Gerichtsverhandlung

Donauwörther Hepatitis C-Skandal: "Es gibt einen Ursprung"

Das Gerichtsverfahren gegen einen ehemaligen Anästhesisten Dr. R. hat begonnen. Links im Bild sein Verteidiger David Herrmann. Bild: Mara Kutzner
Wie konnte ein Anästhesist im Donauwörther Krankenhaus mehr als 50 Patienten mit dem Hepatitis C-Virus anstecken? Das konnte am dritten Prozesstag vor dem Augsburger Landgericht durch mehrere Sachverständige besser ermittelt werden.

Seit Mitte April steht ein 60-jähriger ehemaliger Anästhesist vor dem Augsburger Landgericht. Ihm wird vorgeworfen, in 51 Fällen Patient*innen bei Operationen im Donauwörther Krankenhaus aufgrund missachteter Hygieneregeln mit dem Hepatitis C-Virus infiziert zu haben. Der damals medikamentenabhängige Arzt hat sich während OPs Narkosemittel abgezweigt und sich dann selbst verabreicht. Die Fälle haben sich im Zeitraum von Februar 2017 bis April 2018 ereignet. Angeklagt ist der Arzt wegen gefährlicher Körperverletzung. 

Am heutigen dritten Verhandlungstag sollten mehrere Sachverständige Licht ins Dunkel bringen und vor allem über die Übertragungsarten sowie die Folgen einer Hepatitis-C-Infektion befragt werden. 

Virus muss direkten Zugang zum Blutstrom haben

So erklärte Dr. Nikolaus Ackermann, Facharzt für Mikrobiologie und Virologie sowie Amtsarzt am Landesamt für Gesundheit, dem Gericht, dass das Hepatitis C-Virus überwiegend über die Blutbahn übertragen werde. Der Virologe hat Übertragungswahrscheinlichkeiten geprüft, und kommt zum Schluss, dass ein Risiko von gerade einmal 1,8 Prozent besteht, sich bei Nadelstichen mit dem Virus anzustecken. Bereits am ersten Verhandlungstag ließ sich der Angeklagte zum Sachverhalt ein und erklärte, dass er sich beim Brechen von Ampullen oder beim Legen von Zugängen an Patient*innen selbst kleine Verletzungen an den Fingern zugezogen haben könnte und so sein Blut in den Blutkreislauf der Opfer gelangt ist.

Wie der Sachverständige erklärte, würden Ampullen mit Injektionslösungen, beispielsweise Narkosemittel, die Infektionswahrscheinlichkeit deutlich steigern. Noch wahrscheinlicher sei eine Ansteckung durch das gemeinsame Verwenden von Spritzen. Deshalb sind häufig Drogenabhängige mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert. Von „Needle-Sharing“ (dt. Nadel teilen) spricht die Fachwelt dann.  

Robert-Koch-Institut geht von einer einzigen Ansteckungsquelle aus

Untersucht wurden außerdem die Subtypen der Donauwörther Infektionen. In 43 von 49 Fällen, die im Zusammenhang mit dem Narkosearzt stehen, konnte der gleiche Genotyp und der gleiche Subtyp 3a nachgewiesen werden. "Das RKI geht von einer einzigen Ansteckungsquelle aus", so der Sachverständige Ackermann. Gleiches bestätigte auch Prof. Dr. Jörg Timm, Institutsleiter für Virologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, der sich auf das Hepatitis-Virus spezialisiert hat. "Es gibt einen Ursprung", so Timm. Er sagt auch, dass bereits ein kleiner Tropfen Blut an einer Spritze potenziell ausreichend für eine infektiöse Dosis sei – sogar dann, wenn die Haut so angestochen wird, dass man das Blut mit dem menschlichen Auge kaum erkennen könnte.

HCV-Infektion verläuft eher mild

Auch über die Symptome, Heilungsprognosen und Nebenwirkungen der Medikamente von Hepatitis C machten die Sachverständigen Aussagen. Bei 75 Prozent der Betroffenen mache sich das Virus mit grippeähnlichen Symptomen bemerkbar, meist sei eine HCV-Infektion eher mild, oder verlaufe A-symptomatisch, so Ackermann. Bei 25 Prozent der Infizierten könne es aber zu Gelbsucht, Oberbauchschmerzen und erhöhten Leberwerten kommen. In 15 bis 40 Prozent der Fälle heile die Erkrankung spontan von selbst aus. Allerdings verlaufen 60 bis 85 Prozent der Infektionen chronisch. 

Hepatitis C ist eine Virusinfektion, die vor allem die Leber betrifft. Dort kann es zu Entzündungsreaktionen kommen, die über längere Zeiten und im schlimmsten Fall zu einer Leberzirrhose führen können.

Seit einigen Jahren gibt es neue Medikamente gegen Hepatitis C. Prof. Dr. Timm erklärte dem Gericht auf Nachfrage, dass eine Behandlung mit Tabletten im Zeitraum von 8 - 12 Wochen sehr gute Heilungschancen verspricht. Die medikamentöse Therapie sei zu 98 - 99 Prozent erfolgreich.