Ampel-Aus, niedrige Umfragewerte, schlechtes Abschneiden bei den drei vergangenen Landtagswahlen und ein Wechsel an der Parteispitze: Die Grünen gehen mit einem schweren Rucksack in den verkürzten Bundestagswahlkampf. Glauben Sie das Robert Habeck Vertrauen zurückgewinnen kann – wenn ja, wie?
Zusammen mit Robert können wir das Vertrauen der Menschen in uns stärken, indem wir uns klar und deutlich für unsere politischen Ziele einsetzen. Dabei zeigen wir Ehrlichkeit bei gemachten Fehlern und Einblicke in schwierige Entscheidungen. Wir sind menschlich, und das macht uns glaubwürdig. Wir benennen Probleme und finden gleichzeitig Lösungen, da wir allen ein gutes und wertvolles Leben ermöglichen wollen. Zusammen können wir das schaffen und mit dieser Zuversicht gehen wir in die Wahl.
2022 lagen die Grünen bei Umfragen noch bei etwa 20, mittlerweile allerdings nur noch bei 12 Prozent. Was glauben Sie sind die Gründe für diesen Rückgang?
Deutschland hat in der letzte Bundestagswahl für den Fortschritt gestimmt. Das Ergebnis war die Ampel. Jedoch konnte sie ihre Stärken nie richtig ausspielen. Quasi seit Anfang an war die Regierung mit der Begrenzung von Schäden beschäftigt. Sei es wegen dem russischen Angriffskrieg und der Sicherstellung der Energieversorgung oder der schwierigen Konjunktur nach der Pandemie und den großen Versäumnissen der unionsregierten Jahre. Trotzdem haben wir viel erreichen können und das ist anzuerkennen.
Auf dem Bundesparteitag Mitte November bestätigte Robert Habeck, dass die Partei in Zukunft mehr Geld in die öffentliche Struktur investieren möchte. Dazu zählt auch der öffentliche Nahverkehr. Wie kann ein solcher Umbruch auch im Landkreis Donau-Ries gelingen?
Wir brauchen eine Finanzierungsgarantie für das Deutschlandticket. Wenige Projekte haben soviel für flexible Mobilität und gleichzeitig etwas für den Geldbeutel getan. Zu der Nachfrage muss dann auch das Angebot steigen, gerade im ländlichen Raum. Wir brauchen die Henne und das Ei. Ich fordere die Reaktivierung der Hesselbergbahn / Romantische Schiene für den Zuganschluss nach Nord-West, den Ausbau des lokalen ÖPNVs durch bessere Zeittakte sowie eine Erweiterung des Angebots von Rufbussen.
Markus Söder (CSU) hat einem schwarz-grünen Bündnis auf Bundesebene bereits eine Absage erteilt. Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz lehnt dies hingegen nicht grundsätzlich ab. Glauben sie, dass eine solche Koalition gelingen kann?
Ich kann Söders Grundablehnung nicht nachvollziehen. Selbst Altkanzlerin Merkel fand seinen Umgang nicht in Ordnung und mahnte, dass die demokratische Bündnisfähigkeit erhalten bleiben müsse. Auf Landes- und Kommunalebene arbeiten Schwarz und Grün bereits erfolgreich zusammen. Warum nicht auch im Bund? Für eine gute Zusammenarbeit ist die Bereitschaft entscheidend, Kompromisse einzugehen und für das Ergebnis Seite an Seite geradezustehen. Vielleicht ist Söder einfach kein guter Teamspieler.
Das umstrittene Heizungsgesetz von Robert Habeck sorgte in der Vergangenheit für viel Unmut und könnte bereits jetzt wieder vor dem Aus stehen. Glauben Sie, dass Deutschland bis 2045 tatsächlich klimaneutral sein könnte?
Zunächst einmal die Richtigstellung, dass es hier um das Gebäudeenergiegesetz geht, welches 2020 unter der Unions-Führung entstanden ist. Darin musste aber nochmal nachgeregelt werden, damit die Klimaziele im Gebäudesektor wirklich zu erreichen sind. Hier kam die Ampel ins Spiel. Es ist unsere gesellschaftliche Pflicht, so schnell wie möglich klimaneutral zu werden, damit Kinder und Enkel auch ein gutes Leben haben können. Ja, wir müssen an den Klimazielen festhalten und sie sind auch schaffbar.
