Um 21:15 Uhr trat Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwochabend vor die Presse und verkündete das, was zu diesem Zeitpunkt bereits alle wussten. Die FDP wird aus der Bundesregierung entlassen, SPD und Grüne wollen als Minderheitsregierung weitermachen. Am 15. Januar will Scholz die Vertrauensfrage im Bundestag stellen. Wird er diese erwartungsgemäß verlieren, so stehen Neuwahlen am 09. März 2025 an. Und damit rund sechs Monate vor dem eigentlichen Urnengang.
Mit Ulrich Lange (CSU), Christoph Schmid (SPD) und Maximilian Funke-Kaiser (FDP) hat die Region drei Abgeordnete in Berlin. Wir haben die Politiker nach ihrer aktuellen Meinung zum Scheitern der Ampel-Regierung befragt.
Ulrich Lange (CSU)
Bundeskanzler Scholz muss die Vertrauensfrage morgen stellen, spätestens nächste Woche," so Ulrich Lange im Gespräch mit unserer Redaktion. "Eine weitere Hängepartie kann sich unser Land nicht leisten. Dass das machbar ist und vom Grundgesetz gedeckt ist, haben wir heute Vormittag in der Fraktionssitzung besprochen. Friedrich Merz wird heute um 15:00 Uhr unsere Sicht der Dinge auch bei Bundespräsident Steinmeier darlegen und auf schnelle Neuwahlen pochen." Für den Nördlinger Bundestagsabgeordneten geht es Scholz nur darum, Zeit zu gewinnen. "Scholz will die Wahl der Bürgerschaft in Hamburg abwarten, weil er sich als Hamburger einen Schub davon erhofft. Diese Zeit hat Deutschland nicht. Wir brauchen schnell eine handlungsfähige Regierung mit stabilen Mehrheiten!" Lange hofft, dass man nach dem Experiment der Ampel gesehen hat, was man an einer zuverlässigen und stabilen Regierung unter der Beteiligung der CDU/CSU hat und das die Wählerinnen und Wähler diese Zuverlässigkeit in den nächsten Wahlen entsprechend honorieren werden.
Ulrich Lange hält eine Neuwahl des Bundestags für Ende Januar/Anfang Februar für realistisch, sofern Scholz die Vertrauensfrage zügig stellt.
Christoph Schmid (SPD)
„In den vergangenen drei Jahren haben wir gerade bei gesellschaftspolitischen Fragen in dieser Ampel-Regierung viel erreicht“, betont Schmid. „Auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und Bedrohung der Freiheit in Europa haben wir die richtigen Antworten gefunden. Die Erhöhung des Mindestlohns war ein deutliches Zeichen und auch bei der Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer Energie sind wir ein großes Stück vorangekommen. Leider ist es uns aber bei allen gemeinsamen Erfolgen nicht gelungen, diese auch als solche nach außen hin zu vertreten.“ Vor allem die FDP und der Finanzminister in Person hätten immer wieder voneinander unabhängige Themen miteinander verknüpft, um Klientelpolitik zu betreiben und Parteienlogik vorangestellt. „Daher ist es richtig, dass Bundeskanzler Olaf Scholz die Notbremse gezogen hat“, stellt Christoph Schmid klar.
Den zeitlichen Rahmen findet der Abgeordnete angemessen: „Wir werden unsere geplanten Gesetzesvorhaben, zum Beispiel zum Rentenpaket, in den nächsten Wochen zum Abschluss bringen. Dann stellt der Kanzler die Vertrauensfrage und wir werden wohl in einen vorgezogenen Bundestagswahlkampf 2025 ziehen. Bis dahin werden Olaf Scholz und die Bundesregierung ebenso wie wir Abgeordneten seriös und solide weiterarbeiten. „Ganz bewusst möchte ich anführen: Unsere Demokratie ist großartiger als wir das selbst manchmal glauben“, gibt Schmid zu bedenken. Der Kanzler habe gezeigt, dass es ihm nicht um den eigenen Machterhalt geht, sondern dass er seine Aufgabe ernst nimmt und das Wohl des Landes im Blick hat. „Dafür zolle ich ihm meinen Respekt“, sagt Schmid anerkennend.
Maximilian Funke-Kaiser (FDP)
"Kanzler Scholz hat Christian Lindner zum Verfassungsbruch bei der Schuldenbremse gedrängt, statt die Vorschläge aus Christian Lindners Wirtschaftspapier auszuloten. Auf 18 Seiten standen Maßnahmen bereit, mit denen wir die Unternehmen und die Bürger entlasten, Bürokratie ausmisten und so den stotternden Motor unserer deutschen Wirtschaft wieder in Gang bekommen. Für eine echte Wirtschaftswende braucht es unsere strukturellen Reformen, statt der halbgaren Ideen von Kanzler Scholz und Vizekanzler Habeck. Für uns Freie Demokraten war der Rechtsbruch als Rechtsstaatspartei keine Option - Reformen brauchen ein sicheres Fundament, denn hier geht es um die Zukunft unseres Landes! Die politische Situation hat sich grundlegend gewandelt, deshalb sollte Scholz sollte den Bürgern Mitbestimmung einräumen und schnellstmöglich Neuwahlen abhalten."