gibt der Mann an.
Auch der Hausarzt des Opfers war an jenem Herbsttag auf den Hof gerufen worden, um die Leichenschau durchzuführen. Zwischen drei Kästchen könne man auf dem Formular für die Leichenschau wählen, erklärte der Arzt dem Gericht. Zum ersten Mal in seiner Karriere habe er sein Kreuz bei "Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod" gemacht, um so eine rechtsmedizinische Untersuchung zu erzwingen, damit der Fall aufgeklärt werde.
Ebenfalls geladen ist am zweiten Prozesstag ein Freund des Angeklagten. Von Eheproblemen habe er nichts gewusst. Man habe aber auch nicht darüber gesprochen, obwohl man sich wöchentlich zum Fußball schauen getroffen habe. Eine andere Zeugin hingegen weiß zu berichten, dass das Opfer sich bereits rund zwei Jahre nach der Hochzeit trennen wollte, nach zwei Tagen aber wieder zum Angeklagten zurückgekommen sei.
In der nächsten Woche wird der Prozess vor der 8. Strafkammer des Augsburger Landgerichts fortgesetzt.