Ausstellungseröffnung

„Taufspritze und Geburtsstuhl - Vom Kinderkriegen in alten Zeiten“

Zu den Exponaten gehört auch eine Geburtszange. Bild: Doris Dollmann
Kinderkriegen war immer schon Frauensache, auch der Beistand der Gebärenden in ihren schweren Stunden. Diesem Thema widmet sich die Ausstellung „Vom Kinderkriegen in alten Zeiten“ in der Alten Schule in Mertingen. Teilweise eher als Folterinstrumente anmutende Gegenstände vermitteln einen Eindruck über Geburtshilfe angefangen vom alten Ägypten bis in die 1950er Jahre.

Ulrike Hampp-Weigand, 1. Vorsitzende des Vereins Museumsfreunde Mertingen und Kulturreferentin der Gemeinde, hat die Exponate zusammengetragen. Beeindruckt vom Tagebuch ihrer Großmutter Hedwig Kalbrecht und der Taufspritze hatte sie die Idee dafür. Da totgeborene Kinder nicht in den Himmel kommen konnten, wurde das Ungeborene im Mutterleib mit dieser riesigen Spritze, die in die Gebärmutter eingeführt wurde, getauft. Spätestens dadurch war das Schicksal von Mutter und Kinde besiegelt. Generell war die Kindersterblichkeit sehr hoch, ebenso die der Mütter, die im Kindbett starben. Hauptgrund hierfür war die mangelhafte bis nicht vorhandene Hygiene. Hinzu kam auch der Umstand, dass man zwar einem Pferd nach dem Fohlen sechs Wochen Ruhe gönnte, die Frauen aber meist schon nach drei Tagen wieder arbeiten mussten, sei es auf dem Feld oder aber um die Familie zu versorgen. Nachdem sie infolgedessen nicht stillen konnten, wurden die Babys mit Mehlpapp, Kuh- oder Ziegenmilch ernährt, was wiederum gerade in den Sommermonaten häufig zum Tod führte.

Hebammen leisteten mehr als Geburtshilfe

Zentrale Figur der Ausstellung ist die Mertinger Hebamme Barbara Wagner, die in der Zeit von 1901 bis 1950 insgesamt 2.738 Kinder auf die Welt brachte. Aber auch von äußerst seltsamen Gebräuchen erfährt man, wie zum Beispiel von den Fraisenhauben. Das Aufsetzen sollte das „Krampfen“ verhindern. Um die Kinder zu beruhigen gab es den Dirzel, einen Vorläufer des heutigen Schnullers - ein mit zerkautem Brot und Mohnsamen gefüllter Leinenpropfen, der den Kindern in den Mund gestopft wurde. Die Aufgabe der Hebammen erstreckte sich nicht nur auf die reine Geburtshilfe. Sie mussten sowohl die Tauf- als auch Sterbesakramente beherrschen und anwenden, als auch die Neugeborenen drei Tage nach der Geburt zur Taufe in die Kirche bringen. Und sie musste auch herausfinden, wer bei ledigen Müttern der vermeintliche Vater sein könnte und dies dem Amt mitteilen. Während die meisten Geburten zu Hause stattfanden, gab es 1779 in Jena das erste sogenannte Accouchierhaus, ein Gebärhaus für arme oder ledige Mütter.

Erst Ende des 18. Jahrhunderts befassten sich auch Männer in Deutschland mit dem Thema Entbindung. So geht zum Beispiel die Erfindung des Gebärstuhles mit Sicherheit auf einen Arzt zurück, so Hampp-Weigand in ihrer Einführungsrede.

Auf engstem Raum ist hier eine Ausstellung zusammengekommen, die interessant und bemerkenswert ist. Neben vielen Exponaten sind es vor allem die Geschichten, die faszinieren und für die heutige moderne Geburtshilfe dankbar
sein lassen.

Info:

Geöffnet ist die Ausstellung noch bis Oktober jeden ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr.