"Für solche Spiele machen wir das“ entstammte aus dem ALBA Berlin-Lager. Die Hauptstädterinnen hatten im kleinen Finale Bronze geholt und waren sodann Zuschauer eines spektakulären, qualitativ erstklassigen und höchstdramatischen Finales, das seinen ersten emotionalen Höhepunkt schon vor Spielbeginn hatte, als die deutsche Nationalhymne live und a cappella vorgetragen wurde.
Die Stimmung war gut in der Saarlouiser Stadtgartenhalle. Rund 50 Nördlinger Fans aus der ganzen Republik waren angereist, um dieses geschichtsträchtige Spiel live mitzuverfolgen. Coach Matiss Rozlapa war, wie allen anderen Anhängern und Verantwortlichen auch, die pure Anspannung ins Gesicht geschrieben, ging es hier doch um nichts Geringeres als den größten Erfolg der Vereinsgeschichte. Beide Mannschaften legten gut los und Erika Davenport zeigte mit den ersten fünf Nördlinger Punkten, warum sie später zurecht zur wertvollsten Spielerin des Turniers gekürt wurde. Roosa Lehtoranta knüpfte an ihre überragende Leistung vom Vortag an und erhöhte per And-One zum 12:8 nach fünf Minuten. Neben dem spielerischen Festakt war das Finale auch ein Duell der beiden Taktiker des Teams. Die in Nördlingen bestens bekannte Sidney Parsons und ihr Gegenüber, Matiss Rozlapa, versuchten sich, durch überlegte Wechsel und taktische Veränderungen, gegenseitig auszustechen. Erika Davenport, bis dahin offensiver und defensiver Anker der Angels wurde eine kurze Pause gestattet, was Hannover eiskalt ausnutzte und ihre Centerin Brianna Rollerson mit ihr unübertroffenen körperlichen Voraussetzungen ein ums andere Mal unter den Korb schickte und gegen kleinere Angels Punkte erzwang. Ein qualitativ hochwertiges Spiel auf Augenhöhe ging beim 18:21 aus Nördlinger Sicht in die erste Viertelpause.
Zweites Viertel
Im zweiten Viertel zeigte sich dann die körperliche Überlegenheit der Hannoveraner immer deutlicher. Zwar verteidigten die Herausforderinnen aus Nördlingen gut, doch der Rebound landete immer wieder in den Händen der Niedersachsen, die sich ein ums andere Mal zweite Chancen kreieren konnten. Dennoch genoss das Angels-Team offenbar maximales Vertrauen seines Coaches, denn Youngstar Anna Löffler wurden die ersten Minuten erlaubt und die machte ihren Job gut! Ihre knallharte, aber faire Defense ließ den Titelverteidiger mehrmals auflaufen. In der Offense taten sich die Nördlingerinnen aber zusehends schwer. Statt schönem Teamplay zeichneten eins ums andere Mal erfolglose Einzelaktionen das Spiel. Der Korb schien wie vernagelt – da musste schon Erika Davenport höchstpersönlich den Ball quasi in den Korb drücken, um für etwas Zählbares zu sorgen.
Das Spiel wurde nun wesentlich hitziger und der Finalcharakter hatte allerspätestens jetzt Einzug gehalten. Topscorerin Brianna Rollerson konnte sich indes glücklich schätzen, nicht innerhalb weniger Sekunden aufgrund ihres harten Einstiegs wegen Foulproblemen auf der Bank Platz nehmen zu müssen. Im ersten Halbfinale glänzten die Niedersachsen durch ihre überragende Trefferquote. Die konnten sie jetzt nicht bestätigen, dafür garantierte ihr Offensivrebound immer wieder neue Möglichkeiten. Zu wortwörtlich erdrückend war der Größenunterschied der beiden Mannschaften auf den eigentlich „kleinen Positionen“. Erika Davenport zeigte unterdessen ihr bis dahin bestes Spiel im Angels-Trikot und legte 17 Punkte in der ersten Halbzeit auf. Bei noch 5 Sekunden auf der Spieluhr wusste Enija Viksne nicht, wohin mit dem Ball und knallte ihn deshalb kurzerhand von der Mittellinie einfach in den Korb. Beim noch versöhnlichen 35:40 aus Nördlinger Sicht war noch alles im Rahmen und nichts verloren. Auffällig in den Statistiken war nur die 25:16-Überlegenheit der Niedersachsen im Reboundduell.
