Wenn Andreas Huggenberger mit Schafen und Hunden von Weide zu Weide zieht, lässt er eine jahrtausendealte Tradition weiterleben. Bereits vor rund 10 000 Jahren begannen die Menschen mit der Domestizierung von Schafen, womit die Schäferei eines der ältesten Gewerbe der Welt ist. Trotz dieser langen Geschichte gehörte die Schäferei in Europa lange Zeit zur Gruppe der unehrlichen Berufe.
In der Ständegesellschaft des Mittelalters wurden darunter nicht betrügerische Erwerbstätigkeiten verstanden, sondern Gewerbe, die ohne ständisches Ansehen waren. In der Definition dieser unehrlichen Berufe gab es zwar regionale und zeitliche Unterschiede, gemeinhin wurde darunter jedoch auch der Beruf des Schäfers aufgeführt.
Mit dieser sozialen Ächtung müssen die Schäfer heutzutage nicht mehr leben – ganz im Gegenteil. Im Jahr 2020 wurde die Süddeutsche Wander- und Hüteschäferei in Bayern und Baden-Württemberg sogar in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Deutschen UNESCO-Kommission aufgenommen. Damit wurde ebenfalls der Bedeutung der Schafhaltung unter dem Aspekt der Landschaftspflege Rechnung getragen.
Der Wanderschäfer als Landschaftspfleger
„Wanderschäfer gab es im Ries schon immer und die haben die Flächen aufrechterhalten“, weiß auch Andreas Huggenberger um die Wichtigkeit seiner Tätigkeit. „Auf den Schafswiesen gibt es noch Artenvielfalt. Wenn da kein Schäfer mehr käme, würde das alles verbuschen. Das Gras würde ein Filz und dann kommen auch keine Eidechsen oder Bienen mehr.“ Insgesamt gibt es allein im Landkreis Donau-Ries über 600 Hektar Trockenrasen, welcher von Schafen gepflegt werden muss. Rinder sind dafür ungeeignet, da diese den Bewuchs bis zum Boden abfressen würden. Daher gibt es auch Förderung seitens der Politik. So hat das Bayerische Landesamt für Umwelt in seinen Landschaftspflege- und Naturpark-Richtlinien (LNPR) festgehalten, dass „Maßnahmen der Pflege, Wiederherstellung und Neuschaffung ökologisch wertvoller Lebensräume“ unterstützt werden. Anträge können von Verbänden und Kommunen sowie Privatpersonen wie Andreas Huggenberger gestellt werden. „Das Haupteinkommen ist die Landschaftspflege“, erzählt der 50-Jährige offen.
Auf der schwierigen Sommerrunde
Doch trotz dieser finanziellen Unterstützung hält der Beruf des Wanderschäfers immer noch viele Widrigkeiten bereit. Die Strecken zu geeigneten Weideflächen sind lang. Allein der Weg von Huggenbergers Hof in Marktoffingen bis zur Weide bei Tagmersheim beträgt rund 50 Kilometer. Und die werden nicht auf kürzestem Weg zurückgelegt. In der zweiten Aprilhälfte kommen die Schafe nach der Schur wieder aus dem Stall und es geht nach Weilheim. Die 35 Kilometer müssen in zwei Tagen geschafft werden. Das absolute Tagesmaximum liegt bei 20 Kilometern. Dann „kommen die Hunde an ihre Grenzen“, nimmt Huggenberger auf seine drei altdeutschen Schäferhunde Cora, Fanny und Mohrle Rücksicht. Diese bezeichnet der Schäfer anerkennend als seine „wichtigsten Mitarbeiter“, zu denen er eine besondere Beziehung hat. „Die bleiben bei mir bis sie umfallen.“
Über weitere Weiden geht es bis nach Tagmersheim, wobei auf dem Weg dorthin zahlreiche Straßen und Zugstrecken für brenzlige Situationen sorgen können. Danach geht es über Gosheim wieder zurück. Zweimal legt Huggenberger diese Runde im Sommer zurück.
Zur Erholung auf der Winterweide
Im Winter siedelt er mit seinen Schafen – Tiere, die im Dezember lammen, bleiben im Stall – in die Hallertau um. Das zehnte Jahr in Folge macht er sich bereits auf dem Weg zur Winterweide, die schon sein Vorgänger gepachtet hatte. Dort verbringt er dann die kalte Jahreszeit mit seiner Herde, schläft selbst dabei in einem Wohnwagen. „Als mir mal das Gas ausgegangen ist, habe ich in der Bude -3 Grad gehabt“, beschreibt er die Unannehmlichkeiten, die das mit sich bringt. Trotzdem genießt Huggenberger diese Zeit. „Auf der Winterweide habe ich es schön. Das ist eigentlich die Zeit, wo ich mich erholen kann, weil da keine Lammzeit ist. Da muss ich nur Schafe hüten und schauen, dass die jeden Abend satt sind.“ Nur alle paar Tage geht es mit dem Auto nach Hause, um Kleidung zu wechseln und Hundefutter zu holen. „Ansonsten bin ich da zehn Tage allein.“ Als kleinen Luxus hat er einen Fernseher in seinem Wohnwagen. „Aber wenn man den ganzen Tag an der frischen Luft arbeitet, dann geht es auch früh ins Bett.“
Bis Mitte März verbringt er die Zeit dort mit seiner Herde, ehe die Tiere per Lkw wieder heimgebracht werden. Es ist dann wieder Zeit für die Schur und für Andreas Huggenberger beginnt der Kreislauf des Wanderschäfers von vorne – so wie es bereits seit Tausenden von Jahren Tradition ist. (Manuel Habermeier)
Dieser Artikel ist bereits in der blättle-Ausgabe 60 Januar/Februar 2025 erschienen. Hier E-Paper lesen!