Wirtschaft

Geschlechtergerechtigkeit als Chance gegen Fachkräftemangel

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In der Diskussion um den Fachkräftemangel in Deutschland kommt die Frauenbeteiligung am Arbeitsmarkt oft zu kurz. Dabei liegt hier ein erhebliches Potenzial, um den Fachkräftemangel zumindest zu mindern.

Die gute Nachricht zuerst: Die Quote der erwerbstätigen Frauen ist in den vergangenen 20 Jahren angestiegen, wie die Agentur für Arbeit Donauwörth bestätigt. Waren 2003 noch 44,9 Prozent aller Erwerbstätigen Frauen, machten diese 2023 bereits 46,9 Prozent aus. Auch innerhalb der Frauengruppe ist der Zuwachs deutlich sichtbar. Waren 2009 noch 47,8 Prozent der Frauen erwerbstätig, stieg die Zahl 2023 auf 59,1 Prozent. In Bayern waren im Jahr 2023 62,2 Prozent aller Frauen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Der Landkreis Donau-Ries liegt mit einem Anteil von 63,1 Prozent sozialversicherungspflichtigen Frauen sogar noch über dem Bayernschnitt.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Frauenanteil an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen im Vergleich zu Männern in den vergangenen zehn Jahren nur noch leicht zugenommen hat. Den größten Zuwachs an Frauen hat der Bereich der Selbstständigkeit zu verzeichnen. Vor allem in der Soloselbstständigkeit gab es 2023 mit 41,3 Prozent knapp acht Prozent mehr Frauen als 20 Jahre zuvor. Diese Zahlen sind ein positives Beispiel für Teilhabe am Arbeitsmarkt, können gleichzeitig aber auch als Warnung dienen. Anscheinend haben Frauen immer noch Nachteile auf dem Arbeitsmarkt, die eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung erschweren.

Betreuung von Familienangehörigen ist immer noch Frauensache

Vor allem gesellschaftliche Vorstellungen spielen noch eine große Rolle – speziell das Mutterbild scheint hier erwähnenswert. Denn gerade Mütter weisen eine geringere Arbeitszeit als Männer oder Frauen ohne Kinder auf. Ganze 29 Prozent der in Teilzeit erwerbstätigen Frauen gaben 2022 an, aufgrund der Betreuung von Angehörigen eine Teilzeittätigkeit auszuüben. Unter den befragten Männern war dies lediglich bei sieben Prozent ein Thema. 

Welche Hilfe der Staat dabei bieten kann, zeigt der Ausbau der Kinderbetreuung. Seit der Einführung eines rechtlichen Anspruchs auf frühkindliche Betreuung stieg die Erwerbsquote von Müttern mit mindestens einem Kind unter drei Jahren in den Jahren von 2008 bis 2022 auf 39,7 Prozent (+9 Prozent). Mit einem weiteren Ausbau könnte so unter Umständen zusätzliches Potenzial an Fachkräften aktiviert werden. Vor allem im ländlichen Bereich braucht es eine Flexibilisierung der Betreuungssituation im U3- und Ü3-Bereich.

Doch nicht nur der Staat, auch die Unternehmen sind hier gefordert. Schon zahlreiche Firmen bieten flexible Arbeitszeitmodelle an, das Angebot könnte aber noch stärker ausgebaut werden, um mehr Frauen den Schritt zurück in die Erwerbstätigkeit zu erleichtern. Möglichkeiten hierbei sind Teilzeitarbeit, Gleitzeit oder Homeoffice. Wobei diese Angebote die realen Gegebenheiten berücksichtigen müssen.

Klassische "Frauenberufe" als Katalysator des Fachkräftemangels

Noch immer sind viele Frauen in klassischen „Frauenberufen“ im sozialen, pflegerischen oder kaufmännischen Bereich tätig. Gleitzeit oder Homeoffice scheidet hier jedoch oftmals aus. Gerade Homeoffice wird gerne als Allheilmittel gesehen, bedeutet aber nicht automatisch, dass man mit Kind von daheim arbeiten kann. Oftmals ist lediglich der Wegfall des Arbeitsweges ein positiver Aspekt.

Erfolgversprechender wäre es unter Umständen, den Anteil der Väter in Elternteilzeit zu erhöhen, wie Norbert Gehring, Geschäftsführer operativ der Agentur für Arbeit in Donauwörth, erklärt. Dadurch würden mehr Fachkräfte im Arbeitsmarkt verbleiben. Gerade in den genannten „Frauenberufen“ könnte dies zu einer spürbaren Entlastung sorgen, da diese stark von einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften geplagt werden. Zudem würde es die Karrierechancen von Frauen erhöhen und somit auch den Fachkräftemangel in Führungspositionen mindern.

Natürlich benötigt ein komplexes Thema wie der Fachkräftemangel in Deutschland verschiedene Lösungen, ein nicht gerade kleiner Baustein kann jedoch die stärkere Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt sein. Zwar bedarf es dafür die Bereitschaft zu Veränderungen bei Staat, Unternehmen und Gesellschaft, der Lohn hierfür wäre jedoch eine Entlastung des Arbeitsmarktes und ein Beitrag zur Sicherung des Wohlstands in unserem Land.

Redakteur. Unterwegs für blättle und online. Geboren in Augsburg ist er über Freiburg, Wien und München endlich im schönen Donau-Ries angekommen. Hier hat er besonders die Themen Kunst, Kultur, Geschichte und Sport im Blick.

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