In Nördlingen ist der Name Helmut Beyschlag eine Institution. 14 Jahre lang stand der Jurist dem hiesigen Amtsgericht vor und wurde mit seiner Art, Klartext zu reden, auch über die Grenzen des Nördlinger Ries hinaus bekannt. Seinen Nachfolgern hinterließ er damit große Fußstapfen, die es zu füllen gilt.
Dieser Aufgabe stellt sich nun Dr. Christoph Kern, der das Amt im Oktober des vergangenen Jahres von Dieter Hubel übernommen hat. Eine Herausforderung, die Christoph Kern allerdings nicht allzu viel Furcht einflößen dürfte, denn er ist es als Präsident des Bayerischen Fußball-Verbands gewohnt, auf große Namen zu folgen.
Im Sommer 2022 übernahm er von Dr. Rainer Koch das Zepter im bayerischen Fußball. Koch hatte nach 18 Jahren nicht mehr für das Amt kandidiert. In dieser neuen Funktion kam Kern gleich in Berührung mit dem größten Nördlinger Namen überhaupt: Gerd Müller.
Bei der Einweihung der Statue Müllers – nicht nur eine Nördlinger Institution, sondern als „Bomber der Nation“ eine Legende weit über das Ries hinaus – würdigte Kern den in Nördlingen liebevoll „Hadde“ genannten Weltmeister von 1974 als Vorbild, der trotz seiner Erfolge immer ein bodenständiger Mensch geblieben sei.
Das digitalisierte Gericht als Ziel
Bodenständigkeit ist auch für Kern eine Eigenschaft, die der gebürtige Unterfranke in seiner Funktion am Amtsgericht Nördlingen vorleben will. „Die Leute wollen, dass man mit ihnen spricht“, beschreibt er seine Einstellung und fügt hinzu: „So bin ich gestrickt. Man sagt mir eine hohe Kommunikationsfähigkeit nach.“
Daher ist für ihn die Politik der offenen Tür eine Herzensangelegenheit. „Natürlich kann ich lange Briefe und Vermerke schreiben, aber da nehme ich lieber den Hörer in die Hand und rede mit den Menschen.“
Diesen Hang zur direkten Kommunikation darf man bei Christoph Kern jedoch nicht mit Rückständigkeit oder – noch schlimmer – mit Technologiefeindlichkeit verwechseln. Ganz im Gegenteil: Eine seiner ersten Amtshandlungen in Nördlingen war das Abschaffen der Faxgeräte.
Zwar gebe es immer noch ein Online-Fax im Haus, grundsätzlich sei es Kern jedoch daran gelegen gewesen, „diese immer noch bewährte, aber in die Jahre gekommene Technik abzuschaffen“.
Das erklärte Ziel ist es, die Aktenberge aus dem Dienstverkehr verschwinden zu lassen und aus Nördlingen ein digitales Gericht zu machen. Bis Mai wird dafür die digitale Strafakte eingeführt. Die Sitzungssäle sind mittlerweile schon technisch vorbereitet. „Akten aus Papier werden dann bald der Vergangenheit angehören.“
Ein Bundesligaschiedsrichter weckt die Lust auf die Pfeife
Ebenfalls der Vergangenheit gehört Kerns Schiedsrichterkarriere an.
Die Leidenschaft für den Fußball wurde bei ihm schon früh geweckt, allerdings konnte das Talent nicht mit der Leidenschaft Schritt halten – oder wie Kern selbst seine Zeit in der D-Jugend beschreibt: „Der Trainer hat erkannt, dass ich nicht der große Fußballer bin. Ich saß viel auf der Auswechselbank.“
Zu seinem Glück hatte er damals den Bundesligaschiedsrichter Siegfried Brehm als Lateinlehrer, der in ihm den Gedanken pflanzte, als Schiedsrichter dem Fußball weiter treu zu bleiben. Brehm, der ab August 1981 69-mal als Unparteiischer in der Bundesliga zum Einsatz kam, hatte mit seiner Idee Erfolg.
So machte der junge Kern im Alter von 14 Jahren den Schiedsrichterschein und war seitdem „gefühlt jedes Wochenende auf dem Fußballplatz“. Eine Zeit, die Kern nicht missen will – auch wenn aus dem großen Traum Bundesliga nichts geworden ist.
Der Fussballplatz als Lehrsaal für das Leben
Von den Erfahrungen, die er damals auf dem Fußballplatz gesammelt hat, zehrt er noch heute. „Da habe ich gelernt, Entscheidungen zu treffen. Und man wird als Schiedsrichter oft kritisiert und lernt, damit umzugehen“, zieht er Parallelen zu seinen Aufgaben als BFV-Präsident und Direktor des Amtsgerichts, wo es ebenfalls Entscheidungsfreude und Resilienz bedarf.
Auf dem Fußballplatz habe ich gelernt, Entscheidungen zu treffen“, so Dr. Christoph Kern
Und noch eine wichtige Eigenschaft hat er sich aus seiner aktiven Schiedsrichterzeit bewahrt: Leidenschaft. Natürlich zeigt sich diese im Amt des BFV-Präsidenten auf eine andere Art als im Gerichtssaal. „Im Gerichtssaal bin ich nicht der Typ für große Späßchen“, charakterisiert sich der Richter Kern selbst. Immerhin stünde dort zu viel auf dem Spiel für die Beteiligten.
Dennoch zeigt er diese Leidenschaft auch im Berufsalltag. „Das beginnt schon dabei, dass in der Akte nichts steht, was ich nicht weiß. Ich halte es für elementar wichtig, dass eine Person, die über eine andere Person richtet, vollständige Aktenkenntnis hat.“
Natürlich sei dies zeitaufwändig und nicht immer einfach. Aber „macht man etwas mit purer Leidenschaft, geht man auch mal die Extrameile.“