Die Diskussion um den Fachkräftemangel ist mittlerweile in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Doch wie wird das Problem in der Arbeitswelt wahrgenommen? Wir haben uns mit verschiedenen Personen unterhalten, wie sie mit dem Fachkräftemangel konfrontiert werden und welche Auswirkungen sie selbst verspüren.
Norbert Gehring, Geschäftsführer operativ der Agentur für Arbeit Donauwörth
Welche Risiken drohen der Wirtschaft im Landkreis durch den Fachkräftemangel?
Die Risiken, die durch fehlende Fachkräfte für Betriebe drohen, sind allgemein bekannt: Qualitätsverlust, Produktionsausfälle, Konkurrenzfähigkeit geht verloren, Innovationen verzögern sich oder finden im schlechtesten Falle nicht statt, schlimmstenfalls droht der Verlust des Standortes. Alle Betriebe stehen vor den Herausforderungen der Transformation und der demographischen Entwicklung. Insbesondere klein- und mittelständische Betriebe wie z.B. der Handwerksbereich tun sich schwer.
Was sind die klassischen Engpassberufe im Donau-Ries?
Es zeigen sich Engpässe vor allem in Pflegeberufen, im Bereich der medizinischen Berufe, in Bau- und Handwerksberufen, Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufen, Mechatronik-, Energie und Elektroberufen und Berufe in der Lebensmittelherstellung. Aber auch Verkaufspersonal, Berufskraftfahrer*innen sowie Erzieher*innen werden gesucht. Diese Auflistung zeigt, in fast allen Bereichen werden Fachkräfte gesucht. Eine abgeschlossene Ausbildung ist fast schon ein „Beschäftigungsgarant“.
Welche Rolle spielt der Zuzug von Arbeitskräften aus anderen Teilen Deutschlands oder aus dem Ausland?
Fakt ist, der Arbeits- und Fachkräftebedarf wird ohne den Zuzug von Arbeitskräften, auch aus dem Ausland, nicht zu bewältigen sein. Aktuell sind rund 14 500 Beschäftigte im Landkreis Donau-Ries über 55 Jahre alt. Das heißt, spätestens in zwölf Jahren werden 22 Prozent der Beschäftigten in die Rente gehen. Bereits aktuell ist feststellbar, dass das Beschäftigungswachstum in der Region mehr oder weniger nur möglich ist, wenn ausländische Arbeitskräfte eingestellt werden. Sprich, die Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung geht seit längerer Zeit, fast ausschließlich auf die Arbeitsaufnahme von ausländischen Arbeitnehmern zurück.
Oliver Osbelt, Personal- und Ausbildungsleitung VG Oettingen
Inwieweit wird die Handlungsfähigkeit kommunaler Verwaltungen durch den Fachkräftemangel in Zukunft gefährdet?
Der Fachkräftemangel gefährdet die Handlungsfähigkeit kommunaler Verwaltungen erheblich, da viele Stellen nicht besetzt werden können. Dies führt zu längeren Bearbeitungszeiten und einer Überlastung des verbleibenden Personals, was die Qualität der Dienstleistungen mindern kann.
In den kommenden Jahren wird der Fachkräftemangel durch den demographischen Wandel noch verschärft. Wie soll dies abgemildert werden?
Interne Maßnahmen wie die Förderung der Weiterbildung und Qualifizierung bestehender Mitarbeiter können Engpässe abfedern. Flexible Arbeitszeitmodelle und gezielte Nachwuchsförderungsprogramme stärken zudem die Mitarbeiterbindung und erhöhen die Attraktivität der Verwaltung. Auch die Anwerbung externer Fachkräfte, insbesondere aus dem Ausland, bietet durchaus eine Möglichkeit, den Fachkräftemangel zu lindern. Dies erfordert jedoch gezielte Rekrutierungsstrategien und die Anpassung an kulturelle sowie sprachliche Bedürfnisse, um die Integration zu erleichtern. Der Ausbildungsbereich spielt eine zentrale Rolle bei der Sicherung zukünftiger Fachkräfte.
In der VG Oettingen sind mehrere kleinere Gemeinden organisiert. Sehen Sie darin einen Vor- oder Nachteil?
