Guten Morgen Frau Trüdinger, vielen Dank, dass Sie sich für unser Gespräch Zeit genommen haben. Zwei kurze Fragen zum Einstieg. Was hat Sie in den vergangenen Tagen besonders beschäftigt und wie gestaltet sich Ihr Tag nach unserem Interview?
Elisabeth Trüdinger: Nach unserem Interview werde ich tatsächlich ein bisschen Hausarbeit machen und abends dann zum Sport gehen. Beschäftigt hat mich in den vergangenen Wochen natürlich Politik. Außerdem war ich mit dem Abbau des Harburger Krippenwegs recht beschäftigt.
Um Sie besser kennenzulernen zunächst einige Entweder-Oder-Fragen.
- Tee oder Kaffee? Kaffee
- Optimistin oder Pessimistin? Ganz klar Optimistin
- Krimi oder Komödie? Krimi
- Nach einem langen Tag ab auf die Couch oder doch lieber aktive Abendgestaltung? Gerne aktive Abendgestaltung
- Beim Tennis – Doppel oder Einzel? Doppel – sehr gerne auch im Mixed, da passiert noch einmal ein bisschen mehr
Vervollständigen Sie bitte folgenden Satz. Typisch für mich ist …
E. T.: Spontan sein. Mehr fällt mir auf die Schnelle tatsächlich nicht ein.
Was würde Ihre Familie sagen, wenn man ihnen die gleiche Frage stellt?
E. T.: Ich hoffe das Gleiche. Außerdem glaube ich das mich viele Menschen in meinem näheren Umfeld als „geradeheraus“ bezeichnen würden. Wobei ich mit meiner direkten Art auch schon das ein oder andere Mal angeeckt bin. Nicht jeder kann damit direkt umgehen - aber so bin ich eben.
Das neue Jahr ist mittlerweile bereits einige Wochen alt. Wenn Sie diese bewerten müssten – wie war denn ihr Start ins neue Jahr und haben sie klassische Neujahrsvorsätze?
E. T.: Für mich persönlich war der Start ins neue Jahr wirklich ok. Ich war im Urlaub im Voralpenland, hab meine Kinder und Enkel besucht. Politisch gesehen, habe ich allerdings wirklich Bauchweh. (Anm. d. Red.: Das Interview wurde am 03. Februar 2025, als inmitten der Diskussion um das von der CDU eingebrachte Asylgesetz, geführt) Neujahrsvorsätze hingeben gibt es bei mir nie und hat es auch noch nie gegeben. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob es überhaupt gesund ist, mit klar definierten Neujahrsvorsätzen zu starten. Diese Vorsätze drücken für mich mehr von oben und machen ein schlechtes Gewissen und haben damit kaum positiven Effekt auf unseren Alltag.
Haben sie ein Lebensmotto? Wenn ja, möchten Sie dieses kurz erklären?
E. T.: Tatsächlich habe und hatte ich noch nie ein Lebensmotto. Aber auch das ist ja in gewisser Weise auch eine Lebenseinstellung.
Wo sind Sie geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen?
E. T.: Ich bin in Passau geboren und in Ruderting aufgewachsen. Das liegt rund 12 Kilometer außerhalb von Passau in Richtung Bayerischer Wald. Nach der Grundschule bin ich dann in Passau aufs Gymnasium der Englischen Fräulein – eine klassische Klosterschule - gegangen. Und obwohl damals noch ein gewisser Zug und Drill dahinter war, bin ich wirklich sehr gerne zur Schule gegangen. Besonders der musische Teil und die „schöngeistigen“ Fachrichtungen wie Literatur und Kunst haben mich schon damals begeistert, nachhaltig geprägt und mir viel mit auf meinen weiteren Lebensweg gegeben.
Wenn ich heute an meine Schulzeit zurückdenke, kommt mir auch immer wieder unser besonderes Schulgebäude – das ehemalige Lustschloss des Passauer Bischoffs - in den Kopf. Alles in allem bin ich in einem sehr schönen Umfeld groß geworden.
Später wurden Sie selbst Lehrerin. Wann kam dieser Berufswunsch zum ersten Mal auf?
