Alle drei Zeug*innen, zwei Ärzte und eine Ärztin, die am Donauwörther Krankenhaus mit dem Angeklagten zusammengearbeitet hatten, beschreiben ihren ehemaligen Kollegen vor Gericht als kompetent und fachlich gut. "Seine Arbeit war immer korrekt. Er war pflichtbewusst und nett zu Kollegen und zu Patienten", sagt die erste Zeugin, die am Montagmorgen vor dem Gericht aussagt. "Fachlich auf absolut gutem Niveau. Ich konnte mir bei ihm auch immer einen guten Rat holen", sagt ein anderer Zeuge. Trotz allem gab es aber auch immer wieder Auffälliges am Verhalten ihres Kollegen zu beobachten "Seine Stimmung wechselte oft. Manchmal war er stiller, manchmal wieder besser drauf", erzählt seine ehemalige Kollegin, die selbst Anästhesistin ist. Regelmäßig hat sie den Angeklagten in seiner Mittagspause während laufender Operationen vertreten. Dabei sei ihr aufgefallen, dass ihr Kollege scheinbar mehr Opiat für die Narkosen verabreichte als andere. "Es gibt Kollegen, die nehmen eine opiatlastige Narkose, bei ihm war es schon mehr als üblich", so die Zeugin.
Kolleg*innen hatten Verdacht, dass sich jemand Medikamente abzweigt
Der zweite Zeuge bestätigt die Aussage. Ihm sei zudem aufgefallen, dass er nach der Ablöse durch den Angeklagten oft mehr Sufentanyl benötigte als normalerweise, um die Patienten während OPs weiterhin in Narkose zu halten. Sein Verdacht: "Das, was zuvor in der Spritze war, wurde irgendwie verdünnt". Zudem habe ihn ein OP-Pfleger darauf aufmerksam gemacht, dass die vorbereiteten Opiatspritzen oft anders da lagen, als dieser sie vorbereitet hatte, wenn der Beschuldigte im OP-Saal war, erzählt der Zeuge. Der Arzt berichtete außerdem, dass der Angeklagte anstatt des Narkosemittels Fentanyl während der Ablöse Sufentanil gegeben hat. Beide Medikamente wirken ähnlich, jeder Arzt arbeite lieber mit dem einen oder dem anderen Mittel, das sei weiter nicht ungewöhnlich, so der Zeuge. "Vielleicht wurde es nicht verwechselt, sondern bewusst vertauscht", so der Arzt. Auffällig sei auch gewesen, dass der Zustand der Patienten oft nicht zur Menge des offenbar verabreichten Opiats gepasst hätte. Sein Kollege hätte oft auffällig viel verabreicht, zumindest wurde es so im Narkoseprotokoll vermerkt. Einmal, so erzählt der Kollege, hätte sich der Kopf einer Patientin während der Operation bewegt. "Das war dann doch beunruhigend", so der Arzt.
Der dritte Zeuge, ebenfalls ein Anästhesist, der im besagten Zeitraum im Donauwörther Krankenhaus beschäftigt war, machte ähnliche Beobachtungen. "Die Fälle haben sich gehäuft. Ein Nachspritzen war aber nicht nötig. Die Patienten waren gut versorgt, zwar etwas viel, aber es gibt immer wieder Patienten, die mehr brauchen". Die Beobachtungen der ärztlichen Kollegen waren ungewöhnlich, allerdings nicht unerklärlich. Angesprochen hätten sie den Angeklagten allerdings nicht, das habe ihr Chef eines Tages übernommen. Dieser stieß bei direkter Ansprache beim Beschuldigten jedoch nur auf Ablehnung.
Selbst kleinste Verletzungen sollten gemeldet werden
Auch am 5. Verhandlungstag gibt es keine plausible Erklärung, wie der Arzt mehr als 50 Patienten mit dem Hepatitis-C-Virus, mit dem er selbst infiziert war, anstecken konnten. Dass es durch kleine, unbemerkte Verletzungen, die durch Nadelstiche beim Spritzenaufziehen oder beim Zuganlegen, passiert sein soll, wird durch die Zeugenbefragungen immer unwahrscheinlicher. Die Mediziner erklären auf Nachfrage des Gerichts immer wieder, dass solche Verletzungen bei erfahrenen Ärzt*innen nur selten passieren, höchstens einmal im Jahr. Wer sich selbst verletzt und in Kontakt mit dem Blut von Patient*innen kommt, muss den Fall normalerweise melden und lässt sich selbst auf HIV und Hepatitis testen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, Hygienevorschriften nicht eingehalten zu haben und so Patient*innen mit dem Virus angesteckt zu haben. Dass sich der Angeklagte Narkosemittel abzweigte und selbst verabreichte hat er bereits in einer ausführlichen Einlassung am ersten Verhandlungstag erklärt.
Am Freitag wird die Verhandlung fortgesetzt. Dann sollen auch die Betroffenen vor Gericht als Zeug*innen aussagen. Ein Urteil wird erst im Juli erwartet.