Sie leben und arbeiten erst seit zwei Jahren im Landkreis Donau-Ries. Was können Sie als Bundestagsabgeordneter für die Region tun? (Hinweis: Diese Fragen stellen wir allen Interviewpartnern)
Ich kann sehr vieles für unsere Region Donau-Ries tun. Mein Ziel ist, Fördermittel des Bundes gezielt für die Region zu sichern, beispielsweise für den Zuwachs von erneuerbaren Energien für noch günstigeren Strom, die Finanzierung von langfristigen Bildungs- und Integrationsprojekten oder den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs für möglichst flexible Mobilität. Insgesamt stehe ich dafür ein, dass sich die Lebensqualität für uns alle merklich verbessert, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land.
Lieber Friedrich Merz oder Olaf Scholz als zukünftiger Bundeskanzler?
Weder noch. Mit Robert Habeck haben wir den besten Spitzenkandidaten bei uns bei BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN. Er punktet mit Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit, mit Einsicht und Zuversicht. Er ist in keine moralisch fragwürdige Geschäfte wie Blackrock oder Skandale wie CumEx verwickelt, sondern er ist ein sympathischer Mann, der nur das Beste für seine Mitmenschen möchte. Seine ruhige, aber entschlossene Art macht ihn zur idealen Wahl, um Deutschland in eine nachhaltige und gerechte Zukunft zu führen.
Lockerung der Schuldenbremse oder noch mehr Anstrengungen beim Klimaschutz?
Wieso ein „Entweder – Oder“? Mit uns Grünen geht beides. Wir brauchen eine Änderung der Schuldenbremse, damit wir endlich wieder effektiv in Uns und unser Land investieren. Mehr Anstrengungen in den Klimaschutz brauchen wir, damit unsere Lebensgrundlagen und unser Wohlstand erhalten bleibt. Unter anderem dorthin müssen dann natürlich entsprechende Investitionen fließen. Generell müssen dabei Bedürftigkeit und Wirksamkeit bedacht werden, ohne in der Förderung weitere Bürokratiemonster zu schaffen. (dra)
Wie bewerten Sie das von Friedrich Merz eingebrachte Gesetz zur Zustrombegrenzung?
Aus Sicht der Grünen ist der Vorschlag von Friedrich Merz zur Überarbeitung des Asylrechts erneut ein Schritt in die falsche Richtung. Der Entwurf setzt auf Abschreckung und Einschränkungen statt auf echte Lösungen, die die Verfahren geordnet, menschlich und praktisch gestalten. Die geforderten Maßnahmen widersprechen humanitären Standards, gefährden die Rechtsstaatlichkeit und sind höchstwahrscheinlich in vielen Fällen mit EU- und Völkerrecht nicht vereinbar.
Solche Vorschläge nehmen sich den echten Schwierigkeiten nicht an, sondern sie normalisieren und stärken letztendlich rechte Erzählungen, welche auf Ausgrenzung und eine Spaltung der Gesellschaft abzielen. Darüber hinaus hat die Union unter Merz versucht, im Bundestag mit der Hilfe der in Teilen rechtsextremen AfD zwei Anträge und einen Gesetzentwurf zu verabschieden. Dieses Verhalten war wortbrüchig und verantwortungslos.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen setzen stattdessen auf eine Asylpolitik, die klare Regeln mit Humanität verbindet: schnellere Asylverfahren, bessere Integration durch Sprach- und Arbeitsangebote sowie eine engere Zusammenarbeit mit europäischen Partnern. Wir brauchen eine offene und konstruktive Debatte über die Zukunft der Asylpolitik in Deutschland, die sowohl die humanitären Verpflichtungen als auch die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft berücksichtigt.
Die Kurzform dieses Interviews ist in der blättle Ausgabe 60 Januar/Februar 2025 erschienen und ist auch in unserem Webkiosk als E-Paper verfügbar.