E. T.: Ob Sie es glauben oder nicht, aber ich habe schon in ein Freundebuch in der 3. Klasse geschrieben, dass ich später mal Lehrerin werden möchte. Wenn man dann älter wird, überlegt man natürlich in alle Richtungen, was noch zu einem passen könnte, auch deshalb, weil meine Eltern selbstständig waren und ich in Richtung Handwerk überlegt habe. Von dieser Branche hat mir mein Vater damals aber schnell abgeraten. Also bin ich Lehrerin geworden und habe die Entscheidung nie bereut – ganz im Gegenteil. Studiert habe ich Lehramt dann in Eichstätt, wo ich auch meinen Mann kennengelernt habe.
Immer wieder hört man den Spruch „Lehrer sein, ist mehr Berufung als Beruf“. Teilen Sie diese Einschätzung – und wenn ja, was macht den Lehrerberuf so besonders?
E. T.: Der Lehrerberuf hat auf alle Fälle etwas mit Berufung zu tun. Zuallererst musst du einfach gerne mit Kindern umgehen wollen und können. Du musst Kinder mögen, geduldig sein, sie verstehen können, sie in Elterngesprächen auch mal in Schutz nehmen und dabei möglichst immer den richtigen Ton treffen. Du bekommst als Lehrerin unfassbar viel aus dem Privatleben deiner Schüler mit. Das alles sind Dinge, die man so im Studium nicht vermittelt bekommt, sondern für die man ein gewisses Gespür bzw. Talent haben muss. Gleichzeitig bekommt man von den Kindern ungemein viel zurück. Besonders in der ersten Zeit nach meiner Pensionierung ist mir der Rummel, die Lautstärke, das Grüßen, das Lachen und diese Zuwendung schon sehr abgegangen.
Das hat sich zum Glück mittlerweile beruhigt. Grundsätzlich, und das habe ich in all meinen Jahren als Lehrerin gelernt, musst du auch dazu bereit sein, einiges vor dir zu geben.
Das Schulwesen hat sich über die vergangenen Jahrzehnte stark verändert. Würden Sie sich rückblickend noch einmal für einen ähnlichen Karriereweg entscheiden, wenn sie die Wahl hätten?
E. T.: Ich würde die Entscheidung noch einmal genauso fällen. Ich kann nur jedem empfehlen, der sich für den Lehrerberuf entscheiden möchte und sich noch unsicher ist: Macht Praktika, lasst euch beraten, holt euch Ratschläge bei Lehrern und an Schulen. Nur so könnt ihr euch sicher sein, ob ihr diesen Weg tatsächlich einschlagen wollt, oder eben nicht. Klar ist aber auch, dass sich der Beruf in den vergangenen Jahren natürlich fast grundlegend verändert hat, besonders der Umgang Schülern, Eltern und Lehrern. Der Oberlehrer, der mit erhobenem Zeigefinger vor der Tafel steht, ist schon lange nicht mehr zeitgemäß und auch gar nicht mehr gewollt. Ganz im Gegenteil: Heutzutage ist es auch wichtig, dass man als Lehrer zurückzustecken kann und ein Miteinander auf Augenhöhe pflegt.
Kommen wir zu ihrem Privatleben. Seit vielen Jahrzehnten sind Sie ehrenamtlich in ihrer Heimat Harburg tätig. Wann sind Sie nach Harburg gekommen und welche Rolle spielt die Stadt in ihrem Leben?
E. T.: Mein Mann und ich sind in den 80er-Jahren nach Harburg gekommen. Wann genau, kann ich ihnen aus dem Stehgreif heraus gar nicht sagen. Wir haben beiden in Eichstätt studiert und sind durch einen Zufall irgendwann einmal durch Harburg durchgefahren. Mein Mann hat dann hier angefangen Tennis zu spielen und mir hat Harburg als Stadt von Beginn an gefallen, weil es mich ein bisschen an zu Hause erinnert hat. Davor haben wir in Nördlingen gelebt. Da war mir die Umgebung zu glatt und zu eben. Ich wollte für mich und meine Familie aber Wald, Wiese und Wasser. Genau das habe ich in Harburg gefunden und deshalb haben wir uns ganz bewusst dafür entschieden, hierher zu ziehen.
Schnell wurde Harburg zu unserem klaren Lebensmittelpunkt und das ist die Stadt auch bis heute noch. Hier bin ich daheim und hier will ich etwas bewegen. Das war mir immer wichtig.
Wie wichtig sind ehrenamtliches und politisches Engagement in der heutigen Gesellschaft?