Insgesamt ist eine Verwaltungsgemeinschaft ein Vorteil, wenn sie gut organisiert ist und klare Absprachen zur Aufgabenverteilung getroffen werden. Die VG ermöglicht eine Bündelung von Ressourcen, z. B. durch zentrale Personalabteilungen oder die gemeinsame Nutzung von Fachkräften für spezialisierte Aufgaben. Dadurch können kleinere Gemeinden von der Zusammenarbeit profitieren und effizienter arbeiten, ohne jede Position eigenständig besetzen zu müssen. Nachteil: Aufgrund der Vielzahl von Aufgaben und der begrenzten Kapazitäten könnten Konflikte um die Priorisierung von Projekten zwischen den Mitgliedsgemeinden entstehen. Zudem bleibt es für die kleinen Gemeinden herausfordernd, in der VG eine attraktive Position im Wettbewerb um Fachkräfte einzunehmen, da zentrale Stellen oft in der Kernverwaltung angesiedelt werden.
Franziska Sailer, Betriebsratsvorsitzende der Donau-Ries-Werkstätten GmbH
Fachkräftemangel bedeutet auch die Gefahr, einer immer höheren Arbeitsbelastung. Wie kann der Betriebsrat hier entgegensteuern?
Team Building ist dabei ein wichtiger Punkt. Ständiger Austausch mit und unter dem Personal hilft, an einem Strang zu ziehen, um sich auf dem kurzen Dienstweg zu unterstützen. Außerdem sind wir im engen Kontakt mit unseren Sicherheitsfachkräften, um hohe Arbeitsbelastung zu erkennen und dagegenzuwirken.
Ein Problem des Fachkräftemangels liegt in der Demographie. Inwieweit ist der Betriebsrat in die Personalplanung eingebunden und was sind aktuelle Maßnahmen, die vom Betriebsrat initiiert wurden?
Wir werden bei Einstellungsverfahren mit eingebunden und befürworten Teilzeitmodelle, um eine gute Work Life Balance zu ermöglichen. Zusammen mit der Geschäftsführung arbeiten wir an der Transparenz der Donau-Ries-Werkstätten, um eine gute Öffentlichkeitsarbeit zu ermöglichen.
Wie akut bewertet der Betriebsrat aktuell den Fachkräftemangel bei den Donau-Ries-Werkstätten?
Trotz einer überschaubaren Anzahl an Bewerbern auf offene Stellen sind wir zuversichtlich, diese adäquat besetzen zu können.
Adelina Pahl, Auszubildende Bankkauffrau Sparkasse Nordschwaben
Der Fachkräftemangel hat mittlerweile alle Bereiche der deutschen Wirtschaft erfasst. Wie nimmt man als Auszubildender das Thema wahr?
Ich nehme das Thema Fachkräftemangel stark wahr, vor allem durch die verstärkten Bemühungen der Betriebe, ihre Nachwuchskräfte zu fördern. Es fällt mir auf, dass man als Auszubildende oft schon früh Verantwortung übernehmen darf.
Wie wird im Unternehmen mit dem Thema Fachkräftemangel umgegangen?
Durch Stellenausschreibungen wird neues Personal gesucht. Aber auch Azubis werden aktiv angesprochen, ob wir im Bekanntenkreis Personen kennen, die sich für den Beruf des Bankkaufmanns oder der Bankkauffrau interessieren. Als zusätzlicher Anreiz für eine Vermittlung bekommen wir sogar eine Prämie. Zudem werden einige Bemühungen unternommen, die Azubis auch nach der Ausbildung im Betrieb zu halten.
Ergeben sich vielleicht auch Karrierechancen, die es ohne Fachkräftemangel nicht geben würde?
Ja, durch den Fachkräftemangel habe ich die Möglichkeit, schneller aufzusteigen und mehr Verantwortung zu übernehmen, als es vielleicht früher der Fall gewesen wäre. Dadurch bieten sich mir tolle Karriereperspektiven und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Anmerkung
Bei den Interviews handelt es sich jeweils um Auszüge. Die vollständigen Interviews lest ihr auf www.donau-ries-aktuell.de.