Jeden Tag machen wir Bilder von uns und von anderen. In den sozialen Medien wimmeln die Porträts. Der Wunsch nach einem Konterfei von sich selbst ist so alt wie die Menschheit, die Darstellung der menschlichen Figur gehört zu den ältesten Motiven der Kunstgeschichte. In der Vor- und Frühgeschichte gibt es zunächst schematische oder idealisierte Darstellungen, aber bereits bei den Griechen und Römern entstehen individualisierte Porträts auf Münzen oder in Form von Mumienporträts und Totenmasken. Im Mittelalter bleiben die individuellen Porträts jedoch selten, erst in der Renaissance entwickelt sich der Wunsch nach Porträtähnlichkeit, nicht nur bei den Herrschenden, sondern auch bei wohlhabenden Bankiers und Kaufleuten. Etwa Ende des 15 Jahrhunderts beginnt die Blütezeit der Porträtmalerei mit Standesporträts und bürgerlichen Porträts, die bis um 1900 anhält. Sich porträtieren zu lassen wird zum Zeichen individueller Wertschätzung, Porträts werden als lebensnah aufgefasst und wer es sich leisten konnte, ließ sich und seine Nachkommen malen. Porträts der Herrschenden finden als Zeichen staatlicher und politischer Macht auch weiterhin auf Münzen, aber auch als Druckwerke Verbreitung, wobei das Frontispiz im Buchdruck insbesondere Gelehrten und Autoren die Möglichkeit bietet, ihr Porträt begleitend im eigenen Werk darzustellen. Im Privaten hingegen geht es lange bescheidener zu, bis zur Erfindung der Fotografie entstehen hier vor allem Zeichnungen oder Scherenschnitte, denn sich malen zu lassen war in der Regel sehr teuer. Die Entwicklung des Porträts von der Antike bis zur Neuzeit wird in der Ausstellung mit exemplarischen Beispielen aus der Sammlung des Heimatmuseums und einiger Leihgaben aus den Bereichen Malerei, Grafik, Zeichnung, Buchdruck und Münzwesen gezeigt.
Mit dem Aufkommen der Fotografie im 19. Jahrhundert beginnt eine neue Ära, denn sie bietet die Möglichkeit einer authentischen Darstellung von Personen. Wanderfotografen verbreiten die Lichtbildkunst, auch in kleineren Städten lassen sich Fotografen nieder. Porträts und Gruppenaufnahmen gewinnen an Bedeutung für Repräsentationszwecke oder als Andenken, nach und nach wird die Anfertigung eines Porträts auch finanziell erschwinglich. Man geht also zum Fotografen und lässt sich in Szene setzen und ablichten, wie im Oettinger Atelier Fischer, das in der Ausstellung besonderen Raum einnimmt. Es wurde 1908 von Josef Fischer gegründet und bis 1981 von dessen Sohn Adolf Fischer mit tatkräftiger Unterstützung seiner Frau Else fortgeführt. Mehrere Generationen von Riesern und Rieserinnen wurden hier verewigt – allein, zu zweit, mit der Familie, im Verein oder bei feierlichen Anlässen. Die Aufnahmen der Fischers vom städtischen und bäuerlichen Leben und Alltag ergeben über die Jahre das Porträt einer ganzen Region.
Fotos finden vielfältige Verwendung: als private Erinnerung, auf amtlichen Dokumenten, im Buchdruck, der Werbung oder in der kommerziellen Nutzung. Mit der technischen Weiterentwicklung der Kameras hält das Bildermachen Einzug ins Private, das Fotografieren wird zum Hobby. Damit verändert sich auch die Rolle der professionellen Fotografen, die zwar weiterhin zum besonderen Anlass aufgesucht werden, zugleich aber auch als Dienstleister für die privaten Fotografen fungieren. Eine weitere Beschleunigung erfährt diese Entwicklung dann in den 1990er Jahren mit der Digitalfotografie und der Einführung der Smartphones: das Selfie boomt.
Künstlerinnen und Künstler wiederum finden andere und überraschende inhaltliche und formale Interpretationen und Visualisierungen der Gattung Porträt, gerade auch im Rückgriff auf die klassische Fotografie. Dies wird in der Ausstellung anhand einiger ausgesuchter Beispiele aus der Kunst zu sehen sein, u.a. von Peter Anders, Nils Klinger, Martin Luxenburger, Olaf Metzel und Kinga Maria Eisenbarth.
Begleitend zur Ausstellung gibt es eine Reihe von Veranstaltungen, die zeitnah gesondert angekündigt werden. (pm)