Dritter Durchgang
Rollerson, von Nördlingen einfach nicht zu bändigen, sammelte sich früh im dritten Durchgang ihr drittes Foul ein. Coach Sidney mahnte sie, die Verteidigung vollständig aufzugeben, um nicht auch noch ein viertes Foul zu provozieren. Ihrer Rolle neu bewusst, trug sie ihr Team offensiv nun vollständig auf ihren Schultern. Coach Rozlapa reagiert und verstärkte seine Defense nochmals. Doppelt Davenport und Lehtoranta sollten die Amerikanerin mit vereinten Kräften nun stoppen. Doch Hannover war inzwischen weit enteilt und packte eine komfortable 13-Punkte-Führung zwischen die beiden Mannschaften. Nördlingen hatte kaum mehr Zugriff im Angriff – zumindest bis Naomi Davenport neue Energie aufs Feld brachte. Ein 21:8-Run, verziert mit finnischer ro(o)sa Schleife durch Lehtoranta sorgte sogar für einen kleinen Vorsprung vor dem letzten Viertel.
Finaler Durchgang
Der letzte Durchgang hatte dann alles und von allem sehr viel. Vor allem an Spannung und Qualität mangelte es nicht. Es entwickelte sich ein minutenlanges Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem die Angels immer die Nasenspitze vorn hatten. Jeder Punkt der Hannoveraner wurde doch kluges Ausspielen der Angriffe gekontert und mit wichtigen Körben belohnt. Hannover schienen die Mittel zu fehlen, final zuzuschlagen und auch Brianna Rollerson, bis dahin alles überragende Spielerin der Titelverteidigerinnen war nun unauffällig. 37 Sekunden waren noch zu spielen und der größte Erfolg der Vereinsgeschichte lag in der Luft, doch dann kam noch ein letztes Mal die Zeit der Brianna Rollerson, die zuerst einen Korbleger und dann nach einem erfolglosen letzten Angels-Angriff und einem strittigen Pfiff an die Freiwurflinie geschickt wurde. Eiskalt versenkte sie ihre beiden Würfe und gravierte damit den Namen ihres Teams zum zweiten Mal nacheinander auf die schicke Siegertrophäe des Pokalturniers.
Hängende Köpfe und bittere Enttäuschung dagegen auf der Angels-Seite, die diesen Sieg ebenso verdient hätten und erst auf den letzten Millimetern von ihrem Traum loslassen mussten. Statt Pokal und Siegerjubel nun also Silber und das Wissen, wie knapp man am größten Erfolg der Vereinsgeschichte vorbeigeschrammt ist. Dennoch ernteten die Angels Standing Ovation und viele Mutreden für die kommenden Aufgaben, die bereits kommendes Wochenende in Halle beginnen und „PlayOffs 2024“ heißen. Bis dahin heißt es Wunden lecken, Silberkrönchen richten und Kopf nach oben!
Die Pokalvizemeisterinnen: Erika Davenport (25 Punkte), Naomi Davenport (18), Nicole Brochlitz (5), Enija Viksne (9), Roosa Lehtoranta (11), Mariam Haslé-Lagemann (0), Lisa Bertholdt (0), Brandi Beasley (4), Anna Löffler (0), Leonie Kambach (dnp).
Bei den TK Hannover Luchsen fielen auf: Stockton (22), Rollerson (21), Taylor (17).