E. T.: Wir brauchen dieses Engagement ganz dringend. Ohne Ehrenamt fällt Deutschland wie ein Kartenhaus zusammen. Was ich mir allerdings wünschen würde, wären mehr Frauen im Ehrenamt und auch in der Kommunalpolitik. Leider habe ich das Gefühl, dass wir Frauen uns diese Aufgabe nicht immer zutrauen - diese Erfahrung musste ich auch ganz persönlich machen. Besonders im Bereich der Kommunalpolitik gibt es viel zu lernen und man muss sich zu Beginn auch ein dickes Fell zulegen. Du darfst bei allem Druck, den es zweifelsohne von außen gibt, nicht zusammenklappen und musst mit voller Überzeugung weitermachen.
Ich weiß, dass Frauen in der Vergangenheit hier im ländlichen Raum eine ganz bestimmte Rolle zu erfüllen hatten. Ich würde mir aber wünschen, dass mehr Frauen aus diesem Rahmen ausbrechen und sich neben Beruf und Familie für eine weitere Sache in der Heimatgemeinde einsetzen. Sei es in der Politik, der Kirche oder in einer Vielzahl von Vereinen. Überall werden ehrenamtliche Helfer*innen gebraucht und sind auch wichtig.
Ende 2024 wurden sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Ist das eine Auszeichnung auf die man „hinarbeitet“ oder einfach eine schöne Wertschätzung?
E. T.: Das war eine kuriose Geschichte. Ich habe im vergangenen Jahr ein Schreiben mit der Unterschrift von Markus Söder bekommen. Weil ich dachte, dass mich da jemand auf den Arm nehmen will, ist der Brief bei mir direkt in den Müll gewandert. Wenig später kam dann die offizielle Einladung zum Festakt – dann war ich erstmal baff. Natürlich ist das Bundesverdienstkreuz eine schöne Wertschätzung, aber darum ging es mir nie. Deshalb habe ich auch immer gesagt, dass die Auszeichnung nicht nur eine Auszeichnung für mich, sondern die komplette Stadt Harburg ist. Für all meine Weggefährten der vergangenen Jahrzehnte, ohne die ich nie die Möglichkeit gehabt hätte, mich so intensiv einzubringen. Darüber bin ich sehr dankbar. Das Bundesverdienstkreuz am Bande ging also stellvertretend durch mich auch an Harburg.
Sie waren 18 Jahre lang Mitglied des Harburger Stadtrates, zuletzt als Vorsitzende der CSU-Fraktion. Gibt es einen Grund, warum politisches Miteinander auf Kommunalebene funktioniert und auf Bundeseben häufig nicht?
E. T.: Lassen sie es mich so ausdrücken. Wenn ich mir aktuellen Debatten im TV ansehe, kommt es mir häufig so vor, als würden als würden so manche Politiker*innen eine Rolle spielen und politische Manöver starten. Bei uns im Stadtrat wurde auch viel diskutiert – häufig auch sehr hitzig. Nach jeder Sitzung haben wir uns aber noch einmal zum Essen oder bei einem Bier zusammengesetzt und ganz in Ruhe darüber diskutiert. Das hat auch funktioniert, weil wir wussten, dass es uns im Grunde immer um die Stadt Harburg ging und nicht um eigene Befindlichkeiten. Dieses Gefühl habe ich aktuell auf Bundeseben nicht.
Was würden Sie sich diesbezüglich von der Bundespolitik wünschen?
E. T.: Ehrlichkeit – nicht nur gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch gegenüber sich selbst. Vielleicht gehören die ganze Aufregung, die Empörung und die Skandale zum politischen Geschäft auf der großen Bühne dazu. Allerdings glaube ich nicht, dass dieses Schauspiel zu mehr Vertrauen bei potenziellen Wählern führt – ganz im Gegenteil.
Außerdem glaube ich, dass wir viel mehr Politik brauchen, in der Klartext geredet wird. Heutzutage wird es immer schwieriger zu erkennen, welcher Politiker und welche Partei für welche Inhalte steht. Das beginnt in der öffentlichen Darstellung und endet in Parteiprogrammen, die viel zu kompliziert formuliert sind.
Mitglied im Pfarrgemeinderat, Karriere in der Lokalpolitik, Organisation des Krippenwegs und vieles mehr. Gab es da in der Vergangenheit noch Platz für Hobbys bzw. Freizeit?
