Wegen gefährlicher Körperverletzung in 51 Fällen wurde ein Donauwörhter Anästhesist heute von der 3. Strafkammer am Landgericht in Augsburg zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Laut Vorsitzendem Richter sei nicht davon auszugehen, dass der 61-Jährige weitere Straftaten begeht, eine Haftstrafe müsse deswegen nicht vollstreckt werden. Trotzdem würde man den Anästhesisten mit diesem Urteil „ordentlich und hart“ bestrafen. Für jemanden ohne Vorstrafen, sei dies ein hohes Strafmaß, so der Richter. Für eine Dauer von fünf Jahren muss der Arzt jeden Wohnsitzwechsel dem Gericht mitteilen und hat sich jeglichem Konsum von Betäubungsmitteln zu enthalten – drei Jahre lang unter Aufsicht eines Bewährungshelfers. Mindestens einmal im halben Jahr muss er deswegen beim Gesundheitsamt Urinproben abgeben. Außerdem muss sich der Arzt einer ambulanten Heilbehandlung unterziehen und verordnete Medikamente einnehmen. Ein Berufsverbot verhängt das Gericht nicht. Ärztlichen oder sonstige medizinischen Tätigkeiten darf der mittlerweile Rentner nur mit Zustimmung des Gerichts nachgehen. Seine Approbation hat der Arzt mittlerweile freiwillig zurückgegeben. "Wir möchten, dass Sie der Gesellschaft etwas zurückgeben müssen", so der Richter. Deshalb muss der Mediziner 6.000 Euro an "Ärzte ohne Grenzen" bezahlen und 200 Sozialstunden für den SKM, einem katholischen Sozialverband, leisten.
Für das Gericht stand am Ende einer detaillierten Beweisaufnahme, bei dem auch Sachverständige vom RKI und eine Reihe an Betroffenen gehört wurden, fest, dass sich der Mann während seiner Tätigkeit im Donauwörther Krankenhaus das Narkosemittel Sufentanil abzweigte, um es sich dann selbst zu verabreichen. Dabei verstieß er eklatant gegen Hygieneregeln und nahm laut Gericht missbilligend in Kauf, erst sich selbst und dann 51 Patient*innen mit dem Hepatitis-C-Virus zu infizieren. Hepatitis-C wird durch Blut-zu-Blut-Übertragungen verbreitet.
Laut Gericht waren seine Taten "von einem Suchtdruck gerieben". Seit mehr als 20 Jahren leidet der Mediziner unter einer chronischen Entzündung am Darm und unter Depressionen. Als sich die Depressionen verschlimmerte und selbst verschriebene Medikamente keine Abhilfe mehr schaffte, "nahm das Übel seinen Lauf". Mehrmals täglich zweigte sich der Anästhesist bei OP-Einleitungen bzw. während Operationen mit mitgebrachten Nadeln und Spritzen das Narkosemittel Sufentanil ab. Um sein Vorgehen zu vertuschen, füllte er die Spritzen für die Patient*innen mit Kochsalzlösung auf, um sein Vorgehen zu vertuschen.
Betroffene leiden bis heute
Der 61-Jährige Narkosearzt habe seine ärztliche Berufspflicht eklatant missachtet, mit gar nationaler Tragweite, so der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsverkündung. Er habe durch seine Taten das Vertrauen in der Ärzteschaft nicht nur in der Donauwörther Klinik geschädigt, sondern auch dem Donauwörher Krankenhaus Reputationsschaden zugefügt. In den meisten Fällen haben die Patient*innen weniger körperliche Folgen, sondern mehr psychische Folgen. Diese seien laut Gericht enorm und nachvollziehbar. Die Betroffenen wurden mittlerweile alle medikamentös behandelt und konnten vollständig geheilt werden. Von der Haftpflichtversicherung des Krankenhauses haben sie Schadensersatz- und Schmerzensgeldzahlungen erhalten.
"Zugegeben ein Verfahren, das man zu Beginn der Verhandlung nicht mit einer Bewährungsstrafe einstuft", so der Vorsitzende Richter. Für den ehemaligen Arzt gesprochen habe aber, dass er nicht vorbestraft war, nunmehr geständig im Sinne der Anklage ist und sich "in einem guten Stil" bei allen Betroffenen, die vor Gericht ausgesagt haben, persönlich entschuldigt hat.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.