E. T.: Ich dachte mir schon, dass eine Frage in diese Richtung kommt. Deshalb habe ich mir im Vorfeld ganz bewusst Gedanken gemacht, an welchen Projekten ich in der Vergangenheit mitgewirkt habe bzw. an denen ich noch immer arbeite. Und ich kann ihnen sagen – die Liste ist ganz schön lang. Gleichzeitig ist mir dabei aber bewusst geworden, dass das für mich alles in den Bereich Freizeit gehört. Ich war schon immer recht aktiv – auch abseits der Arbeit. Sei ich in Rente bin, ist aus klassischen Hobbys mehr und mehr mein Leben geworden. Natürlich fahre ich gerne Rad, spiele Tennis, arbeite im Garten. Das alles sind aber Hobbys, die ich gut zwischen meine anderen Tätigkeiten und in meine Freizeit einbauen kann.
Irgendwann musste ich mich selbst fragen: Was will ich? Will ich zu Hause sitzen, Kaffee trinken und Zeitung lesen oder möchte ich nach draußen gehen, aktiv sein und mich in Harburg einbringen? Wie sie vielleicht schon bemerkt haben, habe ich mich für letzteres entschieden.
Sie sind / waren begeisterte Tennisspielerin. Wie wichtig ist ein solcher Ausgleich für eine gesunde Work-Life-Balance?
E. T.: Ich glaube, dass Sport generell ziemlich wichtig ist. Zum einen kannst du viel abbauen, was sich über den Tag so ansammelt. Ich persönlich war nach dem Sport immer viel entspannter als noch zuvor. Das gilt natürlich auch für Tennis.
Was schätzen Sie so am Tennissport?
E. T.: Am Tennis schätze ich am meisten die Mischung aus Einzel- und Mannschaftssport. Beim Einzel musst du immer voll bei dir sein, musst dich auf jeden Schlag konzentrieren und darfst nie nachlassen – sowohl körperlich als auch mental. Dabei kannst du dich auspowern und bewusst den Alltag beiseiteschieben. Im Doppel hingegen geht es nicht ohne Vertrauen zum Partner. Du musst als Team agieren und darfst dich nicht zu sehr in den Mittelpunkt stellen. Diese Kombination macht Tennis so komplex und gleichzeitig so schön.
Kommen wir zum Abschluss unseres Interviews noch einmal zurück in ihre Wahlheimat Harburg.
Sie waren als Stadträtin bei vielen Entscheidungen – auch die Zukunft betreffend hautnah dabei. Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung?
E. T.: Ich denke, dass Harburg durch die Corona-Pandemie und die damit entstandene Landromantik sehr profitiert hat und auch weiter profitieren wird. Was ich damit meine: Ich glaube, dass es zwangsläufig nicht mehr der große Urlaub im Ausland sein muss, sondern, dass wir wieder mehr zu schätzen wissen, welche großartigen Ausflugsziele direkt vor unserer Haustür liegen, und dazu gehört Harburg zweifelsohne. Bestes Beispiel ist der Radtourismus, der hier seit Jahren floriert und auch hoffentlich weiter boomen wird. In Zukunft wird es jetzt wichtig sein, dass wir unsere Stärken noch mehr herausarbeiten und sie der Öffentlichkeit zugänglich machen. Dazu gehören bestimmt die tolle Natur, die Wörnitz, die Wanderwege und natürlich auch die Harburg selbst.
Wie wichtig ist Ihnen diesbezüglich der Begriff Heimat?
E. T.: Der Begriff „Heimat“ war vor ein paar Jahren noch mehr ein Kitschwort. Heimat war verbunden mit Rosamunde Pilcher, mit Rüscherlblusen und mit Dirndl. Aber auch das hat sich gewandelt. Heute ist Heimat für mich ein sehr starkes Gefühl. Ich bin in Harburg daheim, habe aber gleichzeitig meine Heimat in der Nähe von Passau. Dabei geht es mir weniger um die Orte an sich, sondern um Gefühle und Erinnerungen, die ich mit den jeweiligen Orten verbinde.
Zu wissen, wo die eigenen Wurzeln sind, ist schon wichtig und gibt uns meiner Meinung nach viel Halt und Tiefe – besonders in Zeiten, in denen vielleicht nicht alles glatt läuft.
Selfrating-Test:
- Zuhörerin: 8 Punkte
- Doppelpartnerin: 5 Punkte
- Chefin: 7 Punkte
- Musikalisches Talent: 9 Punkte
Welche persönliche Eigenschaft würden sie beim Selfrating-Test mit 10 Punkten und welche mit 0 Punkten bewerten?
E. T.: Es gibt tatsächlich keine Eigenschaft, bei der ich mich mit 10 Punkten bewerten würde, das wäre zu vermessen. 0 Punkte würde ich mir spontan beim Stricken geben.